Die bessere Rose
Am Valentinstag sollte man Tulpen verschenken – wir sagen wieso

Rosen? Wie langweilig! Tulpen sind viel wilder und lebendiger. Zudem liegt in ihrer Geschichte mehr Drama, mehr Katastrophe und Triumph. Eine Liebeserklärung an eine Blume.
Publiziert: 13.02.2023 um 10:40 Uhr
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Aktualisiert: 13.02.2023 um 10:49 Uhr
Ein Tulpenstrauss macht sich auf jedem Tisch schön.
Foto: Getty Images
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Daniel Arnet

Zurzeit weltweit: Pärchen bekräftigen ihren Bund mit bunten Blumensträussen. Denn der 14. Februar ist Gedenktag des heiligen Valentin (226–269), Schutzpatron der Verliebten – und die sagen sich am liebsten durch die Blume, wie gern sie sich haben: Über zwei Drittel der Valentinsgeschenke stammen von Floristinnen, und von ihnen wollen insbesondere Männer nur das eine für die Angebeteten: die Königin der Blumen, die Rose. 110 Millionen Stück gehen an einem Valentinstag global gesehen über Ladentische.

Die Tulpe bleibt ewige Zweite: Dort die noble Rose, da die plumpe Tulpe; jenseits der gepflegte Rosengarten, diesseits das bäurische Tulpenfeld. «Sie ist auf Rosen gebettet», sagt der Volksmund über eine begüterte Dame. «Er ist eine Tulpe», meint dagegen einen sonderbaren Herrn. Und was sind «tausend rote, tausend gelbe, alle wünschen dir dasselbe» aus dem Schlager «Tulpen aus Amsterdam» (1956) gegenüber einem «blüh'n für dich allein so schön, weisse Rosen aus Athen», gesungen von Nana Mouskouri in ihrem Nummer-1-Hit von 1961?

«Wie eine Lilie unter Dornen»

Schon das biblische «Hohelied Salomos» verehrt eine Rose, «die Rose von Scharon». Seither ist die Wendung Inbegriff für höchste Wertschätzung in Musik und Dichtung. Kate Bush (64) besingt «the Rose of Sharon» in «The Song of Solomon», Bob Dylan (79) nimmt im Lied «Caribbean Wind» auf sie Bezug, John Steinbeck (1902–1968) beschreibt sie in seinem Roman «Früchte des Zorns», und Claudio Monteverdi (1567–1643) komponiert für sie die einstimmige Motette «Ego flos campi et lilium convallium».

Wie lässt sich da ein Loblied auf die Tulpe singen, ja nur schon ihre Ehre retten? Indem man aufzeigt, dass die Rose eine Tulpe ist. Denn wie heisst es im «Hohelied» wörtlich: «Ich bin eine Blume in Scharon und eine Lilie im Tal. Wie eine Lilie unter den Dornen, so ist meine Freundin unter den Mädchen.» Genau: Die «Blume in Scharon» ist ein Liliengewächs wie die Tulpe und kein blühendes, dorniges Gestrüpp wie die Rose. «Die Blumen sind aufgegangen im Lande, der Lenz ist herbeigekommen», heisst es weiter über die Frühlingsblume Tulpe, «und die Turteltaube lässt sich hören in unserem Lande.»

Ein Hohelied auf die Tulpe! «In diesem glücklichen Augenblick spürte ich eine Leidenschaft in mir, die sich schon länger angekündigt hatte», schreibt die englische Gartenkoryphäe Anna Pavord (82) in ihrem Standardwerk «Die Tulpe» über den Moment, als sie die Leidenschaft für diese Blume entdeckte. «Ich kann mir vorstellen, dass es ein oder zwei Leute auf der Welt gibt, die darauf beharren, keine Tulpen zu mögen, doch das scheint mir beinahe eine Verirrung zu sein.»

