«Mein Freund (58) telefoniert mehrmals täglich mit seiner Ex»
Diese Liebe tut Ihnen nicht gut

Mein Freund (58) hat immer noch engen Kontakt zu seiner Ex. Wenn ich (55) ihn besuche, verschwindet er regelmässig auf dem Klo, um lange mit ihr zu telefonieren, oft mehrmals pro Tag. Mich stört das, aber er findet, ich hätte ein Eifersuchtsproblem. Liege ich falsch?
Publiziert: 28.05.2022 um 17:52 Uhr
Thomas Meyer

Das Hauptproblem an dieser Situation besteht wohl darin, dass Sie sich allen Ernstes fragen, ob Sie falsch liegen. Nein, natürlich nicht! Es ist vollkommen richtig, sich an diesem rücksichtslosen, ja erniedrigenden Verhalten zu stossen. Falsch ist einzig, es zu erdulden – und den Fehler auch noch bei sich zu suchen.

Ihr Freund ist – für diese Einschätzung genügt Ihre kurze Beschreibung – ein waschechter Egoist und obendrein ein Rüpel. Wenn man Besuch hat, geht man nicht telefonieren, das ist ohnehin unanständig. Ist es aber die Partnerin, die einen besucht, und gilt der Anruf deren Vorgängerin, und ist das zu allem Übel auch noch normal, darf von Untreue gesprochen werden. Es wäre nicht verwunderlich, wenn auch der fleischliche Umgang zwischen den beiden nie ein Ende gefunden hätte und die Hauptfrau Sie nur als Nebenfrau duldet, weil sie diesem Pascha und seinem wunderlichen Selbstverständnis ebenso erlegen ist wie Sie.

Das wissen Sie aber alles schon längst. Sie wissen sehr genau, mit wem Sie es hier zu tun haben und wie sich das anfühlt. Sie wissen auch, dass Sie sich dringend trennen müssten. Die Frage ist, warum Sie das nicht tun. Sie werden nun vermutlich antworten, dass Sie diesen Mann eben liebten und keine Lust hätten, sich in Ihrem Alter nochmals zu trennen. Aber sind das wirklich gute Gründe, sich all das anzutun? Überzeugt Sie das wirklich?

Besucht einen die Partnerin und gilt der Anruf deren Vorgängerin, und ist das zu allem Übel auch noch normal, darf man von Untreue sprechen.
Foto: Getty Images

Dass wir jemanden lieben, darf niemals ein Argument dafür sein, etwas auszuhalten, das uns nicht guttut. Dann geht es nämlich gar nicht um Liebe, sondern um Abhängigkeit, der wir bloss ein schönes Wort geben, um uns nicht mit unseren Defiziten beschäftigen zu müssen. Es ist ein fauler Handel, den Sie da eingegangen sind: Vermeidung von Einsamkeit zum Preis des Selbstverrats. Vielleicht überlegen Sie sich das nochmals.

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