BLICK-Politik-Chefin Sermîn Faki macht den 24-Stunden-Energietest
«Ich stosse täglich 12 Kilo CO2 in die Luft»

Wofür verbrauchen wir wie viel Energie? Und was können wir tun, um den Verbrauch zu reduzieren? BLICK-Politik-Chefin Sermîn Faki machte den Selbstversuch. Und liess ihn von Myclimate beurteilen.
Publiziert: 11.03.2019 um 23:01 Uhr
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Aktualisiert: 13.03.2019 um 11:07 Uhr
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Sermîn FakiPolitikchefin

6.30 Uhr – das iPhone klingelt

Zeit, aufzustehen. Damit mein iPhone 8 mich wecken kann, war es über Nacht am Strom angeschlossen. Trotz einem Mix aus Öko- und Naturstrom – ich habe elf Gramm Kohlendioxid (CO2) ausgestossen, bevor ich einen Schritt aus dem Bett gemacht habe. So viel nämlich verursacht eine volle Aufladung meines Handys. Und die reicht meistens nicht mal einen Tag.

7.00 Uhr – Duschen, Zähneputzen, Anziehen

2 Minuten, 45 Sekunden läuft das 38 Grad warme Wasser unter der Dusche – ich bin schnell, trotz Haarewaschen. Das hilft leider nicht viel: Mein Wasser wird mit Strom erhitzt. Macht 40 Gramm CO2. Plus 51 Gramm für Duschgel und Shampoo, die ja produziert, verpackt und in den Laden transportiert werden mussten, wo ich sie gekauft habe. Dafür föne ich nicht – und spare etwa 50 Gramm CO2 ein. Auch die drei Minuten Zähneputzen mit der elektrischen Zahnbürste fallen nicht gross ins Gewicht: 0,6 Gramm.

Für die Kleidung gibt die Stiftung Myclimate, die meinen CO2-Ausstoss für diesen Tag berechnet hat, folgende Schätzung an: Unterwäsche, Socken, Shirt, Anzug (es ist Session) und Schuhe schlagen allein mit Produktion und Transport mit 270 Gramm CO2-Emissionen zu Buche. Pro Tag, ohne Waschen.

«Mein Wecker klingelt – elf Gramm CO2-Ausstoss noch vor dem Aufstehen.»
Foto: Sermîn Faki
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7.45 Uhr – ab ins Büro

Ich gehe täglich zu Fuss, was kein Problem ist, denn das Berner BLICK-Büro liegt nur zehn Minuten von meinem Zuhause entfernt. Null Emissionen! Zum Zmorge im Büro gibt es ein trockenes Brötchen aus der Bäckerei, 150 Gramm Erdbeerjoghurt. Dazu schnappe ich mir eine 1,5-Liter-Flasche stilles Wasser aus dem Wallis. Allerdings in einer PET-Flasche. Macht insgesamt 1200 Gramm CO2-Ausstoss. Vor allem das Wasser sollte ich überdenken, es macht 870 Gramm aus. Auch die Arbeit im Büro hat einen Einfluss: 120 Gramm CO2 für Licht, Strom und Heizung.

12.30 Uhr, Fahrt in den BLICK-Newsroom im Zürcher Seefeld

So wie viele Pendler auf der Paradestrecke der SBB nehme ich den Zug, wenn ich nach Zürich muss. 799 Gramm CO2. Ich ergattere einen Platz im Speisewagen und trinke einen Kräutertee. Interessant: Das erhöht meinen CO2-Ausstoss um 130 Gramm, viel im Vergleich zur Zugfahrt an sich. Die S-Bahn-Fahrt nach Zürich-Stadelhofen macht dann nur 14 Gramm CO2 aus.

13.45 Uhr – BLICK-Wochensitzung im Newsroom

Der nächste Sündenfall wartet in der wöchentlichen BLICK-Planungssitzung. Ich greife zu einer Mineralwasserflasche. Nicht aus dem Kühlschrank, aber schon wieder PET. 290 Gramm CO2.

17.20 Uhr, zurück nach Bern

Auf dem Rückweg nach Bern gibts leider keinen Speisewagen. Schlecht für mich, aber gut fürs Klima, da ich auf einen Tee verzichte und so 823 Gramm CO2 spare. Zurück in Bern treffe ich einen Informanten – in einer Bar. Ein interessantes Gespräch, bei dem aus einem Glas spanischem Weisswein schnell zwei werden. Und mein Gesprächspartner schlägt vor, sich einen hausgemachten Flammkuchen zu teilen. Dazu ein Wasser – aus der Glasflasche! Der Verzicht auf Plastik gibt mir ein gutes Gefühl, aber das täuscht – ob Glas oder PET macht fürs Klima keinen Unterschied: Der CO2-Ausstoss beträgt gemäss Myclimate 290 Gramm. Für die Zukunft merke ich mir: Hahnenwasser tuts auch.