Schweizer beschreibt erste Tulpe Europas

Wie bei jeder anderen Liebe auch, stelle sich nach der anfänglichen Verliebtheit der Wunsch ein, mehr über das Objekt seiner Leidenschaft zu erfahren, so Pavord weiter. Und: «Von der Tulpe wird man nicht enttäuscht.» Denn in ihrer Geschichte gebe es mehr Rätsel, Dramen, Ausweglosigkeiten, Katastrophen und Triumphe, als ein betörter Liebhaber wohl erwarten könne. Und das, obwohl die aus unzugänglichen Steppen und Bergregionen Mittelasiens stammende Tulpe noch keine 500 Jahre in unseren Gärten Blüten treibt.

Ein Schweizer ists, der Zürcher Arzt und Botaniker Conrad Gesner (1516–1565), der 1559 im prächtigen Garten des Augsburger Musikaliensammlers Johannes Heinrich Herwart (1520–1583) eine Tulpe sieht und in einem zwei Jahre später veröffentlichten Buch die leuchtend roten Blütenblätter und ihren sinnlichen Duft beschreibt – das erste Zeugnis vom Auftreten der Blume in Westeuropa. Die Tulpe, so schreibt er, ist «aus einem Samen gewachsen, der aus Konstantinopel oder, wie andere sagen, aus Kappadokien gekommen war».

Kappadokien und Konstantinopel – das heutige Istanbul – sind in der Türkei, wo die Tulpe Nationalblume ist. Lale heisst sie dort, was im Sanskrit-Wort «lâl» für «rot» wurzelt. «Tulipa turcarum» nennt sie der französische Diplomat und Botaniker Ogier Ghislain de Busbecq (1522–1592), der erstmals Tulpenzwiebeln von dort nach Europa bringt – die Blütenform erinnerte ihn offenbar an die türkische Kopfbedeckung «Tülbent» für Frauen. Dass «Tülbent» wiederum auf das persische «Delband» für «Geliebte» zurückgeht, ist rückblickend als Fingerzeig für die kommende Entwicklung zu deuten.

Eine Tulpenzwiebel, so teuer wie ein Haus

Denn im 17. Jahrhundert verlieben sich Holländer närrisch in die Blume, und südlich von Haarlem gründen erste Tulpenzüchter ihre Pflanzschulen. Aus Rausch wird Wahn: Die Händlernation beginnt mit seltenschönen Tulpenzwiebeln zu spekulieren. Auf dem Höhepunkt 1637 kostet eine Knolle der Züchtung «Semper Augustus» so viel wie ein teures Haus an den Kanälen der Amsterdamer Innenstadt – samt Kutscherhaus und Garten. Doch dann stürzen die Preise ein: das erste Beispiel für das Platzen einer Börsenblase.

Heute lohnt sich der Handel mit Tulpen wieder: Neben rund 150 Wildtulpensorten gibt es über 5000 Züchtungen mit so stolzen Namen wie «Bird of Paradise», «Dutch Gold» oder «Queen of Night» von zartrosa über gelb, orange und rot bis fast schwarz. Da wird jeder Florist schwach: «Der Rosenkavalier geht fremd», titelte kürzlich die «Aargauer Zeitung» über einen Rosenzüchter, der nun auch Tulpen verkauft. «Der Anbau von Rosen ist nicht mehr lukrativ», zitiert ihn die Zeitung. «Tulpen eignen sich ideal, um sie im Winter in unseren Breitengraden anzubauen.» Und dann erfreuen sie uns von Januar bis Juni.

Zurück zu den eingangs erwähnten Schlagern aus der Mitte des letzten Jahrhunderts: «Weisse Rosen aus Athen sagen dir: ‹Komm recht bald wieder›», singt Mouskouri. Und was bringen unsere Liliengewächse zum Ausdruck? «Was mein Mund nicht sagen kann, sagen Tulpen aus Amsterdam.» Ist das nicht poetischer, geheimnisvoller und vor allem viel hilfreicher? Denn ein dürres «Komm recht bald wieder» bringt wohl jede und jeder über die Lippen.

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