Nach Anschlag in Moskau
Droht Europa eine neue Terror-Welle?

Mindestens 137 Menschenleben hat das Blutbad vom vergangenen Freitag in einer Konzerthalle in Russland gekostet. Das Bekenntnis des Islamischen Staats (IS) schürt auch in Westeuropa Terrorängste. Zu Recht? Blick sprach mit Dschihadismus-Experte Johannes Saal.
Publiziert: 25.03.2024 um 18:01 Uhr
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Aktualisiert: 26.03.2024 um 08:52 Uhr
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Georg NopperRedaktor News

Kaltblütig, wahllos und unerbittlich. So gingen die Terroristen am vergangenen Freitagabend in der Konzerthalle Crocus City Hall an der Moskauer Stadtgrenze vor. Die vier Täter schossen auf unschuldige Besucher, verletzten mindestens 137 von ihnen tödlich. Reklamiert wird die Tat vom Islamischen Staat (IS).

Die Schockwellen reichen bis nach Westeuropa. Frankreich hat bereits auf das Blutbad in Russland reagiert und die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen. Drohen auch hier wieder solche Anschläge mit Dutzenden oder sogar Hunderten Toten? Sind Grossanlässe wie die Olympischen Spiele in Paris und die Fussball-EM in Deutschland von diesem Sommer in Gefahr? Blick sprach mit Dschihadismus-Experte Johannes Saal (37) von der Universität Luzern: «Die Bedrohungslage in Westeuropa war auch vor dem Anschlag in Moskau schon hoch. Aber natürlich hat sich die Situation dadurch nochmals verschärft.»

Besser vorbereitet und koordinierter

Es könne durchaus sein, dass andere Staaten in Westeuropa dem Beispiel Frankreichs folgen und die Terrorwarnstufe anheben, glaubt Saal. «In Moskau hat sich eine neue Qualität der vom IS verübten Anschläge gezeigt.» Das bisherige Vorgehen der Terrorgruppe sei seit 2016 zumindest in Europa von Einzeltätern geprägt gewesen, die mit einfachen Mitteln eher unterschwellige Anschläge verübt hätten. «Der IS half dann, das Bekennervideo zu verbreiten», sagt Saal. So war es auch bei der Messerattacke durch den 15-jährigen Schweizer mit tunesischen Wurzeln auf einen orthodoxen Juden in Zürich von Anfang März. «In Moskau waren die Täter deutlich besser vorbereitet und gingen koordinierter vor.»

Terroristen schossen in Moskau auf unschuldige Besucher einer Konzerthalle.
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Trotz erhöhter Terrorgefahr bezweifle er, dass Veranstaltungen wie die Olympischen Spiele oder die Fussball-EM abgesagt werden. «Letztendlich würde man damit auch vor den Terroristen kapitulieren. Dass solche Grossanlässe potenzielle Anschlagsziele sind, ist jedoch nicht überraschend. Auch wenn man frühere terroristische Anschlagspläne anschaut, waren Sportveranstaltungen häufig das Ziel.»

Keine totale Sicherheit

Für die Behörden der Länder, die solche Veranstaltungen durchführen, ist das eine grosse Herausforderung: «Es gibt sicherlich eine Gefährdung, das war bereits vor Moskau schon so», sagt der Religionssoziologe und Politikwissenschaftler. «Mit dem Anschlag vom vergangenen Freitag haben sich die schlimmen Befürchtungen nun einfach bewahrheitet.»

Bestimmt werde es sehr hohe Sicherheitsvorkehrungen geben, sagt Saal. Doch der Dschihadismus-Experte stellt klar: «Terroranschläge kann man trotzdem nicht komplett ausschliessen.» Dank Hinweisen aus den USA hätten die Behörden immerhin in Deutschland in letzter Zeit mögliche Attentate verhindern können.

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Sicherheitsbehörden vermuten den IS-Ableger Islamischer Staat Provinz Khorasan (ISPK) hinter dem Anschlag. Die ISPK-Terrorgruppe hat ihren Ursprung in Afghanistan. Khorasan steht für eine historische Region in Zentralasien, die Teile von Afghanistan, Usbekistan, Turkmenistan und Tadschikistan sowie des Irans umfasste. Die in Russland verhafteten Terroristen stammen aus Tadschikistan. «Auch bei Verhaftungen in Deutschland, womit mögliche Anschläge verhindert wurden, hatte es unlängst einen Tadschiken unter den Verdächtigen», sagt Saal. «Dies ist bemerkenswert, weil bisher nicht viele Tadschiken nach Westeuropa emigrierten.»

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