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Wegen Markenartikeln auf der Plattform
Es formiert sich Widerstand gegen Shein

Auf dem Online-Marktplatz von Shein finden sich zunehmend Markenartikel. Das ist zwar nicht untersagt, unterliegt aber strengen Regelungen. Regelungen, die Shein offenbar nicht so genau nimmt: Puma prüft rechtliche Schritte. Was sagen andere betroffene Unternehmen?
Publiziert: 23.09.2024 um 20:53 Uhr

Kurz zusammengefasst

  • Shein verkauft plötzlich hochwertige Markenartikel
  • Markenprodukte wie Montblanc und Tissot auf Schweizer Shein-Plattform entdeckt
  • Die Rechtslage ist kompliziert und intransparent
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Der chinesische Fast-Fashion-Anbieter versucht eine Image-Politur.
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Jean-Claude RaemyRedaktor Wirtschaft

Seit einigen Tagen finden sich auf den diversen Plattformen des chinesischen Fast-Fashion-Giganten Shein plötzlich auch hochwertige Markenartikel. Zuerst darauf hingewiesen hatte der deutsche Digital- und China-Experte Björn Ognibeni.

Auf der Schweizer Seite von Shein wird man als Besucher schnell fündig: Mitten in der Billigware plötzlich ein Füller von Montblanc für 451 Franken. Ein Bally-Herrengürtel für 273 Franken. Eine Tissot T-Classic Uhr für 587 Franken. Oder eine Ray-Ban Wanderer für 191 Franken.

In Deutschland wirft der Vorgang hohe Wellen. Weil ein Adidas-Samba bei Shein für 62 Franken zu haben ist, auf der Adidas-Website indes 120 Euro kostet, erklärt ein Adidas-Sprecher gegenüber der «Wirtschaftswoche»: «Adidas verkauft selbst keine Produkte auf der Plattform und erlaubt auch nicht den Weiterverkauf von Produkten auf der Plattform.» Mitbewerber Puma behält sich gar vor, rechtliche Schritte einzuleiten. Gegen «unzulässige Angebote» wie Fälschungen oder nicht autorisierte Parallelimporte sei Puma bereits gegen Shein vorgegangen.

Eine Frage des Vertriebs

In der Schweiz nimmt man die Sache bislang gelassener. Gegenüber Blick sagt Dagmar Jenni (56), Direktorin des Branchenverbands Swiss Retail Federation: «Das kommt nicht überraschend, Shein kündigte vor einiger Zeit die Öffnung der eigenen Plattform für Drittparteien an und betreibt einen Marktplatz.» Ihr zufolge will sich Shein durch die Markenartikel einen «Anstrich von Qualität» geben, nachdem der Anbieter – wie sein Pendant und Konkurrent Temu – vor allem als Billigst-Anbieter mit teils zweifelhafter Qualität gilt. Mit dem neuen Qualitätsimage versuche Shein, neue Kundensegmente zu gewinnen.

Bleibt die Frage: Ist das rechtens? Die Antwort ist nicht so einfach: Auf dem Online-Marktplatz von Shein werden sowohl eigene Produkte als auch Produkte von Drittanbietern – inklusive Markenprodukten – angeboten. Wer Markenartikel anbietet, muss sicherstellen, dass die entsprechenden Rechte zur Vermarktung dieser Produkte vorhanden sind. Andernfalls könnten rechtliche Probleme auftreten.

«Dann lässt sich wenig tun»

Doch es existiert eine Grauzone. Entscheidend ist, wie Shein an die Produkte kommt. Dazu Jenni: «Der Vertriebsweg ist entscheidend – und wenn Shein die Ware von einem Grosshändler abkauft, lässt sich wenig tun.» Dass Artikel von Adidas auf der Plattform erscheinen, sei wenig überraschend: Vermutlich haben Grosshändler oder Händler unverkaufte Ware an Shein weitergereicht. Dieses «Reseller-Geschäft» ist undurchsichtig, kann aber durchaus lukrativ sein.

Dass Artikel von Tissot oder Montblanc erscheinen, verblüfft Jenni hingegen schon: «Für diese Premium-Produkte hätte ich erwartet, dass sie mit einem selektiven oder anderen geschlossenen Vertrieb arbeiten, wo Händler ausgewählt und beispielsweise Qualitätsstandards und Supportleistungen klar festgelegt sind.» Das Auftauchen von Luxusprodukten auf der Billigplattform dürfte nicht im Interesse der Luxusunternehmen sein. Fragen von Blick hat Tissot keine beantwortet.

Schwierig kontrollierbarer Graumarkt

Letztlich ist es auch eine Mengenfrage. Werden laut Jenni kleine Mengen via Shein-Marktplatz verkauft, ist ein rechtliches Vorgehen wenig sinnvoll. Lässt sich nachweisen, dass via Shein grosse Mengen an verfügbarer Luxusware zum Tiefpreis finden, dürften indes die Anwaltsschreiben nicht auf sich warten lassen.

«Was mal auf dem Graumarkt ist, ist schwer zu kontrollieren und kann teilweise sogar aus kartellrechtlichen Gründen nicht vermieden werden», schliesst Jenni. Grundlage ist hierbei die vertikale Gruppenfreistellungsverordnung: Diese erlaubt unter bestimmten Bedingungen Vereinbarungen zwischen Hersteller und Händler in Bezug auf den Vertrieb, hält aber grundsätzlich am Verbot der Preisbindung zweiter Hand fest.

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