KI, Drohnen, autonomes Fahren: Das plant der chinesische Autobauer
Fährt BYD den europäischen Marken davon?

Der chinesische Autogigant BYD legt bei der Elektronik- und Infotainment-Entwicklung ein atemberaubendes Tempo vor und arbeitet mit Hochdruck am autonomen Fahren. Bald dürfte einige neue Features auch in Modellen für Europa Einzug halten.
Publiziert: 31.01.2024 um 16:08 Uhr
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Aktualisiert: 31.01.2024 um 16:09 Uhr
Wolfgang Gomoll

In China gehören blumige Bezeichnungen zum Konzept. «Xuanji» bedeutet übersetzt «Nordstern». Unter diesem Namen arbeitet der chinesische Autobauer BYD an einer Technik-Offensive, die Infotainment und Konnektivität noch einmal eine Stufe höher heben soll. Nicht alles mag so bahnbrechend und einzigartig sein, wie es angepriesen wird, aber der Trend ist eindeutig. Während der VW-Konzern Schwierigkeiten hat, ein reibungslos funktionierendes Infotainment mit selbst entwickelter Software ins Auto zu bringen, und sich mit Google verbünden muss, nehmen die Chinesen ihr IT-Schicksal in die eigene Hand.

In China hat das Infotainment mehr Bedeutung als präzises Navigieren oder eine reibungslose Bluetooth-Verbindung fürs Smartphone. Denn hier ist das eigene Auto so etwas wie ein weiteres Wohnzimmer. Nicht wenige Angestellten verbringen ihre Mittagspause nicht im Büro mit den Kollegen, sondern in den eigenen vier Blechwänden. «Das Auto soll ein vertrauter Partner, ein Freund sein», sagt ein BYD-Ingenieur. Ein smartes Cockpit soll zum Verweilen einladen, auch wenn der Wagen steht.

Videogames oder Karaoke

Auf Wunsch verwandelt sich künftig das Auto in eine Videospielkonsole, auf der der Fahrer ein Rennspiel zocken kann. Die 16 Zoll grossen Monitore sind gross genug dafür und das Lenkrad fungiert als Gamepad. Da es von den Rädern entkoppelt wird, kann man sich auf der virtuellen Nürburgring-Nordschleife richtig ins Zeug legen. BYD setzt auf Steer-by-Wire, also eine rein elektronische Steuerung der Lenkung ohne mechanische Verbindung zwischen Steuer und Vorderachse. Diese Technik entspricht im Grunde der eines Force-Feedback-Lenkrads, das bei einem Videospiel eingesetzt wird. Ein bombastisches Soundsystem gehört bei BYD ohnehin zum guten Ton.

Der chinesische Autogigant BYD lanciert nicht nur ständig neue Modelle und startet in neuen europäischen Märkten, sondern treibt auch die Entwicklung neuer Technologie voran.
Foto: Zvg
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Auch Karaoke soll im Cockpit möglich sein. Für Europa vielleicht zu verspielt, aber in Asien sicher ein Renner: Bald soll auch eine Drohne an Bord sein, die vom Auto aus gestartet werden kann, dem Wagen bis zu einer Geschwindigkeit von 50 km/h folgt und auf Wunsch Fotos und Videos erstellt, ehe sie wieder landet und aufgeladen wird. Zu diesem Zweck arbeitet BYD bereits mit dem renommierten Drohnenhersteller DJI zusammen.

Wer ist BYD?

Build Your Dreams (BYD) – sozusagen vom Tellerwäscher zum Millionär: Der chinesische Konzern startete 1995 als Bastelbude für wiederaufladbare Batterien – heute ist er der weltweit zweitgrösste Batterieproduzent hinter CATL. Zusätzlich zur Autobranche ist er auch in den Bereichen Elektronik, neue Energien und Eisenbahnen tätig. Im vergangenen Jahr hat BYD Tesla als weltweit führenden Elektroautobauer abgelöst. Auf dem Heimmarkt China hat die Marke längst Volkswagen abgehängt.

Die Fertigung von Verbrennungsmotoren hat BYD im März 2022 schon eingestellt und setzt nur noch auf E-Autos mit der hauseigenen sogenannten Blade-Batterie, die ohne giftiges Kobalt auskommt und 15 Prozent weniger Gewicht und 20 Prozent weniger Volumen als vergleichbare Akkus aufweist. Rund 70'000 Ingenieure arbeiten derzeit für BYD.

Build Your Dreams (BYD) – sozusagen vom Tellerwäscher zum Millionär: Der chinesische Konzern startete 1995 als Bastelbude für wiederaufladbare Batterien – heute ist er der weltweit zweitgrösste Batterieproduzent hinter CATL. Zusätzlich zur Autobranche ist er auch in den Bereichen Elektronik, neue Energien und Eisenbahnen tätig. Im vergangenen Jahr hat BYD Tesla als weltweit führenden Elektroautobauer abgelöst. Auf dem Heimmarkt China hat die Marke längst Volkswagen abgehängt.

Die Fertigung von Verbrennungsmotoren hat BYD im März 2022 schon eingestellt und setzt nur noch auf E-Autos mit der hauseigenen sogenannten Blade-Batterie, die ohne giftiges Kobalt auskommt und 15 Prozent weniger Gewicht und 20 Prozent weniger Volumen als vergleichbare Akkus aufweist. Rund 70'000 Ingenieure arbeiten derzeit für BYD.

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Beim autonomen Fahren wirds dann aber ernst. BYD ist längst ins Wettrennen um Robo-Fahrzeuge eingestiegen. Noch erreichen die Prototypen noch nicht Level 3, also automatisiertes Fahren, das der Fahrer nicht ständig überwachen muss. Noch fahren sie maximal 30 Sekunden selbsttätig, aber auf einer 20 Kilometer langen Testrunde durchs chinesische Shenzhen inklusive Stadtautobahn gibt der autonom agierende Denza N7 eine gute Figur ab. Einfädeln und Ausweichen von Hindernissen absolviert das Fahrzeug schon ziemlich geschmeidig, also ohne abruptes Abbremsen und ruckartiges Anfahren. Auch an der roten Ampel verzögert das System gefühlvoll, ähnlich wie ein menschlicher Fahrer. Als plötzlich ein Motorrad die Fahrbahn kreuzt, reagiert der Auto-Pilot vorausschauend und geht sachte sofort vom Gas.

Künstliche Intelligenz als Schlüssel

Künstliche Intelligenz spielt bei BYDs automobiler Zukunft eine wichtige Rolle. «Das Auto soll wie das menschliche Gehirn funktionieren», erklärt ein Techniker. Die nötige Hardware und Rechenleistung bringen die Fahrzeuge schon mit. Statt über 100 dezentralen Steuergeräten fasst eine leistungsstarke Recheneinheit, in der die Meldungen aller Sensoren zusammenlaufen, alle Funktionen zusammen. Neben der in China fast schon obligatorischen 5G-Mobilfunk-Vernetzung installiert BYD zudem eine Verbindung zu einem Satellitennetzwerk.

Begleitet wird diese Technik-Offensive auch von neuen Modellen wie dem Bao 5 (SUV in der Grösse des Land Rover Defender), dem Mercedes-EQG-Konkurrenten Yangwang U8 und dem Hypercar Yangwang U9, bei denen allerdings noch nicht sicher ist, ob und wann sie nach Europa kommen. Bei der neuen Nordstern-Technologie ist das nur noch eine Frage der Zeit.

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