So will Opel-CEO Florian Huettl die Kundschaft vom E-Auto überzeugen
«Elektromobilität ist keine Parallelwelt»

Ab 2028 sollen alle Opel-Modelle rein elektrisch fahren. CEO Florian Huettl erklärt im Interview, wie er die Kundschaft mitnehmen und künftig für jeden ein passendes Modell anbieten will.
Publiziert: 22.07.2023 um 11:00 Uhr
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Aktualisiert: 22.07.2023 um 13:17 Uhr
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Andreas FaustLeitung Auto & Mobilität

Kaum im Unternehmen – und schon Chef. Erst im März 2022 startete Florian Huettl (46) bei der Stellantis-Marke Opel als Vorstand. Schon drei Monate später wurde er zum CEO des Rüsselsheimer (D) Autobauers befördert. Nach einem Jahr im Amt trafen wir ihn an der Schweizer Händler-Jahrestagung in Martigny VS.

Herr Huettl, was hat sich bei Opel seit 2017 verändert?
Florian Huettl: Mit dem Übergang zur damaligen Groupe PSA und dann in den Stellantis-Konzern haben wir uns neu aufgestellt. Wir sind seit 2018 wieder profitabel, haben neue Märkte wie Marokko erschlossen und den Schwenk zur Elektromobilität vollzogen. Heute ist die Nutzfahrzeugpalette komplett elektrifiziert, und wir bieten bis Jahresende 15 elektrifizierte Modelle an. Bis 2024 werden wir in jeder Baureihe ein batterieelektrisches Modell haben, ab 2025 wird jedes neue Modell nur noch batterieelektrisch angeboten (Red: Also rein elektrisch oder hybridisiert) und ab 2028 werden wir in Europa nur noch rein elektrische Fahrzeuge verkaufen.

Erst im März 2022 startete Florian Huettl bei der Stellantis-Marke Opel und wurde nur drei Monate später zum CEO befördert.
Foto: Zvg
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Welche Segmente wird Opel rein elektrisch abdecken?
Alle, in denen wir mit einem Angebot vertreten sind oder noch antreten werden. Den Insignia haben wir eingestellt, weil er noch auf einer alten, nicht elektrifizierten Plattform stand. Er hatte daher keinen Platz in der E-Strategie und wir spürten auch eine rückläufige Kundennachfrage. Deshalb arbeiten wir nun an einem rein elektrischen Nachfolger. Und im nächsten Jahr startet im deutschen Eisenach die Fertigung des Grandland-Nachfolgers als Elektro-SUV.

Und bei den Kleinwagen? Dort gibts die grösste Lücke bei den Stromern.
Nicht bei Opel. Wir sind dort mit dem elektrischen SUV Mokka und dem Corsa Electric erfolgreich. Die Herausforderung bei kleinen Elektromodellen ist, sie bezahlbar zu machen. Gerade haben wir in der Schweiz mit dem Rocks Electric einen City-Stromer für junge Leute neu auf den Markt gebracht. Den gibt es für 9190 Franken zu kaufen oder für 99 Franken monatlich zu leasen.

Früher bot Opel unter dem Corsa mit Adam und Karl gleich zwei Modelle an.
In dieser Richtung haben wir heute keine Pläne. Wir halten den Corsa für das richtige Angebot.

Auch ein kommender VW ID.2 würde daran nichts ändern?
Wir arbeiten an einem bezahlbaren Elektroangebot im B-Segment bis 4,10 Meter Länge, mit dem wir breite Kundengruppen ansprechen können. Das ist unsere Priorität.

Technisch sind Sie auf die Stellantis-Plattformen festgelegt. Wie bringt man eigene Opel-Identität in die Modelle?
Nehmen wir den 2022 eingeführten Astra: Entwicklung, Design und Produktion erfolgen in Rüsselsheim. Er hat klare Produkteigenschaften, die unseren Kunden wichtig sind. Das Interieur entspricht unserer Detox-Philosophie mit klaren Linien, durchgehendem Bildschirm, wenigen Knöpfen und einem ausgewogenen Zusammenspiel von Touchscreen und Schaltern. Sitze, Lichtsysteme, das direkte Fahrverhalten – diese Anforderungen geben wir unseren Ingenieuren mit, weil wir wissen, dass sie unseren Kunden wichtig sind. Und im Design findet man viele Details aus der Markenhistorie, ohne dass es retro wäre.

Kein Retro-Design – passt das mit einem neuen Manta zusammen?
Der künftige Manta soll kein Nachfolger für die ersten beiden Generationen werden. Wir ziehen allein eine Inspiration aus der Vergangenheit an. Was die Marke einst emotional gehalten hat, nehmen wir mit ins Morgen. Im Innenraum gehen wir mit dem künftigen Manta viel weiter als heute bei Vereinfachung und der Konzentration auf das Wesentliche. Wenn man einmal anfängt, Heutiges infrage zu stellen, geht man auf eine sehr interessante Reise.

