10-Millionen-Schweiz: Gespräche über Gegenvorschlag laufen
So soll die neuste SVP-Initiative gebodigt werden

Dieser Fehler soll ihnen nicht mehr passieren: Anders als bei der Masseneinwanderungs-Initiative sprechen die Gegner bei der neusten SVP-Initiative schon jetzt über einen Gegenvorschlag.
Publiziert: 13.04.2024 um 01:01 Uhr
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Aktualisiert: 13.04.2024 um 07:39 Uhr

Für die Schweizer Beziehungen zu Europa sieht es nicht so gut aus. Auf der einen Seite zeigen die Gewerkschaften bei den Bilateralen III immer noch harte Kante beim heiklen Thema Lohnschutz – was die Verhandlungen mit der EU erschwert.

Und auf der anderen Seite droht die 10-Millionen-Initiative der SVP. Diese verlangt Massnahmen zur Begrenzung der Zuwanderung, sollte die Schweiz 2050 mehr als zehn Millionen Einwohner haben. Diese Initiative zielt auch auf die Personenfreizügigkeit – und damit auf die bilateralen Verträge.

Seit Annahme der Masseneinwanderungs-Initiative 2014 weiss man im Bundeshaus, wie gefährlich solche Zuwanderungsinitiativen der SVP sind. War es damals eher die Angst vor Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt durch billigere Ausländer, sind es heute bei Fachkräftemangel eher Wohnungsnot, Stau, überfüllte Züge und andere Zeichen von «Dichtestress».

SVP-Nationalrat Thomas Matter (links) und SVP-Präsident Marcel Dettling beim Einreichen der Unterschriften für die Volksinitiative «Keine 10-Millionen-Schweiz! (Nachhaltigkeits-Initiative)» am 3. April in Bern.
Foto: keystone-sda.ch
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Jans zeigt sich offen für Gegenvorschlag

Ein Ja zur Initiative würde alle Bemühungen zunichtemachen, die Beziehungen zur EU wieder auf stabile Beine zu stellen. In den Gängen des Bundeshauses wird daher schon über einen Gegenvorschlag gesprochen. Wie der aussehen könnte, hat der zuständige Bundesrat, Migrationsminister Beat Jans (59), bereits angetönt: «Die Probleme, die die Zuwanderung mit sich bringt, sollen angegangen werden», sagte er im Blick-Interview. «Etwa die Verschärfung der Wohnungsnot in den Städten oder der starke Druck auf die Infrastruktur. An der besseren Nutzung des Arbeitskräftepotenzials in der Schweiz arbeiten wir bereits.»

Besonders Kühne spielen gar mit der Idee, das EU-Dossier direkt mit der SVP-Initiative zu koppeln: Das Verhandlungsergebnis um die Bilateralen III könnten, ergänzt mit weiteren Massnahmen, als Gegenvorschlag taugen. Schliesslich verhandeln die Schweizer Unterhändler in Brüssel ja auch über eine Schutzklausel, sollte die Zuwanderung aus der EU ein erträgliches Mass übersteigen.

Gespräche mit der Linken

Das würde der Initiative, die eine solche Klausel fordert, etwas Wind aus den Segeln nehmen. Kommen noch Lohnschutzmassnahmen und Wohnbauförderung hinzu, dürfte der Bundesrat die Linke im Boot haben. Blick weiss: Die Bundesräte umgarnen die Gewerkschaften bereits. So traf sich Jans mit ihnen, und auch Wirtschaftsminister Guy Parmelin (64) nutzt alle Zusammentreffen für Gespräche am Rande.

Anzeichen, dass in diese Richtung etwas passiert, finden sich auch in einem Entscheid des Bundesrats. Obwohl er sich lange dagegen sträubte, hat Parmelin entschieden, mit einem schnell wirkenden Vier-Punkte-Paket gegen steigende Mieten vorzugehen.

Wirtschaft setzt auf Zuwanderungsabgabe

Der Wirtschaft und den bürgerlichen Parteien dürften diese Rezepte gegen die SVP-Initiative nicht schmecken. Dort setzt man in Sachen Gegenvorschlag auf eine Idee, die FDP-Ständerat Andrea Caroni (43) in den politischen Prozess eingespiesen hat: eine Zuwanderungsabgabe. Diese hatte zuerst der SVP-nahe Ökonom Reiner Eichenberger (62) vorgeschlagen. Der Ständerat hat sich bereits dafür ausgesprochen. Im Moment sind verschiedene Seiten daran, herauszufinden, wie man eine solche Abgabe so ausgestalten kann, dass sie nicht gegen die Personenfreizügigkeit verstösst.

Auch wenn der Fahrplan für einen Gegenvorschlag noch unklar und zudem strittig ist, was genau auf einen solchen Zug aufgeladen werden müsste, damit er ins Ziel kommt: Im Gegensatz zur Masseneinwanderungs-Initiative im Jahr 2014 geht jetzt etwas bei den Gegnern.

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