BLICK auf die USA: US-Korrespondent Nicola Imfeld über die Rassismus-Proteste in Amerika
Die grosse Täuschung der Demokraten

Jede Woche schreibt USA-Korrespondent Nicola Imfeld in seiner Kolumne über ein Thema, das jenseits des Atlantiks für Aufsehen sorgt. Heute geht es um die neuen Rassismus-Proteste in Amerika und die leeren Versprechen der Demokraten.
Publiziert: 28.08.2020 um 05:05 Uhr
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Aktualisiert: 04.09.2020 um 04:45 Uhr
Nicola Imfeld aus San Diego (USA)

Amerika brennt wieder! Der Fall des afroamerikanischen Jacob Blake (29), der in Kenosha von drei weissen Polizisten niedergeschossen wurde, sorgt für eine neue Protestwelle: Auf den Strassen der Stadt in Wisconsin kommt es zu wüsten Ausschreitungen mit Todesopfern, der US-Sport macht mit einem Mega-Boykott von sich reden und die Parteien versuchen, das Rassismus-Drama politisch auszunutzen.

Dieser Polizist schoss sieben Mal auf Jacob Blake
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US-Stadt brennt nach Gewalt:Von Polizist niedergeschossen – Opfer (29) gelähmt

US-Präsident Donald Trump (74) und seine Republikaner wählen dieselbe Strategie wie schon nach dem Fall von George Floyd (†46). Sie thematisieren die Unruhen in den Städten und versuchen so, ein Bild von ausschliesslich gewaltsamen Demonstranten zu zeichnen. Eine Rassismus-Debatte wollen die Republikaner nicht führen. Ihr Standpunkt: Es gibt gute und schlechte Menschen, also gibt es auch nette und böse Polizisten.

Nicola Imfeld, USA-Korrespondent der Blick-Gruppe
Foto: Zvg
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Die Demokraten aber preschen vor. Wie bereits im Frühsommer bei den landesweiten Massenprotesten, anerkennen sie den systematischen Rassismus und geloben Besserung. Das macht politisch Sinn: Die Demokraten sind bei den Afroamerikanern wesentlich beliebter als die Republikaner. Neun von zehn Schwarzen haben 2016 Hillary Clinton (72) gewählt.

Der jetzige Präsidentschaftskandidat Joe Biden (77) weiss also genau, dass er die Afroamerikaner braucht, um im November gegen Trump überhaupt eine Chance zu haben. Doch verdienen die Demokraten auch die Unterstützung der Schwarzen, die rund 15 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen?

Versprechen nie eingelöst

Die Demokraten haben die Afroamerikaner getäuscht, wenn man die Partei an ihren Taten misst. Gewiss: Sie finden stets nette Worte, versprechen auch jetzt wieder Polizeireformen, wirtschaftliche Unterstützung für benachteiligte Nachbarschaften und weitere Programme. Tatsache ist aber: Ähnliche Versprechen wurden auch schon gemacht. Nur eingelöst wurden sie nie.

Klar: Amerika ist eine Demokratie, die Liberalen können in Washington nicht in Alleinherrschaft regieren. Doch das darf keine Ausrede für die alten Hasen der Partei sein: Nancy Pelosi (80), Chuck Schumer (69) und Co. politisieren seit Jahrzehnten in der Hauptstadt. Sie haben demokratische Präsidenten und demokratische Mehrheiten im Kongress miterlebt. Und trotzdem kaum etwas bewirkt.

Ein weiteres Beispiel für das Versagen der Demokraten sind die Grossstädte Amerikas: Chicago, New York, Los Angeles – allesamt Metropolen, die von Liberalen regiert werden. Die Politiker versprechen den Wählern seit Jahren vollmundig Polizeireformen und andere Gesetze. Fakt ist, dass in keiner dieser Städte je eine weitreichende Polizeireform verabschiedet wurde.

Miese Bilanz für Joe Biden und Kamala Harris

Jetzt im Wahljahr, und in Zeiten von sozialen Unruhen, überbieten sich die Demokraten mit Versprechen. Präsidentschaftskandidat Joe Biden (77) kämpft an vorderster Front um die Gunst der Afroamerikaner. Doch wie sieht seine Vergangenheit aus?

  • Biden hat in den 1970er-Jahren wiederholt gegen zusätzliche finanzielle Mittel für Schulbusse gestimmt, die die rassistische Trennung von schwarzen Kindern hätte beenden sollen.
  • Biden hat 1987 fälschlicherweise behauptet, an einem Marsch der Bürgerrechtsbewegung teilgenommen zu haben. Seither hat er diese Lüge mehrfach wiederholt.
  • Biden hat 1994 ein Kriminalgesetz des demokratischen Präsidenten Bill Clinton (74) unterstützt, das nachweislich die afroamerikanische Gemeinschaft benachteiligt hat. Das Gesetz von Clinton hat Historikern zufolge republikanische Programme aus den Ronald-Reagan-Zeiten, die Masseninhaftierungen von Schwarzen zur Folge hatten, weiter verstärkt.
  • Biden hat während den Vorwahlen 2020 behauptet, bei einem Staatsbesuch in Südafrika verhaftet worden zu sein. Er behauptete, bei seinem Versuch Nelson Mandela zu treffen, vorübergehend ins Gefängnis gesteckt worden zu sein. Eine Lüge. Biden Wahlkampagne hat sich im Februar dafür entschuldigt.

Auch Kamala Harris (55), Bidens Vize-Kandidatin, passt da ins Bild: Sie verspricht eine weitreichende Polizeireform. Doch als Staatsanwältin von Kalifornien hat sie sich mit der Zahl steigender Verurteilungen und Anklagen gerühmt. Oft waren davon ärmliche, afroamerikanische Nachbarschaften betroffen. Hat das Kamala Harris damals gestört? Falls ja, dann hat sich nichts dagegen unternommen.

Umfragen: Schwarze wandern ins Trump-Lager

Einige Afroamerikaner haben genug von der Partei, die sie immer wieder verraten hat. Aktuelle Umfragen lassen vermuten, dass die Demokraten bei weitem nicht mehr auf die rund 90 Prozent von 2016 herankommen werden. Jeder sechste Schwarze soll demnach für Donald Trump abstimmen.

Es wäre eine Ohrfeige für die Demokraten. Ausgerechnet Trump – Biden hatte ihn kürzlich als den «ersten Rassisten» bezeichnet, der es ins Weisse Haus geschafft hat. Dass schon Männer im Oval Office regierten, die auch Sklaven besassen, hat er ausgeblendet. Doch letztlich wäre es nicht Donald Trump zuzuschreiben, sollten sich die schwarzen Wähler im November tatsächlich von den Demokraten ein Stück weit abwenden. Es wäre die Konsequenz für die Verarsche in den letzten Jahrzehnten.

Nur weil der Amtsinhaber und dessen Partei keine Alternative für die Afroamerikaner im Kampf gegen Rassismus sind, darf Joe Biden weiter hoffen. Verdient hätte er die Unterstützung nicht.

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