Plug-in-Hybride: Bis zu 3000 Kilometer mit einer Tankfüllung?
Darum sind Plug-in-Verbräuche Chabis

Unter zwei Liter Spritverbrauch versprechen Autohersteller für Plug-in-Hybriden. Je nach Tankgrösse wären so bis zu 3000 Kilometer möglich. Ist das realistisch?
Publiziert: 30.01.2023 um 05:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.01.2023 um 08:25 Uhr
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Martin A. BartholdiRedaktor Auto & Mobilität

Sie sind das Beste aus zwei Welten: So bewirbt die Autobranche ihre Modelle mit Plug-in-Hybridantrieb (PHEV). Sie kombinieren Benzin- und Elektromotor, lassen sich an der Steckdose nachladen, bieten eine elektrische Autonomie von 40 bis 100 Kilometern und Fabelverbrauchswerte von oft unter zwei Litern je 100 Kilometer. Läge man diesen Wert einer Reichweitenberechnung zugrunde, käme mancher Plug-in-Hybrid locker bis zu 3000 Kilometer weit! Wirklich?

Mit einem Plug-in-Hybrid kann man sich an die E-Mobilität herantasten, ohne schon komplett umsteigen zu müssen. Man kann die meisten Strecken im Alltag schon rein elektrisch zurücklegen, hat aber die Sicherheit eines Verbrenners. Das bietet Unabhängigkeit von öffentlichen Ladestationen und beugt der Angst vor, ohne Strom liegenzubleiben.

Fantastische Verbrauchswerte

Diese Zwischenlösung hilft auch den Herstellern bei der Einhaltung der Emissionsgrenzwerte. Im Gegensatz zu normalen Benzin- oder Dieselautos haben Plug-in-Hybride einen deutlich tieferen Werksverbrauch und CO2-Ausstoss. Das senkt die Flottenemissionen und kann so die Autobauer vor CO2-Bussen bewahren. Aber genau hier steckt auch einer der grössten Kritikpunkte an Plug-in-Hybriden.

Die Volvo-Limousine S60 hat als Plug-in-Hybrid eine theoretische Reichweite von 3000 Kilometer.
Foto: Volvo/zvg
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Dank des seit vier Jahren gültigen WLTP-Messzyklus sind die Verbrauchswerte bei Bezinern und Dieselmotoren im Vergleich zum einstigen NEFZ-Zyklus deutlich realistischer geworden. Aber bei PHEVs führt die Messung noch immer zu Verbrauchswerten von meist unter zwei Litern je 100 Kilometer. Denn: Er wird – vereinfacht gesagt – mit voller Batterie auf den ersten 100 Kilometern ermittelt.

Wie werden PHEV-Verbräuche gemessen?

Laut den Messregeln des WLTP-Verbrauchszyklus müssen Plug-in-Hybride die Messung mehrmals durchlaufen. Gestartet wird immer mit komplett voller Batterie. Dann wird der Messzyklus immer wieder von Anfang bis Ende durchlaufen, bis die Batterie erschöpft ist. Danach folgt noch ein letzter kompletter Zyklus-Durchlauf, bei dem allein der Verbrennungsmotor für den Antrieb sorgt.

Der WLTP-Messzyklus umfasst 23 Kilometer Messstrecke und dauert 30 Minuten bei einer Schnittgeschwindigkeit von 47 km/h. Reicht der Strom eines PHEV für 80 km elektrischen Fahrens, absolviert es also viermal den Messzyklus plus einen fünften Zyklus allein mit Verbrenner.

Laut den Messregeln des WLTP-Verbrauchszyklus müssen Plug-in-Hybride die Messung mehrmals durchlaufen. Gestartet wird immer mit komplett voller Batterie. Dann wird der Messzyklus immer wieder von Anfang bis Ende durchlaufen, bis die Batterie erschöpft ist. Danach folgt noch ein letzter kompletter Zyklus-Durchlauf, bei dem allein der Verbrennungsmotor für den Antrieb sorgt.

Der WLTP-Messzyklus umfasst 23 Kilometer Messstrecke und dauert 30 Minuten bei einer Schnittgeschwindigkeit von 47 km/h. Reicht der Strom eines PHEV für 80 km elektrischen Fahrens, absolviert es also viermal den Messzyklus plus einen fünften Zyklus allein mit Verbrenner.

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Ein Plug-in-Hybrid legt bei der Messung so rund die Hälfte der Strecke elektrisch und damit ohne Spritverbrauch zurück. Sobald die Batterie leer ist, sorgt nur noch der Verbrenner für den Vortrieb und muss die schwere Hybrid-Technik alleine bewegen; das Hybridsystem gewinnt nur Strom beim Bremsen zurück. Das kann dazu führen, dass der reale Verbrauch sogar höher ausfällt als bei einem ähnlich motorisierten reinen Verbrenner.

Einmal quer durch Australien

Wie absurd PHEV-Verbräuche sind, bewies die australische Versicherung Budget Direct mit einem Reichweiten-Vergleich. Sie listet die Reichweiten von Australiens meistverkauften Autos zusammen, unterteilt nach Elektro-, Hybrid- und Dieselautos. Stromer haben demnach mit 436 bis 647 Kilometer zwischen einem Drittel und der Hälfte der Reichweite eines Diesels. Der Vergleich ist aber unfair, weil Batterien Energie in deutlich geringerer Dichte speichern können als ein Sprittank. Sprich: In einem Tank lässt sich mehr Energie in Form von Benzin oder Diesel speichern als in einer gleich grossen Batterie.

