Hokuspokus oder sechster Sinn?
Sind Schamane Scharlatane?

Warum haben schon unsere Urahnen gewusst, wie Heilpflanzen wirken? Warum haben Tiere den Tsunami vorausgeahnt? Offenbar gibt es einen „sechsten Sinn“. Doch wie könnte der funktionieren?
Publiziert: 18.01.2018 um 11:36 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 16:15 Uhr
Werner Vonbtobel

Schon der römische Schriftsteller Plinius der Ältere wusste, dass unruhige Vögel ein klares Vorzeichen für ein kommendes Erdbeben seien. Dass beim Tsunami von 2004 tausende von Menschen umkamen, sich die Tiere aber nicht überraschen liessen, ist ein weiteres klares Indiz. «Vorahnungen von Tieren können von der Wissenschaft nicht als Erfindung abgetan werden, dafür gibt es einfach zu viele Berichte über sie», meinte Helmut Tributsch, Professor für physikalische Chemie an der Freien Universität Berlin, gegenüber dem Spiegel.

Doch wenn schon Tiere Wissen gleichsam aus dem All abrufen, warum sollten des die Menschen nicht auch können? Die Frage ist uralt und die Antwort war schon immer klar: Alle alten Kulturen hatten ihre Schamanen, die sich durch Tanz, Musik, Meditation und Drogen in einen ekstatischen Zustand brachten, um so mit den «Geistern» in Verbindung zu treten. Der Religionshistoriker Mircea Eliade schreibt über eine typische schamanische Sitzung: «Handelt es sich um eine Krankheit (...), gelangt der Schamane nur durch seine ekstatischen Fähigkeiten, und nicht etwa durch Überlegungen aufgrund seines profanen Wissens zu Diagnose.»

Schamane werden salonfähig

Die Vorstellung, dass speziell veranlagte Menschen ausserirdisches Wissen abrufen können, geriet mit der Aufklärung zunehmend in Misskredit und galt als heidnischer Aberglaube. Man wusste es jetzt besser. Doch die Entdeckung der Quantenphysik und die Fortschritte der Hirnforschung haben diese aufgeklärten Gewissheiten erschüttert: Der Schamane ist wieder salonfähig.

Die Praxis von Schamanen stehen oft in einer Jahrtausende alten Tradition. Welche Wirkung hat sie Wirklich?
Foto: Thinkstock Images

Einer von ihnen, Alberto Villoldo, hat die Wirkungen der Energieheilung an der State University of California im Labor untersucht. Zusammen mit dem Neurologen Dr. David Perlmutter hat er ein Buch geschrieben, in dem die beiden versuchen, den Schmanismus wissenschaftlich zu erklären. Das geht in etwa so: Die Quantenmechanik lehrt uns, dass alles miteinander verbunden ist, dass das, was uns als Materie erscheint, nur Energiebündel in einem universellen Energiefeld sind. In diesem sind auch alle Informationen enthalten. Sogar die künftigen, denn Zeit ist aus quantenmechanischer Sicht eine Illusion.

Schamane mit Zertifikat - Renato Simonelli

Der Aroser Renato Simonelli scheffelte als Geschäftsmann Millionen – und geriet in einen Drogensumpf aus Ecstasy und Kokain. Heute lebt er als Schamane in Kolumbien und sagt, dass ihn ein Lianentrunk gerettet habe. Hier weiter lesen.

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Verborgene Energiefelder erfassen

Alle Lebewesen können mit ihren Sinnesorganen nur einen winzigen Teil aller Energiefelder bewusst erfassen, und die entsprechenden Informationen verarbeiten. Wenn wir nun, so die These, durch Meditation oder Trance unser Gehirn auf eine höhere Ebene bringen, es von den täglichen Sorgen entlasten, dann bekommen wir (bzw. die Schamanen) Zugang zu anderen Energiefeldern und zum Wissen, das in ihnen verborgen ist.

Dabei hilft uns der Umstand, dass nicht die rund 100 Milliarden Nervenzellen unseres Hirns die Basiseinheit unsere Informationsverarbeitung sind, sondern die 100 Millionen Mikrotubuli in jeder Nervenzelle. Das ist zumindest die These des Gehirnforschers Stuart Hameroff und des theoretischen Physikers Roger Penrose.

Woher kommt unerklärliches Wissen?

100 Milliarden mal 100 Millionen! Wenn wir nun mit dieser unvorstellbaren Rechenleistung Zugang zum universellen Energie- und Informationsfeld haben, dann ist es zumindest denkbar, dass wir die Schwingungen von (gesunden und kranken) Organen und von Pflanzen erkennen können. So sagen etwa die Schamanen des Amazonas, dass sie von den Brechnusspflanzen selbst die Information bekommen haben, wie man aus ihnen das Pfeilgift Curare herstellt. Oder es könnte erklären, warum Schamanen des westafrikanischen Stamms der Dogon von der Existenz des von blossem Auge nicht sichtbaren Sirius-B- Stern wussten, lange bevor dieser offiziell entdeckt wurde.

Auch das Jahrtausende alte Wissen um die spezifischen Kräfte von tausenden Kräutern könnte auf diese Weise zustande gekommen sein. Die Alternative wäre Erfahrungswissen - Versuch und Irrtum, «evidenzbasierte» Medizin. Doch das ist im Falle von Curare sehr unwahrscheinlich, dazu ist der Herstellungsprozess ist viel zu komplex. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass die Äbtissin Hildegard von Bingen, die vor rund 900 Jahren unter anderem über Pflanzenheilkunde schrieb, ihre Erkenntnisse mit göttlichen Visionen begründete – was von den Kirchenoberen mit einer Migräne weg erklärt wurde.

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Robert Franz mit blauen Haaren
Seriöser Gesundheits-Guru oder Scharlatan?
www.robert-franz-gesundheit.tv

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Weiter offene Fragen

Klar: All das sind Spekulationen, die wir, weil geeignete Messgeräte fehlen, (noch) nicht überprüfen können. Die Thesen von Penrose und Hameroff sind unter Fachkollegen nicht unumstritten und auch über Villoldo und Perlmutter (der Kommerz und Wissenschaft oft nicht sauber trennt) kann man im Internet kritische Stimmen abrufen. Doch die Vorstellung, dass es einen sechsten Sinn gibt, mit dem wir auf ein «quantenmechnisches» Wissen zugreifen können, ist nicht einfach von der Hand zu weisen. Wer behauptet, Schamane seien alles Scharlatane, macht sich die Sache viel zu einfach.

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