Shitstorm in Deutschland wegen «Masturbationsräumen» für die Kleinkinder
Räume für «Doktorspiele» sind in Schweizer Kitas normal

Deutsche Kitas wollen kindlicher Sexualität Raum geben – und handeln sich einen Shitstorm ein. Die Kitas planten Masturbationsräume und Doktorspiele – Teile eines Sexualkonzepts, das in der Schweiz zumindest in der Theorie teilweise schon Realität ist.
Publiziert: 17.01.2024 um 00:57 Uhr
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Aktualisiert: 17.01.2024 um 14:06 Uhr
Eine Kita im deutschen Kerpen will Masturbationsräume einrichten. Dahinter steckt ein sexualpädagogisches Konzept.
Foto: keystone-sda.ch
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Qendresa LlugiqiReporterin News

Masturbations-Räume einrichten und Doktorspiele erlauben – so lautet der Plan einer katholischen Kita in Kerpen-Türnich im deutschen Nordrhein-Westfalen, im Rahmen eines Sexualkonzepts. Die Idee laut den Verantwortlichen: «Freiräume für das Ausprobieren kindlicher Sexualität» schaffen.

Doch das Konzept sorgt für rote Köpfe – allen voran bei deutschen Politikern, beispielsweise Vertretern der Alternative für Deutschland (AfD). Inzwischen wurde das Programm von der Kita-Webseite entfernt und die Behörden haben sich eingeschaltet – etwa die Kerpener Jugendamt oder gar das Landesjugendamt.

Es ist nicht das erste solche Projekt, das in Deutschland Wellen schlägt. Mehrere Versuche, der Entfaltung der frühkindlichen Sexualität Raum zu geben, sorgen für Skandale. So etwa im Frühjahr 2023 als eine Kita in Hannover einen sogenannten «Körpererkundungsraum» einführen wollte. Der Grund: Doktorspiele fanden zuvor offenbar im Gebüsch oder in den Waschräumen statt. Die Kita schickte den Eltern im Vorfeld einen Zehn-Punkte-Plan. Doch die liefen Sturm. Kurz darauf gab es einen Stopp vom Kultusministerium.

Raum für sexuelle Ausdrucksformen

In der Schweiz ist die Möglichkeit für «Doktorspiele» im geschützten Rahmen Teil der Sexualpädagogik vieler Kindertagesstätten und finden Platz in deren Konzepten, beispielsweise in demjenigen der Kita im Kinderhaus Entlisberg – betrieben von der Stadt Zürich. So heisst es unter Punkt 6.1.3.: «Wir bieten den Kindern geschützte Orte an, in die sie sich zurückziehen können und in denen auch sinnliche Körpererkundungen (Doktorspiele) gefahrlos stattfinden dürfen.» Damit wolle man der kindlichen Neugierde Raum geben.

Auf Anfrage heisst es bei der Stadt Zürich: «Aus sexualpädagogischer Sicht sind Doktorspiele und Körpererkundungen Bestandteil einer normalen Entwicklung. Deshalb sollten diese nicht aktiv verhindert oder Kinder beschämt werden, wenn sie Interesse daran bekunden», so Sarah Jost, Sprecherin der Sozialen Einrichtungen und Betriebe. Hierfür gäbe es Rückzugsorte: «Es sind keine eigenen Räume, sondern etwas zurückgezogenere Nischen innerhalb der Räume, in denen die Kitakinder sind. Beispielsweise ein Spielzelt oder ein ruhigeres Eckchen.»

Sie stellt klar: «Kinder werden jedoch nicht dazu animiert. Es ist auch immer eine Fachperson in der Nähe.» Ausserdem werde den Eltern in jedem Fall aktiv kommuniziert, wenn die Kinder Neugierde am Körper zeigen.

Das Konzept, das sich an den übergeordneten Konzepten der Branchenorganisationen orientiere, diene den Mitarbeitern ihrer Kitas und der Krisenintervention als Arbeitsgrundlage und soll ihnen in sexualpädagogischen Fragen Orientierung und Sicherheit bieten.

Erlaubt auch durch Verhaltenskodex

Auch der Verband Kinderbetreuung Schweiz macht sich für Sexualpädagogik stark. Im Kita-Verhalteskodex (Ausgabe 2019) heisst es unter dem Titel «Dökterle»-Spiel: «Das Erforschen des eigenen Körpers ist für Kinder eine wichtige Erfahrung und kann Teil des «Dökterle»-Spiels sein. Es gehört zur normalen Entwicklung eines Kindes, wenn es ein einvernehmliches Spiel zwischen Kindern etwa gleichen Alters ist.» Wichtig sei dabei, dass die Kinder freiwillig daran teilnehmen und kein Machtgefälle entstehe.

Festgehalten wird weiter: «Erwachsene nehmen nicht an den kindlichen Handlungen teil. Das Spiel wird unauffällig beobachtet.» Und: «Entsteht die Gefahr einer Grenzverletzung, unterbrechen die Mitarbeitenden das Spiel und erklären den Kindern den Grund für das Einschreiten.»

Aufklärung sorgte für Proteste

Die Sexualpädagogik ist in der Schweiz zumindest in der Theorie erwünscht, in der Praxis sorgte das Thema jedoch auch hier hin und wieder für Proteste. So etwa als im Jahr 2011 in Basel-Stadt der Sexkoffer vorgestellt wurde. Dieser sollte mit Holzpenisen und Plüschvulvas zur sexuellen Aufklärung an Schulen eingesetzt werden.

Als Reaktion darauf wurde die Volksinitiative «Schutz vor Sexualisierung in Kindergarten und Primarschule» lanciert – und mittlerweile wieder zurückgezogen. Weil die Sex-Koffer wieder verschwanden. Es wurde publik, dass der Kopf des Komitees, Benjamin Spühler, ein verurteilter Kinderschänder ist. Das Komitee distanzierte sich von ihm. Der Sexualkundeunterricht aber blieb Bestandteil des Schweizer Lehrplans und ist für alle Schülerinnen und Schüler obligatorisch.

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