Radikaler Lifehack
Was hat es mit dem Wein im Mixer auf sich?

Auf Social Media tummeln sich praktische Tipps für den Alltag, die vor Wein nicht haltmachen. Zahlreiche Videos widmen sich dem angeblichen positiven Effekt, der das beliebte Küchengerät auf Rotwein haben soll. Höchste Zeit, ein kritisches Auge darauf zu werfen.
Publiziert: 27.06.2023 um 14:28 Uhr
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Isabelle Thürlemann-BriggerRedaktorin Wein

Der Mixer-Trick hat es auf die Gerbstoffe (Tannine) und das Bukett abgesehen. Deshalb lohnt es sich, etwas auszuholen, um den Vorgang besser zu verstehen.

Die Krux mit dem Tannin

Tannine sind beim Weintrinken für das trockene, pelzige Gefühl auf der Zunge verantwortlich. Sie kommen in der Haut, den Kernen und dem Stiel der Traubenbeeren von Natur aus vor und werden bei der Weinbereitung auf den Most übertragen. Auch beim Ausbau und der Reife des Weins in Holzfässern gelangt eine kleine Menge Tannin vom Holz in den Wein. Rotweine haben einen weit höheren Anteil an Tannin, als Weiss- oder Roséwein, weil die Vinifikation darauf ausgerichtet ist, dass der Most über einige Tage bis Wochen mit der Maische in Kontakt bleibt.

Im Laufe der Zeit bauen sich Gerbstoffe langsam ab, indem sie sich zu Ketten zusammenschliessen. In dieser Form werden sie im Gaumen weicher wahrgenommen. Dieser Prozess lässt sich durch Sauerstoff beschleunigen. Wenn wir einen Wein stark im Glas schwenken oder im Sturz in eine bauchige Karaffe füllen, sodass sich Bläschen bilden, kommt ein grosser Teil der Weinoberfläche mit Luft in Kontakt. Auf diese Weise verbinden sich die Tannine und sie wirken geschmeidiger. Ausserdem öffnen sich die Aromen – das Gewächs wird zugänglicher.

Der Mixer-Trick hat es auf die Gerbstoffe (Tannine) und das Bukett abgesehen.
Foto: Getty Images
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Mehr ist nicht immer besser

Hier setzt der Kniff mit dem Mixer an. Statt den Wein im Glas zu schwenken oder in einer Karaffe zu belüften, soll es das Gerät in ein paar Sekunden richten. Die Idee, ein der Natur mühsam abgewonnenes Produkt in eine Maschine zu verfrachten und es zentrifugalen Kräften auszusetzen, erscheint frevelhaft. Wenn der Probierschluck enttäuscht und es eilt, geht bei einem preisgünstigen, jungen Rotwein mit sehr viel unreifem Tannin Probieren über Studieren. Kandidaten für eine Schleuderpartie sind Weine aus tanninstarken Rebsorten, unter anderem Cabernet Sauvignon, Carignan, Nebbiolo, Syrah oder Tannat.

Wichtig ist, dass das Prozedere nur ganz kurz, etwa 10 Sekunden dauert. Zu viel Luft kann kontraproduktiv sein und dazu führen, dass sich die Aromen verflüchtigen und nur noch ein fades Wässerchen übrigbleibt. Zudem ist darauf zu achten, dass der Mixer keine Fremdgerüche angenommen hat. Bei hochwertigen, gereiften oder delikaten Weinen wie Pinot noir oder Gamay ist von der brachialen Methode inständig abzuraten.

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