BLICK fährt den Sport-Volvo Polestar 2
Strom kriegt die Kurve

Zum Schweizer Vorbestell-Start am 6. März fährt BLICK vorab ein Vorserien-Auto des Polestar 2. Unser Fazit: Der fünftürige Sport-Fastback made by Volvo hat das Zeug zum Elektro-Hit! Feurig in Fahrt, viel Reichweite – und sogar der Preis stimmt.
Publiziert: 01.03.2020 um 01:48 Uhr
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Aktualisiert: 30.12.2020 um 12:27 Uhr
Timothy Pfannkuchen

Willkommen in Hällered: Eine Autostunde vom Hauptsitz Göteborg liegt in den schwedischen Wäldern das Testzentrum von Volvo und der vor drei Jahren vom Haustuner zur Sporttochter geadelten E-Marke Polestar. Wir sind hier, um ein Vorserienmodell des Polestar 2 über die Fahrwerks-Teststrecke zu jagen.

Vorne strahlt «Thors Hammer», das Volvo-Tagfahrlicht: Klar sieht man Polestar den Volvo an. Technisch verwandt ist der Polestar 2 mit Volvos XC40 Recharge – sonst ist der in Schweden entwickelte, in China bei Volvo-Mama Geely gebaute Polestar 2 ganz anders. «Wir profitieren von Volvos über 90 Jahren Erfahrung. Aber als Polestar können wir alles anders machen. Der grösste Gewinn ist die Performance!», sagt Beatrice Simonsson (42), Product Managerin Polestar 2.

Endlich mal kein SUV

Sprich: Volvo-Tugenden ohne Volvo-Geschaukel. Nordische Kühle adieu – hallo, Emotionen. In Zeiten, in denen wir vor lauter SUV fast vergessen haben, wie viel Laune so eine knackige Sportlimousine macht, ist der fünftürige Fastback mit 4,61 Meter etwas kürzer als Audi A4, 3er-BMW, Mercedes C-Klasse, Volvo S60 oder Tesla Model 3, dafür leicht höher: leichter Einstieg à la SUV und gute Sicht, aber bodennahes Gefühl. Von der Idee her erinnert es gar ein wenig an den früheren Volvo S60 Cross Country, nur plus Heckklappe und deutlich sportlicher getrimmt. Schön schwedisch sind übrigens die soliden Bügelgriffe à la Kühlschrank-Tür statt modischen Unsinns wie Elektro-Ausfahr-Türgriffe.

Aus erster Hand: BLICK-Autoredaktor Timothy Pfannkuchen (51) mit Produktchefin Beatrice Simonsson (42) am Polestar 2.
Foto: zVg
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Power mit Allrad

Der vollelektrische Allradler mit zwei mal 150 kW – macht 300 kW (408 E-PS) und satte 660 Nm Drehmoment – tritt nicht so fies ins Kreuz wie Tesla, aber ist verdammt schnell (0 bis 100 km/h in 4,7 s, über 200 km/h Spitze) und powert extrem gleichmässig. Perfekt und betont mühelos. Still ists, nicht mal der Wind pfeift. Selbst über 200 km/h (Spitze offen) quasseln wir in Zimmer-Lautstärke.

Kommt sportlich weit

Unterwegs macht der Polestar 2 einfach Laune. Trotz Elektro ist er quasi ein Fall für Petrolheads. Bei Tempo 200 die Lenkung verreissen? Ist dem Polestar wurst. In einer rasanten Kurve lange Wellen? Nichts wankt. Mit der exakten (dreistufig verstellbaren) Lenkung Kehren anpeilen? Messerscharf! Der 2 kurvt wie eine 1. Zwei Tonnen, aber gefühlt leicht und kurvengeil. Komfort? Keine Sänfte, aber geschmeidig und zumindest meist schmerzfrei. Schmerzen wird das nur die Konkurrenz.

Vor allem, weil der 2 auch noch weit kommt. Mit 19 kWh/100 km soll er für 470 (City 560) Kilometer gut sein, was nach unserer bisherigen WLTP-Erfahrung im Sommer für 420 bis 520 Realkilometer gut sein könnte. Aber das muss später ein Test zeigen. Übrigens kann man zwischen One-Pedal-Drive (je nach Gaspedalstellung wird rekuperiert, so dass man fast ohne Bremspedal fährt) und Normalpedal umschalten. Der 78-kWh-Akku lädt mit bis zu 150 kW (DC, 30 Minuten bis 80 Prozent) bzw. 11 kW (AC, dauert daheim eine Nacht).

Nicht luftig, aber bequem

Hinten ist die Freiheit eher okay als luftig. Bequem ja, aber eben wie im Massanzug statt im Schlabberpulli: Ist Volvo Familie, ist Polestar Jugend. Kritik? Die Sitze dürften mehr Seitenhalt bieten, die Sicht nach hinten ist lau. Und Vorserien-Autos sind eben nie der Verarbeitung letzter Schluss. Von dem Edlen, was wir sehen, könnte sich aber Tesla jetzt schon was abschneiden. Laderaum: gute 405 bis 1095 Liter plus 35-Liter-Fächlein vorne.

Google-Assistent an Bord

Selbstredend ist alles digital. Das Android-basierte Infotainment ist erstmals Google pur: Google-Sprachassistent, Google Maps, App-Store samt Spotify und Co., aber eben autovernetzt (so weiss Maps, ob der Akku reicht). «Wir werden nie die Besten sein in Spracherkennung und Navi», begründets Simonsson: «Also fokussieren wir uns auf das, was wir am besten können: Autos bauen.»

Für 57'900 Franken

Der Polestar 2 kostet ab 57'900 Franken als «Launch Edition» mit Vollausstattung (z.B. Pixel-LED-Licht, Smartphone als Schlüssel, teilautonom auf Level 2, XL-Glasdach, vegane Sitzbezüge). Optional sind die Anhängerkupplung (1,5 t, 1500 Fr.), «Performance»-Paket (6000 Fr. inkl. 20-Zöller), Nappa-Leder (4500 Fr.), 20-Zoll-Räder (1000 Fr.) und Metallic-Lack (1000 Fr.). Fünf Jahre Garantie und fünf Jahre Gratis-Service sind inklusive. Tönt erst mal teuer, aber ist in der Liga der Edel-Mittelklasse nicht nur für ein E-Auto sehr fair. Günstigere Typen folgen. Die Schweiz kann ab 6. März vorbestellen (1000 Fr. bei Nichtkauf rückerstattete Anzahlung), Autos kommen ab November – direkt nach Hause: Showrooms in Städten folgen noch, aber gekauft wird per Handy, zum Service das Auto abgeholt.

Potenzial zum Hit

Aber wie bezirzt Polestar ohne Garagen konservativere Kunden – wo der 2 uns doch gerade beim Fahren überzeugt? «Wir werden Probefahrten bieten», sagt Simonsson. Unser Fazit: Wir sind beeindruckt, denn genau so könnte Elektro das Zeug zum Hit haben! Beim superteuren Plug-in-Hybrid Polestar 1 hatten wir gerätselt, was Polestar will. Die Antwort liefert der 2: Fahrspass nach bester Sportlimo-Art, nur elektrisch und made in Sweden.

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