Was kommt auf den Rost?
So gut ist veganes Grillieren

Statt Wurst und Steak landen vermehrt pflanzliche Alternativen auf dem Grill. Warum? Welche Produkte bieten sich da überhaupt an? Und was haben Fleischesser eigentlich gegen Veganer auszusetzen? Wir bringen die Antworten auf den Grillrost.
Publiziert: 18.06.2022 um 12:09 Uhr
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Aktualisiert: 09.06.2023 um 14:37 Uhr
Benedikt Lachenmeier

Ein gutes Stück Fleisch gehört zum perfekten Grill­erlebnis einfach dazu. Oder? Nicht unbedingt. Auf dem Rost landen immer mehr Tofu-Bratwürste, Tempeh-Spiessli oder Seitanschnitzel. Fleischersatzprodukte liegen im Trend. Gemäss «Schweizer Fleischersatz-Report» 2021 des Bundesamts für Landwirtschaft BLW hat sich die Nachfrage nach Fleischalternativen innerhalb von fünf Jahren in der Schweiz verdoppelt.

Meat-Analog-Produkte machen als Subkategorie von «Tofu/Tempeh/Seitan» und «Vegi Convenience» über 60 Prozent des Gesamtumsatzes von Fleischersatzprodukten aus. Jeder sechste im Detailhandel verkaufte Burger wird mittlerweile auf pflanz­licher Basis produziert. Besonders beliebt sind Fleisch­ersatzprodukte bei jungen, gut verdienenden Familien aus der Deutschschweiz. Die geringste Nachfrage zeigt sich bei den Haushalten von über 64-Jährigen. Aber warum verzichtet man auf Fleisch und baut dann zum Beispiel eine Wurst aus Tofu nach? Umfragen zeigen: Die meisten Veganerinnen und Veganer mögen den Geschmack von Fleisch. Aber sie wollen nicht mehr schuld daran sein, dass ­Tiere wegen ihnen leiden müssen.

Das Meat-Paradox – warum Veganer oft verhasst sind

Wohlstandverwahrloste Wichtigtuer, Weltverbesserer, sektenartige Extremisten – Veganerinnen und Veganer müssen sich so einiges anhören. Und das, obwohl die Klimadebatte heiss läuft und Studien belegen, dass eine pflanzliche Ernährung das Risiko von Herzkrankheiten und Krebs senkt. Warum Veganismus trotzdem mitunter so verhasst ist? Die negative Haltung gegenüber Veganerinnen und Veganern gründet oftmals nicht auf rationaler Kritik. Sie ist die Folge irrationaler psychologischer Abwehrreflexe. Erklären lässt sich dieses Phänomen mit dem Meat-Paradox. Gemeint ist der innere Konflikt, den Fleischesserinnen und Fleischesser erleben, wenn sie merken, dass ihre Ernährung nicht mit ihrer Tierliebe im Einklang steht. Diese sogenannte kognitive Dissonanz verursacht Stress. Glücklicherweise kennt unser Gehirn ein paar Tricks, um diese Unausgeglichenheit wieder aufzulösen. Eine Variante: die Realität der Fleisch- und Milchproduktion komplett ignorieren, um sich unbeschwert ein Stück Fleisch zu gönnen. Zweite Variante: schönreden, nach dem Motto «so viel Fleisch esse ich gar nicht». Was sind schon ein Schinkenbrot zum Znüni und Spaghetti Bolognese zum Mittagessen? Schon ist im Gehirn wieder der Normalzustand hergestellt.
Die Gedankentrickserei funktioniert nicht mehr, wenn man direkt mit der veganen Lebensweise konfrontiert wird. Man fühlt sich verurteilt, das stresst und macht wütend. Ausweg? Die Schuld für die unguten Gefühle schiebt man auf die ­Besseresser. Das löst den inneren Konflikt – und ist obendrein viel einfacher, statt das gewohnte Verhalten zu ändern und den eigenen Fleischkonsum zu reduzieren.

