Messe von Staats- und Massnahmenkritikern
Ex-Bischofssprecher Gracia landet in der Welt der Corona-Skeptiker

An einer Messe von Staatskritikern referiert der langjährige Gefährte von Bischof Huonder über freie Medien. Gracia ist für das umstrittene Internetradio Kontrafunk tätig.
Publiziert: 08.09.2024 um 12:36 Uhr
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Aktualisiert: 08.09.2024 um 12:49 Uhr

Auf einen Blick

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Andreas SchmidInlandredaktor

Auf den 21. September lädt der Verein Graswurzle zur «Frei-Sein-Messe» nach Altdorf UR. Die aus der Bewegung der Corona-Massnahmenkritiker hervorgegangene, esoterisch ausgerichtete Gemeinschaft will nach eigener Ankündigung «innovative Projekte und Ideen für ein neues Miteinander» präsentieren. Begleitet von Vorträgen und Musik. So steht es auf der Homepage des Vereins.

Die Referate befassen sich unter anderem mit alternativer Nahrungsmittelproduktion, medizinischer Versorgung oder Bildung. Graswurzle wolle neue Wege zeigen, sagt Geschäftsführerin Prisca Würgler. «Wir wollen die Abhängigkeit von Grosskonzernen aufbrechen.»

Medienvielfalt als Vortragsthema

Eines der Referate widmet sich auch den Medien; Redner ist Giuseppe Gracia (57), langjähriger Sprecher des einstigen Churer Bischofs Vitus Huonder. Gracia vertrat und verteidigte von 2011 bis 2019 die teils umstrittenen, konservativen Positionen des im April verstorbenen Oberhirten. Als 2021 bekannt wurde, dass er aus der katholischen Kirche ausgetreten war, löste dies heftige Reaktionen aus.

Der Verein Graswurzle ist in vielen Lokalgruppen organisiert.
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Gracia ist als Schriftsteller tätig, schrieb Kolumnen für den Blick und ist seit drei Jahren monatlicher Feuilleton-Autor für die «NZZ». Dass er nun an der Graswurzle-Messe auftreten wird, begründet Geschäftsführerin Würgler damit, dass Gracia für Meinungsfreiheit stehe. Er werde über Medienvielfalt sprechen.

Laut Würgler gehören dem Verein 3000 bis 5000 Mitglieder an, organisiert in lokalen Gruppen. Das Engagement Gracias für den Anlass in Altdorf sei zustande gekommen, weil dieser als Vertreter des Internetradios Kontrafunk vor einiger Zeit mit Graswurzle in Kontakt getreten sei. Im Gegensatz zu Kontrafunk sei Graswurzle allerdings nicht politisch ausgerichtet, betont Würgler.

Umstrittener Sender

Kontrafunk setzt sich nach eigener Beschreibung «für die freiheitliche Selbstbestimmung des Einzelnen» ein. Das Internetradio ist aus Protest gegen die staatlichen Corona-Massnahmen entstanden. Seine Nähe zur AfD, die Unterstützung durch das rechtsextreme AfD-Aushängeschild Björn Höcke sowie undurchsichtige Firmenstrukturen trugen dem Sender Kritik ein.

Giuseppe Gracia sagt, er gestalte bei Kontrafunk die regelmässige Sendung «Menschenbilder». Er bestätigt zudem, die Information, Marketing für das Radio zu betreiben: «Wie viele im Team helfe auch ich dem Sender, etwas bekannter zu werden und mehr Menschen mit einem guten Programm zu erreichen.»

In Altdorf werde er über «die elementare Bedeutung eines machtkritischen, weltanschaulich vielfältigen Journalismus für die Demokratie» sprechen, gibt Gracia an. Einschliessen werde er die Aufgabe von neuen, alternativen Medien. Und bei aller Kritik an den Medien werde er auch den kritischen Journalismus gegen das Vorurteil verteidigen, alle würden lügen.

Den Verein Graswurzle kenne er nicht gut, hält er fest. Aber der Anlass heisse «Frei sein», was ihn als Liberalen angesprochen habe. «Ich bin selbständig erwerbend und trete auf, wenn ich frei meine Meinung sagen kann.» Dazu, dass Graswurzle von einstigen Corona-Massnahmen-Gegnern geprägt wird, sagt Gracia, er sei ebenfalls kritisch, gerade in Bezug auf die Rolle der Medien, die bei Corona von den Staats- und Machtkritikern mehrheitlich zu PR-Plattformen für Regierungsvorgaben geworden seien. «In einigen Fällen haben die Journalisten sogar gegen Andersdenkende gehetzt», kritisiert Gracia.

Aufschrei wegen Olympia-Eröffnung

Erst kürzlich hat der frühere Bischofssprecher in anderem Zusammenhang einigen Unmut auf sich gezogen: Gracia stellte sich in einem Gastbeitrag im «Tages Anzeiger» hinter die Macher der Olympia-Eröffnungsfeier in Paris, denen Blasphemie, Satanismus und die Verletzung religiöser Gefühle in ihrer Vorführung unterstellt wurde und die sich aus der ganzen Welt heftige Vorwürfe gefallen lassen mussten. «Das ging mir auf die Nerven», sagt Gracia. Weil er die Inszenierung verteidigte, wurde ihm aus religiösen Kreisen der Verrat an christlichen Positionen angekreidet. Das zeige, dass diese Leute die Freiheit Andersdenkender und Anderslebender nicht schützten, obwohl sie sich als Christen bezeichneten.

In Altdorf darf er mit einem wohlwollenden Publikum rechnen, wenn er über «Freiheit, Medien und Demokratie» spricht und die Graswurzle-Gemeinschaft bei Älplermagronen mit Röstzwiebeln seinen Worten lauscht.

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