Neuer Mirai: Toyota macht Wasserstoff salonfähig
Grösser, grüner, günstiger!

Elektroautos boomen, aber beim Wasserstoffantrieb gehts nur zäh voran. Toyotas zweite Mirai-Generation könnte daran jetzt etwas ändern.
Publiziert: 23.12.2020 um 02:45 Uhr
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Aktualisiert: 25.02.2021 um 18:53 Uhr
Andreas Faust

Was war zuerst da – Henne oder Ei? Solch eine Frage stellte sich lange auch bei der Einführung von Wasserstoff- und Elektroantrieben. Warum kaufte keiner die Autos? Weils keine passenden Lade- und Zapfsäulen gab. Warum baute niemand diese Infrastruktur auf? Weil zu wenig Autos unterwegs waren, als dass es sich gelohnt hätte. Bei den Stromern scheint der Teufelskreis jetzt durchbrochen – zwölf Prozent der Schweizer Neuwagen 2020 hat einen Stecker zum Nachladen.

Und beim Wasserstoff? Dem könnte die neue zweite Generation von Toyotas Brennstoffzellenmodell Mirai mächtig Auftrieb geben. Vom ersten Mirai verkaufte Toyota seit 2017 gerade mal 13 Stück – insgesamt! Kein Wunder, bei schweizweit nur zwei Tankstellen. Doch bis 2025 bringt Hyundai nun 1600 LKW mit Brennstoffzellenantrieb auf die Strasse. Und wo die dafür nötigen 350-Bar-Ladesäulen schon stehen, ist der Aufwand für PW-Säulen mit doppeltem Druck schon kleiner.

Grösser?

Grösser, grüner, günstiger: Toyota lanciert die zweite Generation seines Brennstoffzellenautos Mirai.
Foto: Zvg
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Also bessere Startbedingungen für den neuen Mirai: Der schaut nicht so gewöhnungsbedürftig aus wie bisher, sondern ist jetzt eine propere und richtig cool wirkende Schrägheck-Limousine im XL-Format! Die Plattform liefert der Luxusliner LS von Toyota-Tochter Lexus – und auch die üppige Ausstattung. Platz gibts vorn satt im Interieur des Fünfmeter-Autos und so nobel sass man in noch keinem Toyota – das kratzt an der Oberklasse. Hinten passts ebenfalls, auch wenns zu Dritt eng werden könnte. Bloss der Kofferraum ist recht knapp geraten. Warum?

Weil Toyota das Fahrzeugkonzept umgekrempelt hat! Im neuen Mirai hockt man nicht mehr wie auf dem Kutschbock, weil die Brennstoffzelle neu unter der Fronthaube statt unterm Beifahrersitz steckt. Ausserdem gibts jetzt Heck- statt Frontantrieb, drei statt nur zwei Tanks im Unterboden mit 20 Prozent mehr Kapazität und die Pufferbatterie zum Zwischenspeichern und Rekuperieren verbirgt sich jetzt hinter der Fond-Sitzbank und knabbert Laderaum ab.

Grüner?

Die Brennstoffzelle gewinnt – ganz einfach gesagt – aus der Reaktion von Wasserstoff und Umgebungsluft Strom, übrig bleibt Wasser. Das ist schon ziemlich grün, wenn der Wasserstoff mit regenerativ erzeugtem Strom produziert wird. Noch grüner wirds im Mirai jetzt, weil die Brennstoffzelle neu 128 Kilowatt (kW) leistet, dabei 30 Prozent weniger Volumen hat und zehn Prozent weniger Wasserstoff verbraucht. Bis zu 650 Kilometer Reichweite liegen drin; getankt wird dann innert rund fünf Minuten.

Ausserdem dauert ihre Produktion nur noch wenige Sekunden statt wie bisher 15 Minuten. Weil die Brennstoffzelle empfindlich auf Partikel reagiert, wird die Umgebungsluft für die Stromproduktion gefiltert – und kommt dann sauberer heraus als vorher. Nette Spielerei: Im zentralen Display wird sogar angezeigt, wie viel Luft man unterwegs schon gereinigt hat.

Toyota Mirai

Antrieb: Brennstoffzelle 174 PS (128 kW), Elektromotor 182 PS (134 kW), 300 Nm, 1-Gang-Automat, Hinterradantrieb
Fahrleistungen: 0 bis 100 km/h in 9,2 s, Spitze 175 km/h (abgeregelt)
Masse: Länge/Breite/Höhe 4,98/1,86/1,48 m, Gewicht 1900 kg, Kofferraum ca. 400 Liter
Umwelt: Verbrauch Werk ca. 0,86 kg/100 km (entspricht Energiegehalt von ca. 3,4 l/100 km Benzin), Reichweite 650 km, 0 g CO2/km, Energie A
Preis: ab 59’900 Franken

zVg

Antrieb: Brennstoffzelle 174 PS (128 kW), Elektromotor 182 PS (134 kW), 300 Nm, 1-Gang-Automat, Hinterradantrieb
Fahrleistungen: 0 bis 100 km/h in 9,2 s, Spitze 175 km/h (abgeregelt)
Masse: Länge/Breite/Höhe 4,98/1,86/1,48 m, Gewicht 1900 kg, Kofferraum ca. 400 Liter
Umwelt: Verbrauch Werk ca. 0,86 kg/100 km (entspricht Energiegehalt von ca. 3,4 l/100 km Benzin), Reichweite 650 km, 0 g CO2/km, Energie A
Preis: ab 59’900 Franken

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Und wie fährt der neue Mirai? Wie ein Elektroauto – flüsterleise und mit viel Wumms gleich ab der ersten Umdrehung des E-Motors. Der bringt zwar mit 182 PS kaum halb so viel Leistung wie die Allrad-Stromer von Audi, Jaguar oder Mercedes, aber der Mirai wiegt auch fast 600 Kilogramm weniger. Je nach Fahrprogramm tritt er mächtig an auf den ersten Metern oder gleitet gelassen; nur auf schmalen Strassen mit engen Kehren wirkt er ein wenig hüftsteif und recht riesig, federt aber oberklassig-komfortabel. Joystick auf B gestellt, rekuperiert der Mirai, aber die Wirkung könnte noch etwas stärker sein.

Cool: Wie gut die bei Wasserstoffautos oft nervig lauten Kompressoren für Luft und Wasserstoff gedämmt sind. Trotzdem verbaut Toyota einen zuschaltbaren Soundgenerator für künstliches Fahrgeräusch aus den Lautsprechern. Aber wer Wasserstoff will, will wohl eher Stille.

Günstiger?

Bisher waren Brennstoffzellenautos ein teurer Spass: Hyundais Nexo und der alte Mirai kosten je mindestens 89'900 Franken! Beim neuen drückt Toyota jetzt mächtig auf den Preis – grösser und mit oberklassiger Ausstattung gibts ihn ab Februar 2021 für ab 59'900 Franken. Selbst die Topversion mit allem, was die Optionenliste hergibt, unterbietet mit ab 71'900 Franken locker den bisherigen Preis. Deshalb hofft Toyota weltweit auch auf zehnmal höhere Verkaufszahlen.

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