Auto gegen Velo gegen ÖV
Wer ist schneller durch Zürich?

Es gibt ganz unterschiedliche Möglichkeiten, in Zürich von A nach B zu kommen. Aber mit welchem Fortbewegungsmittel ist man am schnellsten? Im Stadtrennen Auto gegen Velo gegen ÖV gingen wir auf Jagd nach der Bestzeit – mit Überraschungen.
Publiziert: 01.10.2022 um 05:00 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2022 um 16:46 Uhr
Andreas Engel

Zürich ist laut, bunt, multikulturell. Die grösste Stadt der Schweiz. Wirtschafts- und Kulturzentrum des Landes. Weltoffen, links-grün geprägt, der Schmelztiegel der Eidgenossenschaft. Und ein Horror für Autofahrer. Hinter jeder Ecke lauert ein Blitzer, schon heute gilt auf 37 Strassenkilometern Tempo 30 – in den nächsten Jahren werden weitere 150 dazukommen. Wer kann, meidet die Zürcher Innenstadt. Als Redaktor im Ressort Auto&Mobilität bei Ringier kann ich das schon berufsbedingt nicht immer – und ich bin nicht der einzige: Die Strassen sind an diesem frühen Montagabend wieder mal chronisch überlastet.

Seit einer gefühlten Ewigkeit stehe ich auf der Stelle. Die Ampel Ecke Badener-/Seebahnstrasse beim Lochergut lässt nur tröpfchenweise Autos Richtung Wiedikon passieren. Links ziehen die Trams vorbei, rechts überholen an diesem herrlichen Frühlingstag die Velofahrerinnen. Immer wieder schaue ich aufs Infotainmentsystems meines Testwagens, ein mit 4,20 Meter Länge eigentlich ideal für die City geeigneter Toyota Yaris Cross. Doch die Ampel zeigt Rot – und die Minuten verstreichen.

Zürich in der Rushhour

Der Grund für meine nervösen Blicke Richtung Uhr: Gemeinsam mit meinen Kolleginnen Silvia Binggeli (45) und Barbara Ehrensperger (46) will ich herausfinden, mit welchem Verkehrsmittel man in der Limmatstadt am effektivsten vorankommt – Auto, ÖV oder Velo? Dazu sind wir zeitgleich um 17 Uhr im Medienpark von Ringier Axel Springer an der Flurstrasse in Altstetten gestartet. Unser Ziel: das Blick-Pressehaus an der Dufourstrasse, unweit des Bahnhofs Stadelhofen. Nur sechs Kilometer trennen uns alle vom Ziel – doch die Wege könnten sich kaum unterschiedlicher gestalten.

Mit welchem Verkehrsmittel gehts am schnellsten durch die Zürcher Rushhour? Silvia Binggeli (r.), Barbara Ehrensberger und Andreas Engel begeben sich auf Stadtrallye.
Foto: Thomas Buchwalder
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Während ich längst im Toyota unterwegs bin, nimmt auch Silvia Binggeli Fahrt auf. Die seit Februar neue Chefredaktorin der Schweizer Illustrierten musste einige Minuten ausharren, bis endlich das Tram der Linie 2 an der Haltestelle Kappeli vorfährt. Mit Glück kann sie einen der letzten Sitzplätze ergattern – auch im ÖV ist in Zürich zur Stosszeit viel los. Reflexartig greift sie im Tram zum Smartphone: News checken, Mails beantworten – Zeit ist ein rares Gut. «Aber eigentlich ist es auch einfach mal schön, seine Umwelt zu beobachten und die Tatsache zu geniessen, herum chauffiert zu werden. ÖV-Fahren hat für mich etwas entschleunigendes.»

