Linksradikale und Extremisten werben um die Klimajugend
Wird der Klima-Kampf jetzt militant?

Noch steht die von Greta Thunberg inspirierte Bewegung Fridays for Future für friedlichen Protest. Doch das könnte sich ändern.
Publiziert: 27.09.2019 um 23:05 Uhr
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Aktualisiert: 21.09.2020 um 14:55 Uhr
Für dieses Foto gabs Kritik für die Klima-Ikone.
Foto: AFP
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Fabienne Kinzelmann

Ein T-Shirt-Aufdruck mit verfänglicher Botschaft. Auf einem Foto in falscher Gesellschaft. Wer wie Greta Thunberg (16) in der Öffentlichkeit steht, dem kann auch scheinbar Nebensächliches zum Verhängnis werden. Im Juli postete die Klima-Ikone ein Foto, auf dem sie ein schwarzes Oberteil mit dem Aufdruck «Antifascist All Stars» trägt. Das Shirt sei geliehen gewesen, sie unterstütze keine gewalttätigen Bewegungen, twitterte sie am nächsten Tag.

Nur einen Monat später posierte sie im deutschen Hambacher Forst mit Klima-Aktivisten, die den Wald vor Rodung schützen wollen. Hinter Thunberg steht eine vermummte Person: die Hände in den Hosentaschen, barfuss, die Augen auf Thunberg gerichtet. Die distanzierte sich erneut, doch die Bilder bleiben: Greta im Antifa-T-Shirt, Greta bei den Vermummten. Diese Woche hielt sie eine Brandrede in New York, in auffallend aggressiverem Ton als bisher. «Der Wandel kommt – ob ihr wollt oder nicht», schleuderte sie Politikern und Wirtschaftsbossen mit wutverzerrtem Gesicht entgegen.

Schulstreiks haben sich abgenutzt

Thunberg ist radikal in ihren Positionen. Sie fordert zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels eine drastische Reduzierung des CO2-Ausstosses mit allen Konsequenzen, fliegt nicht und ernährt sich vegan.

Was Thunberg selbst nicht ist: militant. Sie setzt sich für gewaltlosen Protest ein. Das gilt jedoch nicht für alle ihre Mitstreiter. Auch einige der jungen Aktivisten in der Schweiz würden gern einen Schritt weiter gehen. Mit der Stör-Aktion im Bundeshaus vergangene Woche haben sie einen ersten Vorstoss gewagt.

Die Klimajugend spürt: Die von Thunberg inspirierten Schulstreiks haben sich abgenutzt. Wer im vergangenen Jahr die Matura gemacht hat, ist jetzt auf Sinnsuche. «Welche Form des zivilen Ungehorsams bleibt denn übrig, wenn man die Schule nicht bestreiken kann?», schreibt ein Aktivist aus Lausanne, der anonym bleiben will. Dazu kommt Frust. «Was haben wir denn erreicht?», fragt die Studentin Marie-Claire Graf (23), die den ersten Klimastreik in der Schweiz mitorganisiert hat. Und beantwortet die Frage gleich selbst: «Noch viel zu wenig, um die Treibhausgas-Emissionen zu senken.»

Streit innerhalb der Bewegung

Protestforscher glauben, dass sich einige der Friday-Jugendlichen genau darum den radikalen Klimaschützern zuwenden werden. Viele sympathisieren damit. Schon beim ersten Gipfeltreffen der europäischen Fridays-for-Future-Bewegung in Lausanne, an dem auch Greta Thunberg teilnahm, gab es deshalb Zoff. Der Streit drehte sich unter anderem um die Frage, ob die Fridays sich gegen den Kapitalismus positionieren sollen und ob sie mit den radikalen Umweltschützern von Extinction Rebellion zusammenarbeiten wollen.

«Der Zoff und der Streit zeigen die ideologische Bandbreite der Bewegung», sagt Protestforscher Philip Balsiger (40) zu BLICK. Er hat wie die Soziologin Jasmine Lorenzini (37) an einer europaweiten Studie zu Fridays for Future mitgearbeitet. Sie zeigt: Die Aktiven in der Schweiz sind bereit, selbst starke Einschnitte hinzunehmen – wie Klima-Ikone Thunberg fliegen viele nicht oder verzichten auf Fleisch. «Sie fordern aber auch einen Systemwandel und haben wenig Vertrauen darin, dass die Regierung etwas ändern kann oder will», sagt Lorenzini zu BLICK.