Welche Kompetenzen bringt Opel bei Stellantis ein?
Ein Beispiel: In Deutschland haben wir langjährige Erfahrungen in der Wasserstoff-Brennstoffzelle. Rüsselsheim ist derzeit unser Schrittmacher in dieser Technologie und stellt sie allen Konzernmarken zur Verfügung. Oder: In unserem Testzentrum in Dudenhofen werden die Fahrassistenzsysteme getestet. Jede Marke leistet im globalen Entwicklungsnetzwerk ihren Beitrag und entwickelt federführend ihre eigenen Modelle.

Persönlich: Florian Huettl

Seit dem 1. Juni 2022 amtiert der 1977 in Aschaffenburg (D) gebürtige Deutsche als Geschäftsführer von Opel. Florian Huettl (46) startete seine Karriere im Jahr 2000 bei Renault und durchlief Positionen unter anderem in Deutschland, Russland und Frankreich. Interessante Parallele: Wie sein Vorgänger Uwe Hochgeschurtz (60) arbeitete auch er zeitweise für Renault Schweiz. Im März 2021 trat Huettl dann in den Stellantis-Konzern ein und leitete bei Opel ab Januar 2022 Vertrieb und Marketing.

Seit dem 1. Juni 2022 amtiert der 1977 in Aschaffenburg (D) gebürtige Deutsche als Geschäftsführer von Opel. Florian Huettl (46) startete seine Karriere im Jahr 2000 bei Renault und durchlief Positionen unter anderem in Deutschland, Russland und Frankreich. Interessante Parallele: Wie sein Vorgänger Uwe Hochgeschurtz (60) arbeitete auch er zeitweise für Renault Schweiz. Im März 2021 trat Huettl dann in den Stellantis-Konzern ein und leitete bei Opel ab Januar 2022 Vertrieb und Marketing.

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In Europa zeigt der Elektroauto-Markt teils Bremsspuren. Macht ihnen das Gedanken?
Ich halte die Elektrifizierung für unbedingt richtig – und sie ist offizielle politische Linie der Europäischen Union, entschieden von den gewählten Volksvertretern. Länder, die weit bei der Ladeinfrastruktur sind, sind auch im Wandel zur Elektromobilität schnell unterwegs – wie Deutschland, die Niederlande, Portugal oder die Schweiz, die einen der höchsten Elektroanteile im Neuwagenmarkt aufweist mit knapp 19 Prozent bei den PWs. Die Elektromobilität entwickelt sich sehr schnell.

Trotz höherer Reichweiten gibt es weiter Elektro-Skepsis. Wie wollen Sie Kunden überzeugen?
Wir setzen auf stetige Entwicklung hin zur Batterietechnik, aber im Rahmen dessen, was unsere Kundinnen und Kunden an der Marke schätzen. Den Corsa gibt es seit 40 Jahren – seit vier Jahren auch rein elektrisch. Die Elektroversion hat alles, was die Kunden am Corsa schätzen. Wer bei der Probefahrt die Elektroversion testet, könnte zwar auch den Verbrenner kaufen, aber der Schritt zum E-Modell ist dann sehr einfach, weil er keine Kompromisse nötig macht. Elektromobilität ist keine Parallelwelt, sondern integraler Bestandteil von Opel. Und wer einmal ein E-Auto kauft, der bleibt dabei und kehrt nicht mehr zu Verbrennern zurück.

Wie weit ist Opel bei CO₂-Neutralität und Nachhaltigkeit?
Bis 2038 will Stellantis komplett CO₂-neutral sein. Alles wird daraufhin systematisch durchleuchtet. In Rüsselsheim arbeiten wir derzeit an CO₂-neutraler Produktion zum Beispiel mit der Nutzung von Erdwärme. Vor zwei Jahren setzten wir beim Transport unserer Fahrzeuge zu den Händlern zu 100 Prozent auf die Strasse, heute setzen wir mehr Züge ein. Zuerst wird die Mobilität an sich CO₂-neutral, dann der gesamte Konzern.

Das wird nicht günstig.
Die Investitionen lassen sich leichter stemmen, wenn man im Konzern Skaleneffekte ausnutzen kann. Und es hilft, dass Stellantis zuletzt mit 13 Prozent eine der höchsten operativen Umsatzrenditen in der Autobranche auswies.

Wie viel investiert Opel?
Opel ist seit 2018 nachhaltig profitabel und liefert einen signifikanten Beitrag zum Konzernergebnis.