Wohlstandverwahrloste Wichtigtuer, Weltverbesserer, sektenartige Extremisten – Veganerinnen und Veganer müssen sich so einiges anhören. Und das, obwohl die Klimadebatte heiss läuft und Studien belegen, dass eine pflanzliche Ernährung das Risiko von Herzkrankheiten und Krebs senkt. Warum Veganismus trotzdem mitunter so verhasst ist? Die negative Haltung gegenüber Veganerinnen und Veganern gründet oftmals nicht auf rationaler Kritik. Sie ist die Folge irrationaler psychologischer Abwehrreflexe. Erklären lässt sich dieses Phänomen mit dem Meat-Paradox. Gemeint ist der innere Konflikt, den Fleischesserinnen und Fleischesser erleben, wenn sie merken, dass ihre Ernährung nicht mit ihrer Tierliebe im Einklang steht. Diese sogenannte kognitive Dissonanz verursacht Stress. Glücklicherweise kennt unser Gehirn ein paar Tricks, um diese Unausgeglichenheit wieder aufzulösen. Eine Variante: die Realität der Fleisch- und Milchproduktion komplett ignorieren, um sich unbeschwert ein Stück Fleisch zu gönnen. Zweite Variante: schönreden, nach dem Motto «so viel Fleisch esse ich gar nicht». Was sind schon ein Schinkenbrot zum Znüni und Spaghetti Bolognese zum Mittagessen? Schon ist im Gehirn wieder der Normalzustand hergestellt.
Die Gedankentrickserei funktioniert nicht mehr, wenn man direkt mit der veganen Lebensweise konfrontiert wird. Man fühlt sich verurteilt, das stresst und macht wütend. Ausweg? Die Schuld für die unguten Gefühle schiebt man auf die ­Besseresser. Das löst den inneren Konflikt – und ist obendrein viel einfacher, statt das gewohnte Verhalten zu ändern und den eigenen Fleischkonsum zu reduzieren.

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Tofu, Tempeh und Co.

Eines der wohl vielseitigsten Produkte aus der veganen Küche ist Tofu. Kein Wunder passt der Quark aus Sojamilch auch zur Grillsaison. Das Vorurteil, er schmecke nach nichts, hält sich hartnäckig. Fakt ist: Wer Tofu auf den Rost legt, darf keine Geschmacksexplosion erwarten. Aber er kann würzige Marinaden aufsaugen. Und Räuchertofu gibt es ja auch noch. Die gesündere und vollwertigere Version von Tofu ist Tempeh. Es enthält ganze fermentierte Sojabohnen und damit mehr Ballaststoffe. Auch ist es in seiner Konsistenz fester. Perfekt, um die Stückchen aufzuspiessen.

Viele Fleischersatzprodukte bestehen auch aus dem weniger bekannten Seitan. Dabei handelt es sich um 100 Prozent Weizengluten. Gut zu wissen für alle Grillfreunde: In Geschmack und Konsistenz kommt Seitan dem Fleisch sehr nahe – und ist flexibel einsetzbar. Aus Seitan lassen sich Nuggets, Bällchen oder Steaks formen. Allerdings enthält Weizengluten keine nennenswerten Nährstoffe.

Foto: Getty Images

Der neueste Streich der Lebensmittelindustrie heisst Mykoprotein. Er wird aus Pilzeiweiss gewonnen und ist auf dem Markt als Quorn bekannt. Echt im Geschmack, echt in der Konsistenz und damit perfekt geeignet für den Grill.

Noch etwas Zukunftsmusik ist Fleisch, das aus dem Labor kommt, sogenanntes In-vitro-Fleisch. Es wird aus tierischen Stammzellen gezüchtet. Diese stammen aus dem Muskelgewebe von lebenden Tieren. In den USA und Asien lassen sich damit echte grillierte Burger ohne schlechtes Gewissen geniessen. In Europa gibt es noch keine Zulassung dafür. Aber woher kommt die Idee für Tofu-Bratwürste, Tempeh-Spiessli oder Seitanschnitzel?

Wer hats erfunden?

Was heute in vieler Munde ist, hat ­seinen Ursprung im alten China zur Zeit der späten Han-Dynastie 206 v. Chr. bis 220 n. Chr. «Die Gerichte mit Fleischimitat werden vor allem mit buddhistischen Klöstern in Verbindung gebracht», so Fuchsia Dunlop, Expertin für chinesisches Essen, im «Vice»-Magazin. «Obwohl die Mönche selbst nur einfache, vegetarische ­Speisen assen, mussten sie auch Be­sucher bewirten, zum Beispiel Schirmherren oder Pilgerer.»

Darum hätten sie klassische Fleischgerichte kopiert und Fleisch und Fisch durch Gemüse, Tofu oder Gluten ersetzt. Früher galten Fleisch und Fisch als Luxus. Wer über beschränkte Mittel verfügte und trotzdem Gebratenes erleben wollte, ­wurde kreativ. So entstanden auch Fleisch­ersatzprodukte wie das Sellerie- oder Steckrübenschnitzel. Paniert und gebraten ist es dem Wiener Schnitzel nachempfunden.

Heute liegen die Beweggründe für Fleischalternativen woanders. Was wir essen, hängt von einer Vielzahl von Kriterien ab. Entscheidend sind nicht mehr nur Energieaufnahme, Gesundheit, Geschmack und Preis. Im Fokus steht der Klimawandel, der schonende Umgang mit knappen Ressourcen oder das Tierwohl. Sowieso: Im Zeitalter von Social Media sind Essen, Ernährung und Kochen zum Lifestyle geworden. Wer statt ein Rinds- ein Erbsenpatty zur Grillparty mitbringt, wird nicht mehr belächelt, sondern erntet interessierte Nachfragen.

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