Fix zur Gesellschaft
Und plötzlich wollte ich nicht mehr hin

Der erste Schultag ist etwas Besonderes. Das war er für unsere Autorin auch. Trotzdem wollte sie danach nicht mehr hingehen. Und hat ihren Eltern deswegen ganz schön viele Sorgen bereitet.
Publiziert: 08.08.2020 um 14:00 Uhr
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Aktualisiert: 08.08.2020 um 14:17 Uhr
Alexandra Fitz

Sie wissen ja ziemlich viel von mir. Aber eine Sache habe ich Ihnen noch nicht erzählt. Die Sache mit der Schule. Ja, ich war auf einer Schule. Auf ziemlich vielen sogar. Man kann die Geschichte so oder so erzählen. Version 1: Ich war eine schwierige und schlechte Schülerin. Ich bevorzuge Version 2: Ich konnte mich nicht entscheiden und wollte mir so viele wie möglich ansehen. Für meine Eltern spielten die Schulwechsel wohl keine grosse Rolle, sie waren bloss froh, dass ich überhaupt zur Schule ging.

Es ist heute noch die liebste Geschichte meines Vaters, wenn er in einer Runde sagt: «Ah, war das da, als du nicht mehr zur Schule bist?» Die Anwesenden schauen dann verdutzt und fragen: «Wie nicht mehr zur Schule?» Ich lehne mich dann zurück und sage: «Ich wollte halt nicht mehr hin.»

Es war in der 1. Klasse, als ich von heute auf morgen nicht mehr in die Schule wollte. Meine Eltern haben alles versucht: gut zureden, herausfinden, ob etwas passiert war, ob ich gemobbt wurde. Auch meine Klassenlehrerin, Katrin, die ich so gerne hatte, besuchte mich zu Hause und redete mir gut zu. Irgendwann, die Geduld meiner Eltern war schliesslich auch einmal dem Ende zugeneigt, wurden härtere Geschütze aufgefahren. Ich durfte nicht mehr aus dem Zimmer. Nur zum Essen (wobei ich mir da nicht mehr so sicher bin). Und man nahm mir das Allerliebste: mein Radio. Vater sagt dazu: «Einmal erwischte ich sie, wie sie aus dem Zimmer in die Garage geschlichen ist und vor dem Radio stand. Sie streichelte das Radio und sagte: Bald, bist du wieder bei mir.»

Alexandra Fitz, stv. Leiterin SonntagsBlick Magazin.
Foto: Thomas Meier

Bei den ersten Versuchen, mich zur Schule zu transportieren und mich aus dem Auto zu schleifen, zerkratzte ich meiner Mutter die Hände. (Mama, das tut mir wirklich leid!) Ich verstehe, weshalb man mich da zum Schulpsychologen schickte. Eine Schulverweigererin, die mit einem Rundfunkempfangsgerät spricht und gewalttätig ist.

Von der Sitzung weiss ich kaum mehr etwas. Ich musste viel zeichnen und fragte meinen Vater anschliessend: «Warum genau muss ich zu diesem Mann?» Am besten war aber die Episode an der Türe. Als wir hinaustraten, stand da ein Mitschüler. Manuel E. Als sich unsere Blicke trafen und wir beide realisierten, dass wir uns gerade gegenseitig beim Schulpsychologen erwischen, starrten wir uns erst an, um dann verschämt auf den Boden zu schauen. Von diesem Tag an war Manuel E. nett zu mir und führte sich nicht mehr auf wie der grösste Depp. Schliesslich hatte ich etwas gegen ihn in der Hand. Und er gegen mich.

Heute weiss keiner aus der Familie mehr so genau, wie lange ich der Schule fernblieb. Aber es war lange genug, dass die Schulleitung anrief, um meinen Eltern zu verkünden, dass ich, wenn ich nicht bald wieder antrabe, das Schuljahr wiederholen müsse.

Dazu kam es nicht. Irgendwann ging ich wieder hin. Gerne sogar. So gerne, dass ich auf vielen verschiedenen Schulen war.

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