So war der Genfer Autosalon
Promis, Partys und Premieren

Das Aus des Genfer Autosalons schockiert, aber überrascht nicht. Der Salon im Februar war nur noch ein verzweifeltes, letztes Aufbäumen. Wir blicken zurück auf die glanzvolleren Jahrzehnte mit Luxusautos, Missen und küssenden Bundesräten.
Publiziert: 11.06.2024 um 06:00 Uhr
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Aktualisiert: 11.06.2024 um 06:17 Uhr
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Raoul SchwinnenRedaktor Auto & Mobilität

Nach 119 Jahren ist Schluss. Die Ausgabe 2024 des Genfer Autosalons – oder vielmehr der Geneva International Motorshow GIMS – vor vier Monaten war die letzte. Selbst die Anpassung des Ausstellungskonzepts konnte nach der Pandemie das Überleben der einst grössten Schweizer Publikumsmesse nicht mehr retten.

Die Autoindustrie hatte während Corona und mit der Digitalisierung neue Kommunikationswege gefunden. Zudem betätigten sich die Stadt Genf mit ihrer wenig autofreundlichen Politik sowie die lokale Hotellerie mit ihren exorbitanten Preisen während der Ausstellungstage als zusätzliche Totengräber der einst zu den fünf wichtigsten Automessen der Welt zählenden Publikumsausstellung.

Salondirektor Sandro Mesquita (49) zeigt sich enttäuscht übers definitive Ende der Messe: «Persönlich glaube ich noch immer an eine Zukunft von Automessen», sagt er. Entscheidend sei jedoch der Markt. «Wir haben den Autosalon Genf für die Autobranche organisiert. Aber die Masse der Hersteller sieht derzeit Messen nicht als die richtige Plattform an. Dagegen können wir nicht angehen», begründet der frustrierte Messedirektor das definitive Lichterlöschen am Salon Genf.

Diverse automobile Legenden wie der Jaguar E-Type 1961 feierten ihre Weltpremiere am Genfer Autosalon.
Foto: Wieck
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Von der Veloausstellung zum Autosalon

Dabei galt der Genfer Autosalon der Autobranche als die liebste Messe. Übersichtlich und familiär, aber prall gefüllt mit zahlreichen Premieren und vielen exotischen Nischenmarken, die sonst nirgendwo zu sehen waren: Genf, das war Geschichte und Glamour, Gespräche und Gerüchte. Ab 1905 sporadisch als Velo- und Autoausstellung gestartet, wurde «der Salon» ab 1924 bis 2020 immer Anfang März zum Mittelpunkt der Autowelt.

Schon 1949 hatte Genf, lange vor Zürich, seine «Street Parade». Zur Eröffnung des 19. Autosalons organisierten die Veranstalter einen Autocorso durch die Stadt Genf. Dieses Spektakel wurde von Tausenden Zuschauern am Strassenrand verfolgt und machte Genf so zur Stadt für Autofreunde aus aller Welt.

Ruedi Huser machte den Salon populär

Legendäre Autos feierten hier ihre Premiere – ob Jaguar E-Type (1961), Lamborghini Miura (1966) oder Audi Quattro (1980). Doch so richtig populär machte den Salon der in Luzern aufgewachsene, perfekt deutsch und französisch parlierende Ruedi Huser (1933–2009). Monsieur Autosalon, wie er auch genannt wurde, begann 1962 als Sekretär und stieg schon zwei Jahre später zum Direktor auf – damals mit acht Angestellten und 320'000 Besuchenden. Unter Huser entwickelte sich der Salon Genf zu einer der fünf wichtigsten Automessen der Welt.

1981 zog die Ausstellung vom Plain Palais mitten in der Stadt Genf in die damals neuen Palexpo-Messehallen beim Flughafen. Die eigens ins Leben gerufene Miss-Autosalon-Wahl und viele weitere Rahmenveranstaltungen rund um den Autosalon machten die Messe bei Autoherstellern, Fachpublikum, aber auch den zahlenden Besuchenden populär und beliebt. Erst nach 36 Jahren an der Spitze des Salons – und nachdem er in den wilden 90er-Jahren so manche Nacht zum Tag gemacht hatte – trat Ruedi Huser auf dem Höhepunkt seines Schaffens (der Salon beschäftigte damals 157 Angestellte und verzeichnete 750'000 Besuchende) im Jahr 2000 ab.

Bundespräsident Leuenberger zickte

Die Bedeutung und das gute Renommee der Veranstaltung – «der Autosalon gehört zu Genf wie der Jet d'Eau», sagte etwa der Unternehmer und treue Salonbesucher Hausi Leutenegger (84) – unterstrich auch die Tatsache, dass das Parlament zur offiziellen Eröffnung bis vor wenigen Jahren stets den Bundespräsidenten entsandte. Schnell wurde es zur Tradition, dass sich der Magistrat und sein Gefolge am Eröffnungstag vom Salondirektor über die Messe führen liess. Und als 1992 Bundespräsident René Felber (1933–2020) während seines Rundgangs Miss Schweiz Sandra Aegerter höflich per Handkuss begrüsste, wurde auch dies zur Tradition.

Bis Bundespräsident Moritz Leuenberger (77) 2006 wieder an der Reihe war. Der nicht gerade als Autofreund bekannte SP-Verkehrsminister zierte sich, wollte nicht mit Autos abgelichtet werden und verweigerte der damaligen Miss Schweiz Lauriane Gilliéron den obligaten Begrüssungskuss.

Diese Geschichten am Rande stahlen oft den eigentlichen Stars – den Autoneuheiten – die Show. Aber sie machten den besonderen Reiz des Autosalons aus. Natürlich wird er uns fehlen: Als Aufgalopp ins Autojahr, als Branchen-Klassentreffen und als frühes Party-Highlight des Jahres, wenn abends mancher Aussteller die Nacht zum Tage machte. Denn was war am Salon noch wichtiger als die Autos? Die Kopfschmerztabletten.

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