Engpässe für Velos

Beobachten muss auch Barbara Ehrensperger ihre Umwelt ganz genau. Die Redaktorin im Blick-Nachhaltigkeitsressort «Green» absolviert die Strecke Richtung Pressehaus für unsere Challenge auf dem Velo. Ehrensperger kennt Zürich aus dem Effeff, hat viele Jahre hier gewohnt und sich danach als Vorständin des Verbands Pro Velo in Aarau für eine bessere Infrastruktur für Fahrräder starkgemacht. Doch selbst als Profi bleibt Zürich eine Herausforderung: «An vielen Orten merke ich zwar den Wandel hin zur Velostadt – etwa auf den neuen ‹Veloschnellstrassen› wie beim Letzigrund. Andererseits gibt es nach wie vor grosse Hindernisse.» Seien es auf Velowegen unachtsam parkierte Fahrzeuge, denen man ausweichen muss, oder Baustellen, die zwar für Autos gut zu durchfahren sind, aber wo es auf zwei Rädern immer wieder eng wird.

3. Platz: Auto

Gesamtzeit 45 Minuten
Kosten pro Strecke CHF 4.10 (ohne Parkgebühren)
Umweltbelastung hoch
Komfort hoch
Stresslevel hoch
Fitness gering
Erlebnis gering
Kostencheck
Für ein Auto wie den Toyota Yaris Cross – unser Testwagen mit Allrad-Hybrid-Antrieb kostet voll ausgestattet 39'190 Franken – belaufen sich die Kilometerkosten bei einer Jahreslaufleistung von 15'000 Kilometern auf etwa 70 Rappen. In der Stadt fallen zudem häufig noch Parkgebühren an.

Thomas Buchwalder

Gesamtzeit 45 Minuten
Kosten pro Strecke CHF 4.10 (ohne Parkgebühren)
Umweltbelastung hoch
Komfort hoch
Stresslevel hoch
Fitness gering
Erlebnis gering
Kostencheck
Für ein Auto wie den Toyota Yaris Cross – unser Testwagen mit Allrad-Hybrid-Antrieb kostet voll ausgestattet 39'190 Franken – belaufen sich die Kilometerkosten bei einer Jahreslaufleistung von 15'000 Kilometern auf etwa 70 Rappen. In der Stadt fallen zudem häufig noch Parkgebühren an.

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Eng, gutes Stichwort: Während es für meine Kolleginnen zügig vorangeht, bleibts bei mir weiterhin zäh. Wiedikon liegt endlich hinter mir, der Tunnel Richtung Bahnhof Enge ist durchfahren. Ich biege ab auf den General-Guisan-Quai – und stehe wieder an einer schier endlosen Fahrzeug-Kolonne an. Zum Glück beruhigt mich der Podcast, dem ich via Spotify lausche. Der deutsche Comedian Klaas Heufer-Umlauf und seine Compagnons witzeln über Banalitäten des modernen Lebens – ich versuche, den Stau mit Humor zu nehmen. Doch schon jetzt habe ich über 25 Minuten für die knapp 3,5 Kilometer lange Strecke benötigt – und die Hotspots Bürkliplatz und Bellevue stehen erst noch bevor.

Derweil ist Silvia Binggeli nach 23 Minuten Tram-Fahrt bis Opernhaus nur noch wenige Gehminuten vom Ziel entfernt. Kosten für den Trip einmal quer durch die Stadt: 6,20 Franken mit Halbtax – hin und retour. «Die Fahrten im ÖV sind meines Erachtens in der Schweiz nicht nur verhältnismässig günstig, sondern ich empfinde sie auch jedesmal als geschenkte Zeit. Als Bergkind aus dem Kanton Bern habe ich zwar früh Autofahren gelernt, um unabhängig zu sein. Aber hier in Zürich lohnt sich das Auto meiner Meinung nach kaum.» Nach etwas mehr als 30 Minuten ist Binggeli am Ziel Ringier-Pressehaus Dufourstrasse.

2. Platz: ÖV

Gesamtzeit 35 Minuten
Kosten pro Strecke CHF 4.40 (ohne Halbtax)
Umweltbelastung gering
Komfort mittel
Stresslevel mittel
Fitness gering
Erlebnis mittel
Kostencheck
Wer in der Schweiz häufig mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, kommt um ein Halbtax nicht herum. Silvia Binggeli bezahlt damit für ein 24-Stunden-Ticket in Zürich 6.20 Franken. Ohne es steigen die Kosten auf 8.80 Franken, für ein einstündiges Einzelbillett werden 4.40 Franken fällig.