Auch das Meer ist stinksauer

Am Mittwoch schreckte ein Sonderbericht des Weltklimarats auf: Der Meeresspiegel wird bis zum Ende des Jahrhunderts um bis zu 84 Zentimeter ansteigen. Grund dafür ist, dass das Wasser immer wärmer wird – und sich dadurch ausdehnt. Hinzu kommt das Abschmelzen der Gletscher und Polkappen, was den Meeresspiegel nochmals anhebt. Das alles verursachen die steigenden Temperaturen, für die unser CO2-Ausstoss verantwortlich ist.

Doch das ist nur die eine Folge des Klimawandels auf die Weltmeere. Eine weitere ist die Übersäuerung der Ozeane. Und die ist richtig schlimm: denn die Meere sind der grösste CO2-Speicher, den wir haben. Sie nehmen das Treibhausgas aus der Luft auf und transportieren es in die Tiefe, wo es in Tiefsee-Kalksedimenten eingelagert wird.

Das allerdings passiert sehr, sehr langsam – und so viel Zeit geben wir dem Meer nicht, weil wir zu viel CO2 ausstossen. Die Folge: Die Wasserschicht bis zu 1000 Metern hat zu viel CO2 aufgenommen. Darunter leiden zum einen Clownfische, Seesterne und alle anderen Meerestiere.

Zum anderen könnte die Versauerung auch die Erderwärmung beschleunigen: denn die CO2-Aufnahmefähigkeit des Meerwassers sinkt. Dadurch verbleibt mehr Treibhausgas in der Atmosphäre, und die Temperaturen steigen weiter, die Meere werden noch wärmer – worauf sie noch weniger CO2 aufnehmen können und alles von vorn beginnt. Ein Teufelskreis. Der nur unterbrochen werden kann, wenn der menschengemachte CO2-Ausstoss drastisch reduziert wird.

Am Mittwoch schreckte ein Sonderbericht des Weltklimarats auf: Der Meeresspiegel wird bis zum Ende des Jahrhunderts um bis zu 84 Zentimeter ansteigen. Grund dafür ist, dass das Wasser immer wärmer wird – und sich dadurch ausdehnt. Hinzu kommt das Abschmelzen der Gletscher und Polkappen, was den Meeresspiegel nochmals anhebt. Das alles verursachen die steigenden Temperaturen, für die unser CO2-Ausstoss verantwortlich ist.

Doch das ist nur die eine Folge des Klimawandels auf die Weltmeere. Eine weitere ist die Übersäuerung der Ozeane. Und die ist richtig schlimm: denn die Meere sind der grösste CO2-Speicher, den wir haben. Sie nehmen das Treibhausgas aus der Luft auf und transportieren es in die Tiefe, wo es in Tiefsee-Kalksedimenten eingelagert wird.

Das allerdings passiert sehr, sehr langsam – und so viel Zeit geben wir dem Meer nicht, weil wir zu viel CO2 ausstossen. Die Folge: Die Wasserschicht bis zu 1000 Metern hat zu viel CO2 aufgenommen. Darunter leiden zum einen Clownfische, Seesterne und alle anderen Meerestiere.

Zum anderen könnte die Versauerung auch die Erderwärmung beschleunigen: denn die CO2-Aufnahmefähigkeit des Meerwassers sinkt. Dadurch verbleibt mehr Treibhausgas in der Atmosphäre, und die Temperaturen steigen weiter, die Meere werden noch wärmer – worauf sie noch weniger CO2 aufnehmen können und alles von vorn beginnt. Ein Teufelskreis. Der nur unterbrochen werden kann, wenn der menschengemachte CO2-Ausstoss drastisch reduziert wird.

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Wunde Punkte, welche die Klima-Teenies zunehmend anfälliger werden lässt für radikale Gruppierungen. «Ich finde Extinction Rebellion schon interessant», räumt ein Jugendlicher aus Zürich ein. In der Schweiz machten die radikalen Umweltschützer unter anderem mit einer Kunstblut-Aktion vor dem Bundeshaus auf sich aufmerksam, Aktivisten ketteten sich schon vor der CS in Zürich an, und Mitte September färbten sie die Limmat in Zürich giftgrün.