Darum kommen Elektroautos nicht so weit

Moderne Diesel schaffen oft über 1000 Kilometer mit einer Tankfüllung; bei Benzinmotoren sinds oft 800 Kilometer. Damit können heutige Elektroautos nicht mithalten. Grund: die unterschiedliche Energiedichte.

Ein Liter Benzin hat einen Energiegehalt von 8,72 Kilowattstunden (kWh). Bei einem Liter Diesel liegt er mit 9,91 kWh etwas höher. Bei einem Tankvolumen von 40 bis 60 Litern entspricht also ein Benzintank einer Energiemenge 348,8 bis 523,2 kWh; ein voller Dieseltank kommt auf 396,4 bis 594,6 kWh. Die 700 Kilogramm schwere Batterie des Elektro-Reichweitenkönigs Tesla Model S fasst dagegen nur 100 kWh.

Benziner und Diesel haben also drei- bis sechsmal mehr Energie dabei als ein Tesla Model S – und der Tank wiegt weniger als ein Zehntel der Batterie. Trotzdem kommt ein Dieselauto im besten Fall knapp doppelt so weit wie die Elektro-Limousine. Das liegt daran, dass der Wirkungsgrad eines Elektromotors bis zu 90 Prozent betragen kann, während er bei einem Benzinmotor 25 und einem Dieselmotor 35 bis 40 Prozent beträgt. Sprich, beim Tesla werden 90 Prozent dieser 100 kWh in Vortrieb umgewandelt, während bei einem Benziner 75 Prozent des Tankinhalts ungenutzt verpuffen.

Moderne Diesel schaffen oft über 1000 Kilometer mit einer Tankfüllung; bei Benzinmotoren sinds oft 800 Kilometer. Damit können heutige Elektroautos nicht mithalten. Grund: die unterschiedliche Energiedichte.

Ein Liter Benzin hat einen Energiegehalt von 8,72 Kilowattstunden (kWh). Bei einem Liter Diesel liegt er mit 9,91 kWh etwas höher. Bei einem Tankvolumen von 40 bis 60 Litern entspricht also ein Benzintank einer Energiemenge 348,8 bis 523,2 kWh; ein voller Dieseltank kommt auf 396,4 bis 594,6 kWh. Die 700 Kilogramm schwere Batterie des Elektro-Reichweitenkönigs Tesla Model S fasst dagegen nur 100 kWh.

Benziner und Diesel haben also drei- bis sechsmal mehr Energie dabei als ein Tesla Model S – und der Tank wiegt weniger als ein Zehntel der Batterie. Trotzdem kommt ein Dieselauto im besten Fall knapp doppelt so weit wie die Elektro-Limousine. Das liegt daran, dass der Wirkungsgrad eines Elektromotors bis zu 90 Prozent betragen kann, während er bei einem Benzinmotor 25 und einem Dieselmotor 35 bis 40 Prozent beträgt. Sprich, beim Tesla werden 90 Prozent dieser 100 kWh in Vortrieb umgewandelt, während bei einem Benziner 75 Prozent des Tankinhalts ungenutzt verpuffen.

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Erstaunlich ist das Resultat der Hybridautos! Sie schaffen teilweise über 2000 Kilometer. Spitzenreiter ist die Volvo-Limousine S60, die als Plug-in-Hybrid 3000 Kilometer schaffen würde – theoretisch. Denn die Versicherung hat einfach den Werksverbrauch genommen und mit dem Tankvolumen verrechnet. Der S60 PHEV hat einen 60-Liter-Tank und gönnt sich laut australischem Messzyklus zwei Liter auf 100 Kilometer. Das berücksichtigt aber nicht, dass der Verbrauch nach den ersten 100 Kilometer ansteigt, sobald der Akku leer ist.

Eine Mogelpackung?

Sind Plug-in-Hybrid-Autos also eine Mogelpackung? Nicht, wenn sie regelmässig geladen werden. Wer seinen Plug-in nach jeder Fahrt an die Steckdose hängt, fährt den Löwenanteil der Alltagsstrecken nur elektrisch. Dann kann es tatsächlich mehr als 3000 Kilometer dauern bis zum nächsten Tankstopp. Wer den PHEV aber wie ein normales Benzin- oder Dieselauto nutzt und kaum oder gar nicht lädt, erlebt eine böse Verbrauchsüberraschung.

Die Mogelpackung ist also die Methode zur Ermittlung des Werkverbrauchs bei PHEVs. Ziel der EU war bei Einführung des WLTP-Zyklus, PHEVs mit grosser rein elektrischer Reichweite zu belohnen – je höher diese ist, umso seltener nutzt man auf den 30 bis 40 Kilometern, die Durchschnitts-Europäer täglich fahren, den Verbrenner. Aber so ergeben sich unrealistisch tiefe und intransparente Verbrauchsangaben, die sich im Alltag nicht erreichen lassen.

Dabei sind Plug-ins grundsätzlich eine gute Möglichkeit, um skeptische oder unsichere Kunden an die Elektromobilität heranzuführen. Wenn man sie regelmässig einstöpselt.

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