Thomas Buchwalder

Gesamtzeit 35 Minuten
Kosten pro Strecke CHF 4.40 (ohne Halbtax)
Umweltbelastung gering
Komfort mittel
Stresslevel mittel
Fitness gering
Erlebnis mittel
Kostencheck
Wer in der Schweiz häufig mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, kommt um ein Halbtax nicht herum. Silvia Binggeli bezahlt damit für ein 24-Stunden-Ticket in Zürich 6.20 Franken. Ohne es steigen die Kosten auf 8.80 Franken, für ein einstündiges Einzelbillett werden 4.40 Franken fällig.

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Velo fährt auf Platz 1

Dort wartet Barbara Ehrensperger schon seit fünf Minuten auf sie. Beinahe hätte es die zweifache Mutter nicht rechtzeitig zum Ziel geschafft. «An einer engen Stelle, fast am See, wurde ich von einem Auto schlicht übersehen – ich konnte gerade noch rechtzeitig ausweichen.» Trotz des heiklen Moments im Zürcher Feierabendverkehr zieht Ehrensperger ein positives Fazit: «Grundsätzlich empfehle ich jedem, der gerne sicher und entspannt unterwegs ist, die Fahrt mit dem Velo. Das Bergpanorama am Bürkliplatz, die Atmosphäre an der Seepromenade – so macht es selbst im hektischen Zürich Spass, Velo zu fahren. Vorausgesetzt natürlich, das Wetter spielt mit.» Auch bei den Kosten macht das Velo das Rennen – für das genutzte Occasions-Modell dürften je nach jährlich gefahrener Strecke die Kilometerkosten knapp 8 Rappen betragen.

Die Krux mit der Parkplatzsuche

Nach rund 40 Minuten Stop-and-Go rolle auch ich in der Dufourstrasse aus. Und schon das nächste Problem: Parkplatzsuche. Nach einer Zusatzrunde und weiteren kostbaren Minuten ist endlich eine Lücke gefunden – doch die ist nicht gratis: Macht drei Franken Aufschlag pro Stunde auf die Kilometerkosten, die bei einem Auto in der Preisklasse des Yaris Cross (Testwagen mit 4x4 ab CHF 36’800.-) bei etwa 70 Rappen liegen. Leicht gestresst falle ich nach rund 45 Minuten auf einen Stuhl neben meinen «Konkurrentinnen» – die sich längst im Café einen Drink genehmigen.

1. Platz: Velo

Gesamtzeit 25 Minuten
Kosten pro Strecke CHF 0,44
Umweltbelastung gering
Komfort gering
Stresslevel mittel
Fitness hoch
Erlebnis hoch
Kostencheck
Nicht nur bei der Gesamtzeit, auch bei den Kosten macht das Velo bei unserem
Citytrip das Rennen. Für das für die Fahrt genutzte Occasionsmodell betragen die Kilometerkosten bei jährlich zurückgelegten 2000 Kilometern gerade einmal rund 8 Rappen.

Thomas Buchwalder

Gesamtzeit 25 Minuten
Kosten pro Strecke CHF 0,44
Umweltbelastung gering
Komfort gering
Stresslevel mittel
Fitness hoch
Erlebnis hoch
Kostencheck
Nicht nur bei der Gesamtzeit, auch bei den Kosten macht das Velo bei unserem
Citytrip das Rennen. Für das für die Fahrt genutzte Occasionsmodell betragen die Kilometerkosten bei jährlich zurückgelegten 2000 Kilometern gerade einmal rund 8 Rappen.

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Wir resümieren: Das Velo gewinnt vor Tram und Auto – zumindest in Zürich zur Stosszeit. Allerdings haben alle drei ihre Daseinsberechtigung, je nach Einsatzzweck: «Spätabends vom Büro nach Hause nehme ich lieber das Auto statt ÖV», meint Silvia Binggeli. «Und im strömenden Regen wäre ich heute definitiv vom Velo aufs Tram ausgewichen», ergänzt Barbara Ehrensperger. Und ich? Geniesse auch weiterhin die Vorzüge des Autos. Nur für den Weg ins Pressehaus dürfen es das nächste Mal gerne Tram oder Velo sein.

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