Innenstädte lahmlegen

Und jetzt soll noch ein Gang höher geschaltet und auch eine Konfrontation mit der Bevölkerung in Kauf genommen werden: Ab dem 7. Oktober wollen die radikalen Umweltschützer europaweit Innenstädte lahmlegen. Viele der älteren Klima-Teenies in der Schweiz überlegen, sich dem Protest beispielsweise in Berlin anzuschliessen.

Dort wären die jungen Klimaschützer sehr willkommen. Viele extremistische Bewegungen würden sie gern vereinnahmen. Aus Deutschland sind Fälle bekannt, bei denen Linke ganze Fridays-Ortsgruppen unterwandern wollten. Bei der Klimademo heute in Bern will auch die linksradikale Szene mitmischen. Sie interpretiert die Klimakrise als Klassenkampf. «Wer den Klimawandel stoppen will, muss den Kapitalismus überwinden!», heisst es in einem Aufruf der «Revolutionären Jugend Gruppe». Und dieses Ziel lasse sich nicht «herbeiwählen oder appellieren», sondern nur «erkämpfen».

Wie gross wird die Klimademo?

Der globale Klimastreik erreicht die Schweiz. Am Samstag findet in Bern die nationale Klimademo statt – und viel spricht dafür, dass es einer der grössten Protestzüge wird, den die Schweiz je gesehen hat. Mehr als 70 Verbände und Organisationen der Klima-Allianz stehen hinter dem Grossevent.

Aus der ganzen Schweiz werden Zehntausende Teilnehmer erwartet. Die SBB setzen zusätzlich 14 Extrazüge ab Zürich, St. Gallen, Basel, Lugano und Genf ein, zum Teil gibts besondere Sparbillette. Mindestens 600 reisen bekennend per Velo an, rund 30 Fahrten sind auf der Plattform «I bike to move it» registriert.

Die Veranstalter wollen sich zu den möglichen Teilnehmerzahlen nicht äussern, doch auch die Kantonspolizei stellt sich auf eine Grossdemo ein. Bei den Klimastreiks im Frühjahr mischten in verschiedenen Städten bis zu 65'000 Teilnehmer mit. Vieles spricht dafür, dass die nationale Klimademo noch mal deutlich mehr Menschen mobilisiert.

Denn: Drei Wochen vor den nationalen Wahlen konzentriert sich alles auf Bern. Weil die Kundgebung von mehreren Organisationen unterstützt wird, wird bereits seit Monaten breit dazu aufgerufen. Und dann wäre da noch der Greta-Effekt.

Mit der 16-jährigen Greta Thunberg haben die Klimastreiks angefangen. Im Hinblick auf den UN-Klimagipfel in New York, an dem Thunberg diese Woche teilnahm, findet seit dem 20. September die globale Streikwoche statt. In mehr als 2000 Städten in 129 Staaten sind Proteste geplant.

Ziel des weltweiten Protests ist es, dass das Pariser Klimaabkommen aus dem Jahr 2016 eingehalten wird. Die wichtigste Forderung: das 1,5-Grad-Ziel. Die Erderwärmung, die im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter bereits rund ein Grad erreicht hat, soll bei «deutlich unter zwei Grad» gestoppt werden, möglichst bei 1,5 Grad. Je wärmer die Erde wird, desto gefährlicher wirds für den Menschen: Es drohen etwa zunehmend unberechenbare Wetterlagen, Stürme, Hitze- und Kältewellen.

In den meisten Ländern gingen bereits am Freitag vor einer Woche die Klima-Demonstranten auf die Strasse. Insgesamt vier Millionen Teilnehmer sollen es weltweit bereits gewesen sein. In New York etwa protestierten nach Angaben der Organisatoren rund 250'000 Menschen für den Klimaschutz, das Bürgermeisteramt der Stadt sprach von rund 60'000. Überwältigende Teilnehmerzahlen wurden von rund 500 Demonstrationen aus Deutschland vermeldet. Allein in Berlin forderten 270'000 Demonstranten ein stärkeres Engagement für den Klimaschutz. Im australischen Melbourne gingen 100'000 Menschen auf die Strasse.

