VW und Rivian spannen bei Softwareentwicklung zusammen
Was kann das US-Start-up besser als der deutsche Riese?

Die US-Elektromarke Rivian und Volkswagen wollen künftig gemeinsam Software und Elektroantriebe entwickeln. Der deutsche Mega-Konzern sichert mit seinen Investitionen das Überleben des kriselnden Start-ups – aber wie kann VW vom Deal profitieren?
Publiziert: 01.07.2024 um 16:52 Uhr
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Aktualisiert: 01.07.2024 um 17:47 Uhr
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Andreas FaustLeitung Auto & Mobilität

Ein Gigant der Autoindustrie lässt sich vom kleinen Start-up zeigen, wo es langgeht. Vor zehn Jahren wäre solch ein Szenario noch unmöglich erschienen. Zu überzeugt waren die Grossen der Branche von ihren Fähigkeiten, als dass man externe Ratschläge irgendwelcher Tech-Nerds eingeholt hätte. Aber die Zeiten haben sich geändert. Wer im rasanten Prozess der Digitalisierung und Elektrifizierung nicht den Anschluss verlieren will, muss kooperieren.

Deshalb spannt der Volkswagen-Konzern neu mit dem US-Elektroautobauer Rivian zusammen. Dabei bringt der Riese das Geld – bis zu fünf Milliarden US-Dollar plant VW als Investment in das neu zu gründende Gemeinschaftsunternehmen ein. Rivian steuert dagegen seine Technologie und Softwarekompetenz bei. Das vereinbarten VW-CEO Oliver Blume (56) und Rivian-Chef Robert «R.J.» Scaringe (41).

Ungleiche Partner

Die Partner könnten ungleicher nicht sein. Volkswagen liegt weltweit mit rund neun Millionen verkauften Autos auf Platz zwei hinter Toyota. Obwohl der Konzern nach dem Dieselskandal 2015 rasant auf Strom umsteuerte und inzwischen eine komplette Modellpalette am Start hat, verlief der Umbau harzig. Weil Software längst das wichtigste bei der Modellentwicklung ist, gründete VW mit Cariad eine eigene Tochter fürs Programmieren, die aber nicht recht ins Laufen kommt. Bis 2030 sollen nun weitere 180 Milliarden Euro in die Elektro-Entwicklung fliessen.

Der US-Autobauer Rivian soll mit seiner Software und Fahrzeugarchitektur die Entwicklung von E-Fahrzeugen beim Branchenriesen Volkswagen beschleunigen.
Foto: Zvg
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Rivian dagegen galt beim Produktionsstart des Elektro-Pick-ups R1T 2021 als das neue Tesla: Nach dem folgenden Börsengang wurde das Unternehmen mit rund 82 Mrd. US-Dollar höher bewertet als die US-Konkurrenten General Motors und Ford. Hoffnungen machte auch ein Amazon-Grossauftrag über 100'000 Elektro-Lieferwagen. Und mit dem SUV R1S und den kleineren R2 und R3 waren neue Modelle bereits angekündigt. Aber der Absturz folgte: Rivian konnte im letzten Jahr nur rund 50'000 Autos ausliefern und machte dabei über 5,7 Milliarden US-Dollar Verlust. Gegensteuer gab man bereits in den Vorjahren mit Preiserhöhungen, die die Kundschaft auf die Barrikaden brachten, und der Entlassung von 1000 Mitarbeitenden. Aktuell wird der Rivian-Wert noch mit 13,6 Milliarden Dollar taxiert.

Wer ist Rivian?

Vom Oldtimer-Bastler zum Elektro-Pionier: Der US-Elektroautobauer Rivian wurde 2009 in Plymouth im US-Bundesstaat Michigan vom 1983 geborenen Robert «R.J.» Scaringe gegründet. Der hatte schon als Jugendlicher in seiner Garage Autos restauriert, studierte und promovierte später am Massachusetts Institute of Technology (MIT) Ingenieurwesen und enthüllte mit dem Pick-up Rivian R1T 2018 das erste Rivian-Modell. Neben dem SUV R1S auf gleicher Basis sind mit den kleineren Crossovern R2 und R3 bereits weitere Modelle in der Pipeline.

Ende 2023 beschäftigte Rivian knapp 17'000 Mitarbeitende und lieferte im gleichen Jahr 50'000 Fahrzeuge aus – bei einem Umsatz von rund 4,4 Mrd. US-Dollar.

Vom Oldtimer-Bastler zum Elektro-Pionier: Der US-Elektroautobauer Rivian wurde 2009 in Plymouth im US-Bundesstaat Michigan vom 1983 geborenen Robert «R.J.» Scaringe gegründet. Der hatte schon als Jugendlicher in seiner Garage Autos restauriert, studierte und promovierte später am Massachusetts Institute of Technology (MIT) Ingenieurwesen und enthüllte mit dem Pick-up Rivian R1T 2018 das erste Rivian-Modell. Neben dem SUV R1S auf gleicher Basis sind mit den kleineren Crossovern R2 und R3 bereits weitere Modelle in der Pipeline.

Ende 2023 beschäftigte Rivian knapp 17'000 Mitarbeitende und lieferte im gleichen Jahr 50'000 Fahrzeuge aus – bei einem Umsatz von rund 4,4 Mrd. US-Dollar.

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Und was bringt die Kooperation?

Entsprechend sichert der VW-Deal Rivians Überleben – auch wenn VW zunächst nur eine Milliarde US-Dollar einbringt und vier weitere bisher nur in Aussicht gestellt sind. Und Volkswagen? Will die Rivian-Architektur für neue Modelle nutzen, statt langwierig selbst zu entwickeln und die Kosten dank höherer Stückzahlen senken. Aufgrund kürzerer Wege und agilerer Prozesse gelten gerade in der Software-Entwicklung kleine Unternehmen als innovativer und flexibler als eher schwerfällige Grosskonzerne. Branchenexperten äussern sich dagegen unter anderem im Fachblatt Automobilwoche skeptisch: Damit mache sich VW bei einem zentralen Thema von einem auf wackligen Beinen stehenden Partner wie Rivian abhängig.

Gleichzeitig sehen sie vor allem organisatorische Probleme, die Rivian-Innovationen in einen 684'000-Menschen-Konzern zu integrieren. Neben der Tochter Cariad und Rivian arbeitet Volkswagen bei der Software-Entwicklung auch mit den chinesischen Autobauern Xpeng und SAIC zusammen – viele Akteure mit ganz unterschiedlichen Ideen, die aufeinander abgestimmt werden müssen. Allerdings könnte in der breiten Aufstellung auch eine Chance liegen, den Software-Rückstand zum Beispiel gegenüber Tesla schneller aufzuholen.

Generell kommt nicht jede Zusammenarbeit in der Autobranche gut: Laut einer Studie des Branchenanalysten EY scheitern fast 60 Prozent aller Kooperationen. Auch Rivian hatte 2019 eine Kooperation mit Ford gestoppt und 2022 nach nur drei Monaten eine Zusammenarbeit mit Mercedes-Benz zum Bau von Elektro-Nutzfahrzeugen aufgekündigt.

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