Nik Hartmann gibt Menschen mit Downsyndrom ein Gesicht
«Die intensivsten Drehtage meiner ganzen Fernsehzeit»

Noch nie war Nik Hartmann (47) so wenig Moderator. In einer neuen Sendung, die nächsten Freitag startet, ist er Reiseleiter, Freund und Kumpel. Einfach einer von ihnen. Von Menschen mit Downsyndrom.
Publiziert: 18.08.2019 um 00:05 Uhr
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Aktualisiert: 18.08.2019 um 14:32 Uhr
In vielen Schweizer Haushalten spielen sie ab kommender Woche die Hauptrolle: die sechs jungen SRF-Protagonisten mit Down Syndrom.
Foto: SRF
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Peter Padrutt

Was soll daran aufregend sein, wenn ein TV-Star wie Nik Hartmann (47) mit einer Truppe junger Menschen die Schweiz entdeckt? Am nächsten Freitag werden wir es wissen: Sechs Deutschschweizer im Alter zwischen 19 und 30 Jahren tuckern in der neuen «SRF bi de Lüt»-Serie «Reise mitohne Hindernis» im Schiff über Seen, waschen Gold im Rhein oder reiten wie Cowboys auf Pferden.

Der Clou: Sie sind behindert – angeblich. Sie leben alle mit Downsyndrom.

Einer von ihnen ist Damian (28), Schauspieler des Theaters Hora. Er artikuliert gewählt, er ist ja auch ein Künstler. Er schnitzt eine kleine Holzkuh in Brienz BE. Plötzlich beginnt er heftig zu weinen. Er erinnert sich an seinen verstorbenen Onkel, der auch immer Kühe geschnitzt hatte. Hartmann legt den Arm um ihn, tröstet ihn.

Und da wird klar: Diese Sendung ist unglaublich aufregend.

Er sei früh in die Planung der Reihe eingebunden worden, erklärt Nik Hartmann dem SonntagsBlick. «Wir recherchierten verschiedene Formate in Europa. Schlussendlich fanden wir einen persönlichen Weg, aus dieser Reise drei Sendungen zu machen.» Dazu gehört auch ein knalliger Soundtrack mit Hits von Stephan Eicher über Züri West bis Stiller Has.

Reiseleiter, Freund und grosser Bruder

Dass sich Hartmann für die Präsentation besonders eignete, liegt auf der Hand. Er ist Vater eines zehnjährigen Kindes mit einer zerebralen Behinderung. «Als Vater von Melchior war es für mich auf dem Dreh kein grosser Unterschied zu meinem Alltag zu Hause», sagt der Moderator – der sich wegen seiner persönlichen Erfahrung für einmal eben nicht als Moderator gefühlt hat. «Ich war vielmehr Reiseleiter, Freund und grosser Bruder.»

Das Besondere dieser Reihe: Während in früheren Endemol-Formaten wie «Üsi Badi» gezeigt wurde, wie Menschen mit Downsyndrom bereichernd für unsere Gesellschaft sind, indem sie beseelt von Leidenschaft eine Arbeit verrichten können, gibt es hier keine Prämisse. In dieser Sendung dürfen sie einfach sein. 

Er habe zeigen wollen, wie normal es sei, dass es Menschen mit Beeinträchtigungen gibt. «Sie können nicht weniger als wir», erklärt Hartmann die positive Botschaft der Sendung. «Diese jungen Leute machen es einfach auf eine andere Art und benötigen dazu manchmal auch Unterstützung.»

Die Teilnehmer hätten oft Hilfe bedurft. «Sei es beim Packen oder Rasieren, am Frühstücksbuffet oder beim Trösten. Es gab Heimweh, Liebeskummer, verlorene Gegenstände, Streitigkeiten. Und bis die ganze Truppe jeweils im Bett war, wurde es nach 22 Uhr», so der TV-Liebling. «Es waren die intensivsten Drehtage meiner ganzen Fernsehzeit.»

Standpauke ans TV-Team

Vor dem Drehstart hatte Hartmann dem TV-Team eine Standpauke gehalten. «Ich bat alle, ihre persönlichen Bedürfnisse in den zwölf Tagen auf ein Minimum zu beschränken. Und ich forderte alle auf, mitzuhelfen, auch dann, wenn die Kameras nicht mehr liefen. Wir wurden eine grosse Familie.»

Warum aber ist Hartmanns Sohn Melchior nicht dabei gewesen? Er wäre nicht nur zu jung gewesen, erklärt Nik Hartmann. «Melchior hat auch andere Bedürfnisse, als in einem VW-Bus durch die Schweiz zu reisen.» Ohne dass man es genauer ausführen müsste: Es ist klar, dass Melchior die Anforderungen an dieses Format nicht erfüllt hätte. «Wir kommunizieren zusammen mit viel Nähe und feinen Gefühlen. Verbal verständigen können wir uns aber nicht mit Melchior», erklärt der TV-Star. «Und doch verstehen wir uns gegenseitig.»

Wenn Melchior etwas nicht passe, lasse er ihn das spüren. «Mittlerweile rutscht er auf dem Hosenboden im ganzen Haus umher. So kann er sich auf einer Etage fortbewegen. Er liebt Musik über alles, und wenn er müde ist, heben wir seine 35 Kilo ins Bett.» Da spürt man, wie erfüllt Eltern solcher Kinder durchs Leben gehen, sie begleiten – und weit darüber hinaus. «Krafttraining im Gym brauchen wir keines», meint Hartmann mit einem Witz, der nachdenklich macht.

SRF zeigt in dieser Reihe einmal mehr, wie lebenswert das Leben von Menschen mit Downsyndrom ist. Es ist klar: Diese Menschen eigenen sich besonders fürs Fernsehen, gerade weil sie oft so liebenswert und anhänglich erscheinen. Vielleicht kommt irgendwann auch die Zeit, in der auch die anderen gezeigt werden. Jene, die auf dem Hosenboden im Haus umherrutschen. Und sich auch nicht behindern lassen.

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