Andere Länder – wie etwa die Schweiz und Neuseeland – haben aus organisatorischen Gründen eine Woche später zu Demozügen und Streiks aufgerufen. Gut möglich, dass ihnen die Ereignisse der vergangenen Woche zusätzlich Aufwind geben.

Und dann wäre da noch die Witterung. Hitze, Kälte oder gar Regen drücken erfahrungsgemäss Teilnehmerzahlen bei Demonstrationen. Für Samstag dürfte dahingehend nichts im Wege stehen. In Bern soll es trocken bleiben und teilweise sonnig sein. Gut Wetter für den Klimaschutz.

Der globale Klimastreik erreicht die Schweiz. Am Samstag findet in Bern die nationale Klimademo statt – und viel spricht dafür, dass es einer der grössten Protestzüge wird, den die Schweiz je gesehen hat. Mehr als 70 Verbände und Organisationen der Klima-Allianz stehen hinter dem Grossevent.

Aus der ganzen Schweiz werden Zehntausende Teilnehmer erwartet. Die SBB setzen zusätzlich 14 Extrazüge ab Zürich, St. Gallen, Basel, Lugano und Genf ein, zum Teil gibts besondere Sparbillette. Mindestens 600 reisen bekennend per Velo an, rund 30 Fahrten sind auf der Plattform «I bike to move it» registriert.

Die Veranstalter wollen sich zu den möglichen Teilnehmerzahlen nicht äussern, doch auch die Kantonspolizei stellt sich auf eine Grossdemo ein. Bei den Klimastreiks im Frühjahr mischten in verschiedenen Städten bis zu 65'000 Teilnehmer mit. Vieles spricht dafür, dass die nationale Klimademo noch mal deutlich mehr Menschen mobilisiert.

Denn: Drei Wochen vor den nationalen Wahlen konzentriert sich alles auf Bern. Weil die Kundgebung von mehreren Organisationen unterstützt wird, wird bereits seit Monaten breit dazu aufgerufen. Und dann wäre da noch der Greta-Effekt.

Mit der 16-jährigen Greta Thunberg haben die Klimastreiks angefangen. Im Hinblick auf den UN-Klimagipfel in New York, an dem Thunberg diese Woche teilnahm, findet seit dem 20. September die globale Streikwoche statt. In mehr als 2000 Städten in 129 Staaten sind Proteste geplant.

Ziel des weltweiten Protests ist es, dass das Pariser Klimaabkommen aus dem Jahr 2016 eingehalten wird. Die wichtigste Forderung: das 1,5-Grad-Ziel. Die Erderwärmung, die im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter bereits rund ein Grad erreicht hat, soll bei «deutlich unter zwei Grad» gestoppt werden, möglichst bei 1,5 Grad. Je wärmer die Erde wird, desto gefährlicher wirds für den Menschen: Es drohen etwa zunehmend unberechenbare Wetterlagen, Stürme, Hitze- und Kältewellen.

In den meisten Ländern gingen bereits am Freitag vor einer Woche die Klima-Demonstranten auf die Strasse. Insgesamt vier Millionen Teilnehmer sollen es weltweit bereits gewesen sein. In New York etwa protestierten nach Angaben der Organisatoren rund 250'000 Menschen für den Klimaschutz, das Bürgermeisteramt der Stadt sprach von rund 60'000. Überwältigende Teilnehmerzahlen wurden von rund 500 Demonstrationen aus Deutschland vermeldet. Allein in Berlin forderten 270'000 Demonstranten ein stärkeres Engagement für den Klimaschutz. Im australischen Melbourne gingen 100'000 Menschen auf die Strasse.

Andere Länder – wie etwa die Schweiz und Neuseeland – haben aus organisatorischen Gründen eine Woche später zu Demozügen und Streiks aufgerufen. Gut möglich, dass ihnen die Ereignisse der vergangenen Woche zusätzlich Aufwind geben.

Und dann wäre da noch die Witterung. Hitze, Kälte oder gar Regen drücken erfahrungsgemäss Teilnehmerzahlen bei Demonstrationen. Für Samstag dürfte dahingehend nichts im Wege stehen. In Bern soll es trocken bleiben und teilweise sonnig sein. Gut Wetter für den Klimaschutz.

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