Vor 101 Jahren
Wie die Schweiz den Kampf gegen den Kropf gewann

In der Schweiz litten die Menschen besonders stark unter den Folgen des Jodmangels. Das konnte mit einer relativ einfachen Massnahme gelindert werden.
Publiziert: 11.10.2023 um 11:13 Uhr
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Daniel JungRedaktor News

Gefahren lauern nicht nur beim Salzabbau. Risiken gibt es auch, wenn man zu viel Salz konsumiert – oder ein Salzprodukt ohne wichtige Zusatzstoffe.

Denn die Schweiz ist ein Land mit jodarmen Böden, besonders in den Berggebieten. Bis 1922 kam es deshalb regelmässig zu schweren Erkrankungen.

Viele Menschen litten an einem Kropf, einer Schwellung im Halsbereich, die durch Jodmangel ausgelöst wird. Die Schilddrüse vergrössert sich dabei stark.

Ein Kropf wird durch eine krankhafte Vergrösserung der Schilddrüse ausgelöst.
Foto: Shutterstock
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Jod ist ein natürlich vorkommendes Spurenelement und ein wichtiger Baustein für Schilddrüsenhormone. Diese sind für das Wachstum und eine normale Entwicklung unentbehrlich.

Gravierender Kretinismus

Ein Jodmangel erhöht daher auch das Risiko neurologischer Entwicklungsstörungen im Mutterleib. Deshalb kamen in den betroffenen Gebieten viele Babys mit schwerer Behinderung zur Welt. Die Kinder, die am sogenannten Kretinismus litten, waren oft taubstumm, kleinwüchsig und hatten Missbildungen an Knochen und Gelenken.

Gemäss dem Historischen Lexikon der Schweiz waren in den hochalpinen Bergtälern der Schweiz bis zu 90 Prozent der Bevölkerung durch Kropf und bis zu 2 Prozent durch Kretinismus gekennzeichnet. 

Es dauerte lange, bis man erkannte, dass beide Krankheiten auf Jodmangel zurückzuführen waren. 1922 sammelte der Chirurg Hans Eggenberger aus Herisau AR Unterschriften, um den Verkauf von jodiertem Salz zu ermöglichen. Dabei wird dem Kochsalz Jod beigemischt. Nach einigen Jahren war der Erfolg sichtbar.

Schweiz als Vorreiterin

Ebenfalls 1922 gründete das Bundesamt für Gesundheit die eidgenössische Kropfkommission. Diese beantragte bei der Saline Schweizerhalle (heute: Schweizer Salinen) die Beimischung von Jod zum Salz. Zunächst verwendete man 3,75 Milligramm Jod pro Kilogramm Salz. 

Gemäss dem Bulletin der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften war die Schweiz damit das erste Land der Welt, welches jodiertes Salz einführte. 

Klinische Erkenntnisse führten in den letzten 100 Jahren dazu, dass die Jodkonzentration schrittweise erhöht wurde. Derzeit liegt sie bei 25 Milligramm pro Kilo Salz. In der Schweiz ist die Jodierung freiwillig – Salz ohne Jod ist ebenfalls erhältlich. 

Gefahr durch Fertig-Food

Die meisten hierzulande produzierten Landwirtschaftsprodukte sind jodarm. Meerfisch und Meeresfrüchte sind vergleichsweise reich an Jod. Bei der täglichen Ernährung trägt heute gemäss Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen das Brot am meisten zur Jodversorgung bei. Dies liegt daran, dass 86 Prozent der Bäcker für die Herstellung von Brot jodiertes Salz verwenden.

Die Lebensmittelindustrie hingegen stellt viele Produkte mit nicht-jodiertem Salz her. Da heute ein Grossteil des Salzes aus verarbeiteten Lebensmitteln stammt, besteht die Gefahr, dass die Schweizer Bevölkerung künftig wieder von einem Jodmangel betroffen sein wird.

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