Denkzettel für den Bündner Baukartell-Whistleblower
Gemeinde straft Adam Quadroni ab

Der Einheimische soll Boden, auf dem seine Familie eine Alphütte erbauen und den sie jahrzehntelang nutzen durfte, abgeben. Obwohl die Gemeindeversammlung von Valsot GR einer Verlängerung des Baurechtsvertrags zugestimmt hatte.
Publiziert: 01.09.2024 um 00:02 Uhr
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Aktualisiert: 01.09.2024 um 10:18 Uhr

Kurz zusammengefasst

  • Adam Quadronis Baurecht für Alphütte nicht verlängert
  • Beschluss der Gemeindeversammlung übergangen
  • Quadroni deckte 2012 illegale Preisabsprachen im Baukartell auf
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Andreas SchmidInlandredaktor

Am 14. Dezember 2020 haben die Stimmberechtigten von Valsot im Unterengadin an der Gemeindeversammlung entschieden: Sieben Familien dürfen weitere 30 Jahre Boden der Gemeinde im Baurecht nutzen, auf denen sie Alphütten erstellt hatten. Die Verträge von 1990 für die Parzellen wurden verlängert. Unter den Parteien sind auch Adam Quadroni (54) und seine Schwester, die wie die anderen für einen jährlichen Zins von 500 Franken in ihrem kleinen Heim oberhalb von Ramosch bleiben dürfen. Für die Gemeindeversammlung war die Verlängerung der Baurechtsverträge Formsache, das Traktandum gab wenig zu reden.

Doch für eine Partei gab es dennoch eine böse Überraschung. Adam Quadroni und seine Schwester erhielten einige Zeit später Post vom Gemeindepräsidenten Victor Peer, der forderte, sie müssten den Boden mit ihrer Alphütte zurückgeben. Nur sie – trotz Beschluss der Gemeindeversammlung, sämtliche Verträge zu verlängern.

Interesse nicht angemeldet

Quadroni und seine Schwester hätten es versäumt, ihr Interesse an der weiteren Nutzung der Parzelle mit ihrer Alphütte kundzutun, begründete der Gemeindepräsident das Vorgehen. Seltsamerweise erhielten sechs Familien, die eine Parzelle von Valsot im Baurecht belegen, ein Schreiben mit der Aufforderung, die Vertragsverlängerung zu bekräftigen. Eine Partei erhielt diesen Brief jedoch nicht: jene von Adam Quadroni. So jedenfalls stellt er es dar, weshalb er sich mit rechtlichen Schritten gegen den Entzug des Baurechts wehrte.

Adam Quadroni sieht im Vorgehen der Gemeinde eine Racheaktion.
Foto: Linda Käsbohrer
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Quadroni will wissen, dass der Gemeindepräsident schon im Vorfeld der Gemeindeversammlung zu Einheimischen gesagt habe, er werde dafür sorgen, dass Quadroni und seine Schwester die Parzelle abgeben müssten. Dabei habe er über die Jahre viel Zeit und Geld in seine Alphütte investiert, nach einer amtlichen Schätzung, die er selbst in Auftrag gegeben habe, sei diese 400'000 Franken wert.

Über den Streit wird nun Ende Jahr das Regionalgericht Prättigau Davos entscheiden, die Gemeinde will mit ihrem Anwalt die Absicht durchsetzen, Quadronis Vertrag nicht zu verlängern – obwohl das gleiche Gericht im vereinfachten Verfahren Quadroni recht gegeben hatte. «Das Insistieren der Gemeinde hängt mit einem Rachefeldzug gegen mich zusammen», sagt Quadroni. Er verweist darauf, dass er im Unterengadin weitherum als Nestbeschmutzer gelte, «weil ich das Baukartell auffliegen liess, von dem viele in der Region profitiert hatten».

Quadroni war 2012 an die Wettbewerbskommission (Weko) gelangt und hatte sie mit Hinweisen und Dokumenten bedient. Die Unterlagen zeigen, dass sich zahlreiche Firmen zwischen 2004 und 2012 an sogenannten Vorversammlungen einigten, welchem Unternehmen spätere Aufträge überlassen werden und welche Angebote eingereicht werden sollten. Dabei ging es um mehrere Hundert öffentliche und private Projekte mit einem Beschaffungsvolumen von mindestens 190 Millionen Franken.

Viele Fragen offen

Gemeindepräsident Victor Peer äussert sich nicht zu den Umständen, warum er Quadroni die Nutzung der Alphütte nicht mehr zugestehen will. Er lässt Fragen dazu unbeantwortet, weshalb Quadroni als Einzigem das Baurecht genommen werden soll, warum er den Entscheid der Gemeindeversammlung umstossen will und wie er persönlich zum Baukartell-Whistleblower steht.

Der ehemalige Bauunternehmer Quadroni war einst selbst an illegalen Preisabsprachen beteiligt gewesen, bevor er ausstieg und an die Weko gelangte. Diese büsste sieben Baufirmen im Jahr 2019 mit insgesamt elf Millionen Franken.

Das über Jahre systematisch betriebene Kartell liess zudem den Bündner Grossen Rat die erste Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) in der Geschichte des Kantons einsetzen. Die PUK- und Weko-Erkenntnisse liessen später mehrere Firmen die unlauteren Machenschaften eingestehen. Sie zahlten dem Kanton Entschädigungen in der Höhe von total rund sieben Millionen Franken.

Zurückhaltende Regierung

All dies sei Quadronis Verdienst, sind sich zunehmend weite Kreise in Graubünden einig. Das solle der Kanton würdigen. Umso mehr, als der Whistleblower im Sommer 2017 auch Opfer einer undurchsichtigen Polizeiaktion wurde. Von einer Spezialeinheit wurde Quadroni gefesselt in eine psychiatrische Klinik nach Chur GR gebracht – das in einem Eheschutzverfahren. Weshalb er derart behandelt wurde, beschäftigt die Gerichte bis heute.

Ob sich die Bündner Regierung eines Tages beim Whistleblower für dessen Verdienste im Zusammenhang mit den Preisabsprachen erkenntlich zeigt, ist unklar. Kanzleidirektor Daniel Spadin sagt: «Es stehen Forderungen vonseiten Adam Quadronis im Raum. Die Regierung nimmt keine Stellung, solange noch rechtliche Verfahren laufen.» Spadin betont aber, dass alle Vorkommnisse rund um das Baukartell «aufgearbeitet und abgeschlossen» seien.

Weiteres Ungemach droht allerdings: Die Weko befasst sich derzeit mit Preisabsprachen im Bausektor in der Region Moesa in Südbünden. Die Dimension ist ähnlich gross wie beim Unterengadiner Kartell, die Untersuchungsergebnisse sollen nächstes Jahr vorliegen.

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