Ihr Konzernchef Carlos Tavares hat im Vertrieb Sparpotenzial ausgemacht. Was bedeutet das für Opel und sein Händlernetz?
Stellantis operiert global und steuert 14 Marken in ihrem weltweiten Geschäft. Die Kostenkultur steckt tief in dieser Organisation, weil sie fundamental für die Transformation der Autoindustrie ist. Und das betrifft alle Bereiche. Natürlich den Vertrieb, aber beispielsweise auch Entwicklung und Logistik.

Wird nicht oft ein Auto durch eine kleine Mehrinvestition entscheidend besser? Schlagen da zwei Herzen in Ihrer Brust?
Wir müssen bei Opel unser Entwicklungsbudget so investieren, dass es dem Kunden am meisten bringt. Da schlagen keine zwei Herzen, sondern wir brauchen die optimale Entscheidung, um profitabel zu wachsen.

Haben sich die Lieferprobleme der letzten Jahre entschärft?
Wie hatten Herausforderungen zum Beispiel bei Halbleiterverfügbarkeit und Lieferketten, aber auch bei den Logistikkapazitäten, um die Autos auch zum Kunden zu bekommen. Aber wir haben Resilienz entwickelt. Normalerweise planen wir die Produktion über mehrere Wochen fix, damit die Lieferanten sich synchronisieren können. Aber wenn man am Donnerstag nicht weiss, ob am Montag die Morgenschicht die nötigen Teile hat, muss man kurzfristig umprogrammieren. Zum Beispiel mit flexiblen Arbeitszeiten, so dass der Montagmorgen ausfallen und am Freitagnachmittag nachgeholt werden kann. Wir sind jetzt viel agiler als früher.

Werden Sie künftig regionaler produzieren mit Zulieferern in der Nähe?
Nehmen Sie die Batteriefertigung: Bislang haben wir lange Transportwege aus Asien, heute bauen wir im Stellantis-Verbund unsere eigenen Gigafactories in Europa. Eine davon entsteht am traditionellen Opel-Standort in Kaiserslautern gemeinsam mit Partnern. Künftig beträgt der Transportweg nach Rüsselsheim dann nur noch 60 Kilometer.

Aber Fertigung in Europa ist teuerer als in Südostasien.
Die Fertigung hier ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Lieferketten von morgen. Wir müssen sicherstellen, dass das kostenseitig funktioniert. Von Vorteil sind natürlich die geringeren Transportkosten.

Lange galt der reine Elektroantrieb nur als Zwischenschritt zum Wasserstoff. Wie sehen Sie dessen Zukunft?
Wasserstoff ist interessant für lange Strecken, bei hohem Gewicht und im Gewerbe, bei dem es auf kurze Lade- oder Tankzeiten ankommt. Per Wasserstoff als Speichermedium lässt sich grüne Energie transportieren – man muss sie nicht am Produktionsort einsetzen. Zudem kann mit Wasserstoff die nötige Pufferbatterie sehr viel kleiner ausfallen. Deshalb hat die Brennstoffzelle vor allem bei Nutzfahrzeugen wie unserem Vivaro-e Hydrogen ihren Platz. Mit 4,4 Kilogramm Wasserstoff kommt er 400 Kilometer weit und ist dann in drei Minuten wieder vollgetankt. Wir konzentrieren uns beim Wasserstoff komplett auf das Transporter-Segment.

Wohl 2024 kommt die neue Abgasnorm Euro 7 in der EU. Was bedeutet sie für Opel?
Wir halten Euro 7 nicht für sinnvoll. Die Autoindustrie stemmt derzeit schon die Transformation zu Null-Emissionen bei der Mobilität. Parallel in Verbrenner zu investieren, um diese noch zwei, drei, vier Jahre laufenzulassen, erfordert hohen Aufwand und ist zeitlich kaum zu schaffen. Die nötigen Investitionen sollten besser in die Elektromobilität fliessen können.

Und wenn Euro 7 doch kommt?
Dann werden wir jeden Motor auf den Prüfstand stellen und nötige Investitionen gegen den Nutzen der Normerfüllung abwägen. Gerade kleinere Motoren, die im B- und C-Segment den Einstieg in die Mobilität ermöglichen, werden entweder teurer oder den Schritt in die neue Norm nicht schaffen.

Welche Bedeutung hat die Schweiz für Opel?
Die Schweiz ist ein sehr wichtiger Markt für uns – wir haben hier einst sogar produziert. Viele Händler halten uns seit Generationen die Treue. Natürlich sind wir nicht zufrieden mit unserem Marktanteil von heute 2,0 Prozent. Aber es gibt viele positive Zeichen – so sind wir im laufenden Jahr Marktführer bei den E-Nutzfahrzeugen. Die Elektromobilität kann uns deutlich mehr Relevanz in der Schweiz verleihen.

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