Für klimapolitische Katerstimmung sorgt allerdings besonders der Weisswein. Zwei Gläser Verdejo schenken mit 1060 Gramm richtig ein – mehr als eine Zugfahrt von Bern nach Zürich. Der halbe Flammkuchen mit 328 Gramm ist eine vergleichsweise nüchterne Angelegenheit.

21 Uhr – endlich Feierabend

Ausnahmsweise nehme ich den Bus nach Hause. Vier Stationen, zehn Minuten, 50 Gramm CO2. Ich esse noch ein bisschen Brot (60 Gramm CO2), finde noch Käse (805 Gramm, obwohl er aus Bern kommt) im Kühlschrank und ein weiteres Erdbeerjoghurt (217 Gramm). Ein gemütlicher Ausklang des Tages. Auch weil die Bodenheizung für wohlige Wärme sorgt. Und für ordentlich klimaschädliches CO2. 5,5 Kilogramm stösst meine Erdgasheizung aus. Pro Tag. Nicht nur im Winter, denn Myclimate hat meinen Jahresverbrauch auf den Tag umgelegt. Und sagt klar: Hier sollte ich ansetzen, um das Klima zu schonen.

Gegen 22.30 Uhr ist Lichterlöschen angesagt. Ich schnappe mir die Zahnbürste – jetzt klimapolitisch ohne schlechtes Gewissen –, hänge das iPhone ans Ladekabel und falle in einen unruhigen Schlaf.

Fazit: 12 Kilogramm an diesem Tag

12 Kilogramm CO2-Ausstoss gehen an diesem Tag auf mein Konto. Dabei war der Tag eigentlich unspektakulär. Ich habe weder ein grosses Filetsteak gegessen noch mich hinter das Lenkrad eines Autos gesetzt. Würde ich jeden Tag so verbringen, würde ich 4,3 Tonnen CO2-Ausstoss pro Jahr verursachen – der Schweizer Durchschnitt liegt bei 4,7 Tonnen. Wollen wir das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens erreichen, dürfte jeder von uns nur noch 0,6 Tonnen verursachen.

Und: Ich lebe nicht jeden Tag so. Zwar habe ich kein Auto, gehe viel zu Fuss oder nutze den Zug. Zwar ist mein selten benutzter TV nie auf Standby, sondern immer ausgeschaltet. Aber hin und wieder – zu oft – gönne ich mir ein Stück Fleisch. Und ich fliege, mehrmals pro Jahr. Nur so als Beispiel: Ein Retourflug nach Bangkok verursacht 3,4 Tonnen CO2-Emissionen. So viel CO2 könnte ich gar nicht einsparen. Selbst wenn ich die Heizung komplett ausschalten würde.

Das Pariser Klima-Abkommen

196 Mitgliedsstaaten der UN-Klimakonvention haben sich am 12. Dezember 2015 in Paris darauf geeinigt, dass sie alles unternehmen wollen, um den globalen Temperaturanstieg möglichst auf 1,5 Grad – sicher aber auch deutlich unter 2 Grad Celsius – zu beschränken. Das soll vor allem über die Reduktion von CO2-Emissionen erreicht werden. Auch die Schweiz hat das Pariser Abkommen ratifiziert.

Doch der Vertrag hat einen Pferdefuss: Er sieht erstens keine verpflichtenden Massnahmen für die einzelnen Staaten vor, wie der CO2-Ausstoss verkleinert werden soll. Vor Beginn der Klimaverhandlungen in Paris hatten 187 Staaten nationale Klimaaktionspläne und entsprechende CO2-Reduktionsziele eingereicht. Allerdings würden diese zu einer Erderwärmung von etwa 2,7 Grad führen.

Zweitens droht keinem Land eine Strafe, wenn es die Ziele nicht erreicht oder einfach untätig bleibt. Auf wie wackligem Boden das Abkommen steht, zeigt der Rückzug der USA, den Präsident Donald Trump am 1. Juni 2017 bekannt gegeben hat.

196 Mitgliedsstaaten der UN-Klimakonvention haben sich am 12. Dezember 2015 in Paris darauf geeinigt, dass sie alles unternehmen wollen, um den globalen Temperaturanstieg möglichst auf 1,5 Grad – sicher aber auch deutlich unter 2 Grad Celsius – zu beschränken. Das soll vor allem über die Reduktion von CO2-Emissionen erreicht werden. Auch die Schweiz hat das Pariser Abkommen ratifiziert.

Doch der Vertrag hat einen Pferdefuss: Er sieht erstens keine verpflichtenden Massnahmen für die einzelnen Staaten vor, wie der CO2-Ausstoss verkleinert werden soll. Vor Beginn der Klimaverhandlungen in Paris hatten 187 Staaten nationale Klimaaktionspläne und entsprechende CO2-Reduktionsziele eingereicht. Allerdings würden diese zu einer Erderwärmung von etwa 2,7 Grad führen.

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