Meyer rät: Warum Gender-Sprache sinnvoll ist
«Achtung vor allen Existenzformen»

Der ganze Gender-Wahnsinn ist völlig übertrieben! Am Ende darf man überhaupt nichts mehr sagen.
Publiziert: 12.02.2022 um 19:18 Uhr

Sie übertreiben hier selbst, indem Sie ein völlig unrealistisches Extrem skizzieren – «man darf nichts mehr sagen» – und als sachliches Argument ins Feld führen. Ausserdem ist «Wahnsinn» ein Begriff aus der Psychiatrie, der einen krankhaften Zustand beschreibt. Reagieren Sie immer so, wenn Ihnen eine Meinung oder Forderung nicht in den Kram passt?

Sie scheinen zu übersehen, dass die Sprache bisher stark männlich geprägt war. Ein einziger Lehrer konnte aus einer Gruppe von neun Lehrerinnen «zehn Lehrer» machen. Computer hatten ausschliesslich «Benutzer», und in der gespeicherten Mediathek waren nur «Künstler» vertreten. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, dass Lehrerinnen, Benutzerinnen und Künstlerinnen ständig und überall das Gefühl hatten, Menschen zweiter Klasse zu sein. Die Rede war praktisch immer nur von ihren männlichen Kollegen.

Indem nun immer mehr versucht wird, Frauen und alle anderen Geschlechter und Geschlechtsidentitäten sprachlich abzubilden, wird niemandem etwas weggenommen und erst recht niemandem etwas aufgezwungen oder gar verboten. Es geht lediglich darum, allen Menschen die gleichen Rechte zuzugestehen – auch das Recht auf schriftliche und mündliche Erwähnung. Das ist das einzige Bestreben dessen, was Sie als «Gender-Wahnsinn» bezeichnen: Achtung auszudrücken vor sämtlichen Existenzformen.

Ein einziger Lehrer konnte aus einer Gruppe von neun Lehrerinnen «zehn Lehrer» machen.
Foto: keystone-sda.ch

Das ist natürlich nur sinnvoll, wenn man diese Achtung überhaupt hat. Sie müssen nicht mitmachen bei der gendersensiblen Sprache oder überhaupt irgendeiner Sensibilität. Wenn es Ihnen so wichtig ist, nichts zu verändern, belassen Sie es eben beim generischen Maskulinum und nennen weiterhin alle Lehrpersonen «Lehrer». Damit halten Sie aber die weltweite Entwicklung nicht auf. Sondern nur Ihre persönliche.


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