Auf Deutsch verboten, auf Französisch gefordert
Gender-Graben beim Bund

Der Bund hat einen neuen Sprachleitfaden verabschiedet. In der französischen Version wird geraten, immer nur die männliche Form zu nennen. Auf Deutsch wiederum ist das nicht erlaubt.
Publiziert: 16.04.2023 um 19:48 Uhr
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Aktualisiert: 17.04.2023 um 09:24 Uhr
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Sophie ReinhardtRedaktorin Politik

Wie schreibt man am besten einen Text, in welchem sich alle angesprochen fühlen? Diese Gender-Frage beschäftigt gerade viele Unternehmen und Institutionen. Vielleicht mit dem Genderstern, dem Binnen-I oder doch dem Doppelpunkt?

Auch die offizielle Schweiz hat sich der Frage angenommen und deshalb einen Leitfaden zum geschlechtergerechten Formulieren erstellt. Nach diesem haben sich die Angestellten der Bundesverwaltung zu richten, wenn sie Texte verfassen. Die Vorgaben stellte die Bundeskanzlei auf.

Der Genderstern ist verboten

In dieser Weisung verbietet die Bundeskanzlei den Beamten etwa, den Genderstern und andere typografische Mittel zur genderneutralen Sprache zu benutzen.

Das Gendersternchen ist in Publikationen des Bunds verboten. Stattdessen werden in deutschen Texten die Nennung der weiblichen und männlichen Form empfohlen.
Foto: imago images
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Was nun zweisprachigen Menschen in der in den Anfang Jahr publizierten Schriften auffällt: Es gibt sehr unterschiedliche Haltungen, je nachdem, in welcher Landessprache die Mitarbeiter in der Verwaltung ihren Text schreiben. So wird etwa im Deutschen darauf hingewiesen, dass man möglichst Männer und Frauen ansprechen solle, etwa mit Formulierungen wie dieser: «Stimmbürgerinnen und Stimmbürger». Weiter ist zu lesen, dass das generische Maskulinum nicht zulässig sei in den Texten.

Die französische und italienische Variante wiederum empfehlen genau das Gegenteil. Dort wird das generische Maskulinum diktiert. Die männliche Form stehe repräsentativ für alle. Mit dem Leitfaden werde ein Französisch gefördert, das sich an «alle richtet und niemanden diskriminiert», heisst es im Vorwort des Leitfadens.

Bundesrat sieht kein Problem

Seit der Veröffentlichung haben sich mehrere französischsprachige Stimmen erhoben, die das Dokument kritisieren, wie RTS berichtete. Darunter ist auch der Walliser SP-Nationalrat Emmanuel Amoos (42).

«Ich habe das Gefühl, dass wir gerade 20 Jahre der Entwicklung hin zu mehr Gleichheit verloren haben», sagt er zu Blick. Es sei abwegig, die Gleichheit verteidigen und die Diskriminierung bekämpfen zu wollen, indem man die Verwendung des generischen Maskulinums in allen offiziellen Texten des Staates empfiehlt, so der Walliser.

Vom Bundesrat wollte er darum wissen, ob dieser bereit sei, diese Leitfäden zurückzuziehen und mithilfe von Expertinnen und Experten neue Empfehlungen vorzuschlagen. Doch die Regierung sieht keine Dringlichkeit darin, wie sie im März mitteilte.

«Die überwiegende Mehrheit der französisch- und italienischsprachigen Sprecherinnen und Sprecher verwendet und versteht das generische Maskulinum in seinem inklusiven Wert, wie es gelehrt wird», so der Bundesrat. Amoos will nun einen Vorstoss zum Thema einreichen.

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