Am Sonntag steigt der Formel-1-GP von Monaco
80 Jahre Glamour und Nervenkitzel

Was soll ein Autorennen mitten durch die Innenstadt? Trotz Kontroversen feiert der GP von Monaco morgen seinen 80. Geburtstag. Denn das wohl prestigeträchtigste Autorennen der Welt war auch immer der Laufsteg für Stars und Sternchen aus Film und Adel.
Publiziert: 27.05.2023 um 04:55 Uhr
Daniel Reinhard* und Raoul Schwinnen

Der dreifache F1-Weltmeister Nelson Piquet (70) charakterisiert den F1-Stadtkurs von Monaco treffend: «Das ist wie Helikopterfliegen im Wohnzimmer!» Zur 3,337 Kilometer langen Rennstrecke, die nur eine einzige Überholmöglichkeit am Ende der Start-Ziel-Geraden bietet, gibts nur zwei Meinungen: Schwachsinn oder Saisonhöhepunkt! Ständig wird diskutiert, ob das Rennen noch zeitgemäss sei und nicht besser aus dem WM-Kalender gestrichen werden sollte. Doch wer schon mit eigenen Augen und Ohren die Rennsport-Königsklasse in den Häuserschluchten Monacos erlebt hat, ist begeistert.

Für Schlagzeilen ist der enge Stadtkurs immer gut. Und es fliegen oft die Fetzen. So verscherzte sich Michael Schumacher (54) die Freundschaft mit Fernando Alonso (41), als Schumi sein Auto im Qualifying in den letzten Sekunden so sperrig an die Leitplanken parkte, dass keiner mehr unter gelber Flagge seine Trainingsbestzeit unterbieten konnte. Im letzten Jahr brachte Sergio Pérez (33) ganz ähnlich seinen Red-Bull-Teamkollegen Max Verstappen (25) auf die Palme.

Startposition ist entscheidend

Denn die vorderste Startposition ist auf keiner anderen Rennstrecke so matchentscheidend wie in Monte Carlo. Mit Taktik und Nervenstärke kann man auf dem langsamen Stadtkurs (Rundenschnitt um 150 km/h) auch mit unterlegenem Material gewinnen. Das bewies Ayrton Senna (1960–1994), als er 1992 im schwachen McLaren-Ford den überlegenen Williams-Honda von Nigel Mansell (69) bezwang.

Schwimmende Tribünen: Bei keinem anderen Formel-1-Rennen sind die Zuschauerinnen und Zuschauer so nahe am Geschehen dran wie in Monaco.
Foto: Getty Images
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Monaco steht aber auch für spektakuläre, aber zum Glück allermeist ohne schlimme Folgen verlaufene Crashs. Weil 1950 die hohe Brandung des Mittelmeers im Bereich der Tabac-Kurve die Strecke überflutete, kam es schon in der ersten Runde auf dem feuchten Abschnitt hinter dem führenden Juan Manuel Fangio (1911–1995) zu einer Massenkarambolage, die gleich neun Autos aus dem Rennen riss.

Spektakuläre Abflüge

Richtig nass wurde Alberto Ascari (1918–1955) fünf Jahre später, als er mit seinem Lancia durch Heuballen und Sandsäcke ins Hafenbecken segelte. 1965 wiederholte der Australier Paul Hawkins (1937–1969) im Lotus diesen spektakulären Abflug – zum Glück kam auch er ohne schlimme Folgen davon. Doch seither wachen an dieser Stelle trotz Dreifach-Leitplanke Froschmänner, um notfalls wassernde Rennfahrer sofort bergen zu können. Weniger Glück als Ascari und Hawkins hatte 1967 der Italiener Lorenzo Bandini. Er verunglückte beim Monaco-GP tödlich, als er mit einem Laternenpfahl kollidierte und sein Ferrari Feuer fing. Und 1994 beendete ein schwerer Crash die Karriere von Sauber-Pilot Karl Wendlinger (54), als er mit hohem Tempo in der Hafenschikane seitwärts gegen die Leitplanken krachte und danach mehrere Wochen im Koma lag. 17 Jahre später flog Sergio Pérez im Training – wieder in einem Sauber – an derselben Stelle in die gleiche, jetzt aber besser geschützte Abschrankung. Mit einem verstauchten Oberschenkel und einer Gehirnerschütterung musste er lediglich am Folgetag aufs Rennen verzichten.

Geduld bringt Siege

Contenance ist bei keinem anderen Rennen so wichtig wie in Monaco. Hätte Heinz-Harald Frentzen (55) hinter dem auf Platz 4 fahrenden Ferrari-Piloten Eddie Irvine (57) bei seinem ungestümen Überholmanöver und Crash nicht die Geduld verloren, hätte der Sauber-Pilot 1996 wohl gewonnen. Denn der spätere Sieger Olivier Panis (56) lag zu jenem Zeitpunkt im Ligier noch weit zurück.

Konzentration ist auf dem engen Stadtkurs des Fürstentums Monaco das A und O! Ayrton Senna sah 1988 im McLaren lange wie der sichere Sieger aus. Bis zur 54. von 72 Runden hatte er einen Vorsprung von 50 Sekunden auf Teamkollege Alain Prost (68) herausgefahren. Um den Doppelsieg nicht zu gefährden, befahl Teamchef Ron Dennis (75) dem führenden Senna, langsamere Rundenzeiten zu fahren. Die Folge: Elf Runden vor Schluss rutscht der offenbar gelangweilte Senna in der Portier-Kurve nach einem Konzentrationsfehler in die Leitplanken und verschenkt damit den sicher geglaubten Sieg.

Nur einer schaffte «Triple Crown»

Die «Triple Crown» des Motorsports sind Siege bei den drei wichtigsten und unterschiedlichsten Autorennen dieser Welt; dem F1-Stadtkurs von Monaco, dem 24-Stunden-Langstreckenrennen von Le Mans und den 500 Meilen im Oval von Indianapolis. Fernando Alonso (Siege in Monaco 2006 und 2007, Le Mans 2018 und 2019, Indy-Starts 2017, 2019 und 2020) und Juan Pablo Montoya (47, Siege in Monaco 2003, Indy 2000 und Le-Mans-Starts 2018, 2020 und 2021), hätten dies fast geschafft. Doch bis heute ist der zweifache F1-Weltmeister Graham Hill (1929–1975) mit fünf Siegen in Monaco (1963–65, 1968 und 1969), seinem Indy-Erfolg 1966 und dem Sieg in Le Mans 1972 der Einzige, dem die Triple Crown bisher gelang.

Auch nach 80 Jahren hat der Monaco Grand Prix nichts von seiner Faszination eingebüsst. Nirgendwo sonst ist man als Zuschauer und Fotograf so nahe am Geschehen dran. Nirgendwo sonst fährt einem der ohrenbetäubende Lärm, verbunden mit dem Speed im einzigen Tunnel des F1-Zirkus, derart in die Magengrube. Und nirgendwo sonst ist die Zuschauerkulisse so beeindruckend wie in Monte Carlo.

* Autor und Fotograf Daniel Reinhard (62) aus Sachseln OW und sein Vater Sepp (91) fotografierten zusammen von 1958 bis 2016 alle Monaco-Formel-1-GPs.


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