Perfektion ist nicht nötig
Klimaaktion: Jede Person kann einen Beitrag leisten

Bei der Klimakrise geht es nicht darum, perfekt zu sein. Vielmehr ist das Bewusstsein wichtig, dass jede Person mit ihren Handlungen – und mit dem Wahlzettel – zur Stabilisierung der Klimakrise beitragen kann, schreibt ETH-Professorin Sonia I. Seneviratne.
Publiziert: 17.09.2023 um 20:30 Uhr
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Aktualisiert: 07.11.2023 um 15:10 Uhr
Sonia I. Seneviratne

Ich war diese Woche an einer Sommerschule mit vielen jungen Studierenden, die sich Sorgen um das Klima machen. Sie wollten lernen, was der Stand des jetzigen Wissens ist und welche Lösungen wir haben, um die Klimakrise zu stabilisieren. Das Fazit ist klar: Wir haben eine Klimakrise, wir müssen dringend und dezidiert handeln, und die Lösungen existieren. 

Einige jüngere Personen haben an der Sommerschule erwähnt, dass sie sich ohnmächtig fühlen. Sie sind nicht in Machtpositionen, können Entscheidungen kaum beeinflussen, und sie befürchten, dass die genehmigten und friedlichen Demonstrationen der Klimastreiks kaum wahrgenommen werden. Es sind vor allem die Klimaaktivisten, die spektakuläre und unliebsame Aktionen unternehmen, die Aufmerksamkeit von den Medien bekommen – dafür aber auch scharf kritisiert werden.

Ausserdem wird die Klimajugend an unrealistischen Standards gemessen, wenn sie sich engagiert: Während der Rest der Gesellschaft in Ruhe weitermachen kann wie bisher und mit Flugzeug, SUV und auf Kreuzfahrten unterwegs sein darf, sollen die jungen Leute, die sich engagieren, schon ein Leben nahe bei netto null CO2 führen, damit sie nicht kritisiert werden.

Am 30. September 2023 wird wieder zur nationalen Klimademo gerufen, wie hier Ende September 2019.
Foto: keystone-sda.ch

Bei der Bekämpfung der Klimakrise geht es nicht darum, perfekt zu sein. Es geht nicht darum, herauszufinden, wer der bessere Mensch ist. Wir sind alle nur Menschen, die mit einem sehr schwierigen Problem zu tun haben. Das Streben nach Perfektion kann oft lähmend sein. Es kann Menschen davon abhalten, aktiv zu werden. 

Es geht also primär um Solidarität und pragmatische Lösungen und nicht um Schuldzuweisung. Es geht darum, dass wir eine Krise haben, die wir besser gemeinsam lösen können. 

Wir haben eine Gesellschaft geschaffen, die grösstenteils von fossilen Energieträgern abhängig ist. Die Mehrheit der Bevölkerung profitiert nicht von dieser Sachlage und fühlt sich gefangen. Aber Lösungen existieren, die es uns erlauben würden, unsere Emissionen zu reduzieren. Viele dieser Optionen wären sogar langfristig billiger, als weiterhin jedes Jahr Erdöl und Gas zu importieren.

Um nicht vom Drang nach Perfektion gelähmt zu werden, sollten wir uns daran erinnern, dass wir nicht sofort ein Netto-Null-CO2-Budget erreichen müssen. Der erste allerwichtigste Schritt ist, dass wir unsere CO2-Emissionen bis 2030 global halbieren sollten. Dazu beitragen können wir privat und als Gesellschaft. Erste Schritte können Carsharing sein, eine Zugreise nach Spanien oder England statt einer Flugreise und die Temperatur bei einer Erdöl- und Gasheizung im Winter etwas tiefer zu setzen. 

Um der Politik zu zeigen, dass Rahmenbedingungen in der Schweiz nötig sind, die ein Leben mit tiefen CO2-Emissionen besser ermöglichen, kann es auch helfen, bei einer friedlichen Klimademo mitzulaufen, zum Beispiel an der nationalen Klimademo am 30. September. Und Klimaaktion ist nicht nur ein Thema für die jungen Leute, wie die Klimaseniorinnen und Klimagrosseltern es zeigen. 

Letztendlich wird es auch helfen, bei den Wahlen im Herbst dafür zu sorgen, dass die Parteien in Zukunft im Parlament gut vertreten sind, die Lösungen zur Klimakrise unterstützen. Jede vermiedene Emission von CO2 lohnt sich, und wir werden mehr erreichen, wenn alle einen Beitrag leisten!

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