Hier klettern die Bergsteiger über den Schwerverletzten
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Kein Geld für gute Ausrüstung
Mohammed Hassan (†27) war das erste Mal in der Todeszone

200 Bergsteiger wollen in Rekordzeit den K2 erklimmen. Doch eine Lawine reisst Mohammed Hassan mit. Stundenlang kämpft der 27-Jährige um sein Leben, ehe er seinen Verletzungen erliegt. Er war zum ersten Mal in der Todeszone – und das mit schlechter Ausrüstung.
Publiziert: 09.08.2023 um 18:31 Uhr
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Aktualisiert: 10.08.2023 um 11:06 Uhr
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Jenny WagnerRedaktorin News

Er wagte sich das erste Mal auf den zweithöchsten Berg der Welt – doch seine Mission endete tödlich: Der pakistanische Bergführer Mohammed Hassan (†27) starb am 27. Juli auf dem K2. 200 Bergsteiger machten es sich laut dem österreichischen Bergsteiger Wilhelm Steindl zum Ziel, den Gipfel in Rekordzeit zu erklimmen. Hassan stammte aus der Region des K2-Bergs, aus Shigar Giglit-Baltistan im Norden Pakistans. Er sollte helfen, die Seile zu montieren – doch wegen einer Lawine rutschte er ab.

Hassan war Mitarbeiter der Lela Peak Expedition. Das Unternehmen bietet verschiedene Reisen und Abenteuer in den Gebirgen Baltistans an. Der Seven Summit Club beauftragte Hassan damit, den Seilmonteuren der Gruppe zu helfen und, wenn nötig, die Seile zu reparieren, heisst es im Bericht von Explorersweb. «Vor dem Gipfelsturm stellen alle Unternehmen Arbeitskräfte für die Seilbefestigungsteams zur Verfügung», erklärt Seven Summit. Hassan sei einer von drei Pakistanern aus der Region gewesen, die für diese Expedition ausgewählt wurden.

Doch eine Lawine wurde Hassan zum Verhängnis. «Er rutschte aus und fiel, dann stoppte er und hing kopfüber weinend da unten, bis ihn jemand zurück in die Reihen zog», erzählt eine Bergsteigerin. Doch Hassan hing insgesamt drei Stunden am Seil und kämpfte um sein Leben, bevor ihn jemand zurückzog. Die anderen Bergsteiger sind über ihn gestiegen, um den Gipfel in Rekordzeit zu erklimmen. Bilder einer Drohne zeigen, dass der Pakistaner sich zu dieser Zeit noch bewegte. Später erlag er seinen Verletzungen.

200 Bergsteiger machten sich auf den Weg, den Gipfel des zweithöchsten Bergs K2 zu erklimmen.
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Lebte mit Frau und Kindern im Haus des Bruders

Laut dem Kameramann Philip Flämig war Hassan nicht besonders erfahren und auch schlecht für die gefährliche Expedition ausgerüstet. Dennoch wagte er die gefährliche Reise zur Spitze des K2. Offenbar wiesen ihn mehrere andere Bergsteiger darauf hin, dass es zu gefährlich sei und er zurückkehren solle. Doch er weigerte sich, denn er hoffte auf ein besseres Leben.

Hassan hinterlässt eine Frau und drei Kinder zwischen zwei und sechs Jahren. «Ich werde meinen Kindern eine gute Ausbildung ermöglichen», soll der Bergsteiger zu seinen Verwandten gesagt haben, als klar war, dass er auf den K2 darf. Diese Expedition sollte seine finanziellen Probleme lösen. «Hassan lebte bei seinem Bruder und besass kein eigenes Haus», sagt ein Bekannter zu BBC. Seine Frau leidet an Diabetes und braucht Medikamente.

18 Franken pro Tag

Laut Bekannten wagte sich Hassen zum ersten Mal auf den K2. Zuvor hatte er zwar schon viele Berge erklommen, jedoch keinen Gipfel in der Grössenordnung eines K2. «Jeder besteigt irgendwann zum ersten Mal einen Gipfel», rechtfertigt sich Hassans Arbeitgeber Lela Peak. Hassan habe Potenzial, Leidenschaft und Fähigkeit gezeigt. Deswegen habe man ihn für die Reise auserwählt. Laut Medienberichten habe er keine Ausrüstung erhalten, sondern lediglich 250'000 pakistanische Rupien (etwa 800 Franken), um sich selbst Schutzkleidung zu besorgen. Pro Tag wurden ihm laut BBC 6000 Rupien (18 Franken) versprochen. Jetzt wollen die Arbeitgeber kein Geld an Hassans Hinterbliebene zahlen, weil er seine Arbeit nicht zu Ende gebracht habe.

Wie der Standard berichtet, machen sich Flämig und Steindl auf die Suche nach den Hinterbliebenen. «Die Familie kann sich keine Medizin, kein Essen leisten. Die norwegische Rekordjägerin Kristin Harila und viele der Bergsteiger sind mit Helikoptern über uns und die Familie hinweggeflogen. Was für ein symbolisches Bild. Der Helikopter zum Rausfliegen kostet bis zu 12'000 Dollar pro Person», sagt Steindl.

Der pakistanische TV-Sender Samaa und die pakistanische Tourismusabteilung der Region beschreiben Hassan als erfahrenen Bergsteiger. «Die gesamte Nation trauert um den Verlust dieser mutigen Seele», heisst es weiter. Hinterbliebene von «High Altitude Porters» erhalten in Pakistan im Todesfall meist nur umgerechnet 1300 Franken Entschädigung.

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