Die fünfte Schweiz wächst
Noch nie lebten so viele Schweizer Staatsangehörige im Ausland

Erstmals leben mehr als 800'000 Menschen mit Schweizer Pass im Ausland. Trotz einer hohen Lebenszufriedenheit in der Schweiz ist das Auswandern beliebt. Wanderungsbewegungen sind aber nicht der einzige Grund für die hohe Zahl von Schweizer Staatsangehörigen im Ausland.
Publiziert: 07.05.2023 um 10:52 Uhr
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Aktualisiert: 08.05.2023 um 15:30 Uhr
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Karen SchärerTeamlead Gesellschaft

Einst verliessen Schweizerinnen und Schweizer ihre Heimat aus purer Not. Getrieben von Armut, Hungersnöten, Naturkatastrophen und der zunehmenden Industrialisierung suchten im 19. Jahrhundert und im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts etwa eine halbe Million Menschen aus der Schweiz anderswo ein besseres Leben.

Heute ist das Auswandern zur Abendunterhaltung geworden. TV-Formate wie «Auf und davon» auf SRF erzielen seit Jahren konstant sehr hohe Einschaltquoten. Vom Sofa aus fiebert das Publikum mit dem kleinen Päuli mit, wenn er in Kanada allein mit dem Schulbus fährt. Freut sich mit den leidgeprüften Alain und Anita in Griechenland über gute Neuigkeiten. Und leidet mit Marina und Mike, die in ihrem Waffel-Restaurant in Florida bis zur totalen Erschöpfung schuften.

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21 Prozent der Schweizer Staatsangehörigen im Ausland sind unter 18 Jahre alt. Die Geschwister Ada (11) und Ruben (13) leben seit acht Jahren in Cambridge (Grossbritannien).
Foto: zVg
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11 von 100 sind Auslandschweizer

Auswandern kommt nicht nur beim TV-Publikum gut an. Das zeigt sich in den Statistiken: Seit 1991 wandern mehr Schweizer Staatsangehörige aus als ein. Im Jahr 2022 verliessen 31'300 Personen die Schweiz, und nur 21'900 meldeten sich in der Schweiz neu an, beispielsweise nach längerem Auslandaufenthalt.

Nicht nur diese Wanderungsbewegungen lassen die sogenannte fünfte Schweiz wachsen: Gemäss Bundesamt für Statistik tragen dazu auch der Geburtenüberschuss sowie die Einbürgerungen bei, etwa bei Heirat zwischen einem Auslandschweizer und einer Ausländerin.

Die Zahl der Schweizerinnen und Schweizer im Ausland ist auf einem Rekordhoch: Über 800'000 Menschen mit Schweizer Pass lebten 2022 in einem anderen Land, das entspricht 10,9 Prozent. Vor 20 Jahren waren es erst 9,3 Prozent (knapp 600'000).

Platz 8 bezüglich Lebenszufriedenheit

Und dies, obwohl es den Menschen hierzulande überdurchschnittlich gut geht. Der «World Happiness Report», der die Lebenszufriedenheit in den Ländern abbildet, platziert die Schweiz 2023 auf dem sehr guten Rang 8 von 137, hinter skandinavischen Ländern, Israel und der Niederlande.

Ein Jobangebot, Abenteuerlust und Neugier auf Neues oder schlicht ein wärmeres Klima verlocken zur Auswanderung. Viele schlagen Wurzeln und bleiben. Manche verlieben sich im Ausland, gründen eine binationale Familie. Andere packt das Auslandsfieber, und sie lassen sich über die Jahre an verschiedenen Orten auf der Welt nieder.

System hat dies im diplomatischen Dienst der Schweiz. 773 Schweizer Staatsangehörige sind als versetzbare Mitarbeitende für das Eidgenössische Departement des Äusseren (EDA) im Ausland tätig. Sie werden spätestens nach vier Jahren an einen anderen Ort versetzt.

Schweizerinnen und Schweizer im Ausland bleiben mit der Schweiz eng verbunden und sind sich – gerade aufgrund von Erfahrungen mit der lokalen Bürokratie, mit dem Schulwesen oder auch mit Kriminalität am neuen Wohnort – sehr bewusst, wie gut das Leben hierzulande für die meisten ist. Im Gespräch heben sie hervor, wie sicher, sauber, schön und bequem die Schweiz ist. Für den Moment suchen sie noch etwas anderes. Doch sie wissen: Die Schweiz ist für sie da.

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