Aufstand gegen Sparhammer des Bundes
Kantone stoppen Zusammenarbeit bei Asylstrategie

Der Bundesrat plant Kürzungen bei den Zahlungen für Geflüchtete. Das verärgert die Kantone. Die Konferenz der kantonalen Sozialdirektoren hat ihre Mitarbeit an der neuen Asylstrategie ausgesetzt. Bundesrat Beat Jans sucht nun das Gespräch, um die Situation zu klären.
Publiziert: 03.10.2024 um 19:16 Uhr
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Aktualisiert: 03.10.2024 um 19:37 Uhr

Kurz zusammengefasst

  • Bund will bis 2028 mindestens 300 Millionen Franken sparen
  • Er will Gelder für Geflüchtete und Kitas kürzen
  • Kantone protestieren gegen Sparpläne des Bundesrats
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Die Kantone sistieren einstweilen ihre Mitarbeit an der neuen Asylstrategie.
Foto: Keystone
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Joschka SchaffnerRedaktor Politik

Noch mehr Ärger für Beat Jans (60): Erst gerade wurde der Asylminister vom Bund zurückgepfiffen, nun stellen sich auch die Kantone gegen ihn. Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, haben die kantonalen Sozialdirektorinnen und -direktoren entschieden, ihre Mitarbeit an der neuen Asylstrategie bis auf Weiteres zu sistieren.

Ihren Entscheid teilten sie Jans in einem Schreiben mit, heisst es aus Kantonskreisen. Grund für den Protest: das grosse Sparpaket des Bundesrats. Neben zahlreichen anderen Massnahmen will der Bund darin auch weniger lange für Geflüchtete zahlen.

Jans sucht das Gespräch

Jans’ Departement bestätigt das Schreiben. Auch der Städte- und der Gemeindeverband habe es unterzeichnet. «Bundesrat Beat Jans bedauert diese Entwicklung», schreibt das Departement. Der Asylminister werde die Kantone und Gemeinden zu einem klärenden Gespräch einladen, damit die laufenden Arbeiten bald fortgesetzt werden können.

Die Arbeit an der Asylstrategie hat erst kürzlich begonnen. Sie soll das Asylsystem besser an schwankende Zahlen anpassen und Unterbringungsprobleme lösen. Hierbei spielen die Kantone eine zentrale Rolle.

Bund will mit Kürzung 500 Millionen Franken sparen

Die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und -direktoren will sich zum Inhalt des Briefes nicht äussern. Generalsekretärin Gaby Szöllösy (58) bestätigt jedoch die Verärgerung. «Wir suchen nun das Gespräch», sagt Szöllösy. Zur Asylstrategie meint sie: «Es ist schwierig, eine Strategie zu erarbeiten, wenn sich die Voraussetzungen plötzlich fundamental ändern.»

Derzeit zahlt der Bund den Kantonen eine Globalpauschale: für Flüchtlinge bis zu fünf Jahre, für vorläufig Aufgenommene bis zu sieben Jahre. Diese Pauschale deckt die Kosten für die Sozialhilfe und einen Teil der Betreuungskosten.

Der Bundesrat plant, diese Zahlungen auf höchstens vier Jahre zu verkürzen. So schlug es die Expertengruppe um Serge Gaillard (69) vor. Dadurch soll der Bund bis 2028 mindestens 300 Millionen Franken und bis 2030 mindestens 500 Millionen Franken einsparen.

Kantone fühlen sich hintergangen

Die Expertengruppe und der Bundesrat gehen davon aus, dass so die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt beschleunigt werden kann. Für die Kantone ist dies aber unverständlich: Sie bezweifeln, dass sich die Integration per Dekret beschleunigen lässt. Zudem hätten sich Bund und Kantone vor fünf Jahren auf eine Integrationsagenda und ein Monitoring geeinigt, sagt Gaby Szöllösy. Für die Sozialdirektorinnen- und direktoren sei es «unverständlich», dass der Bund dies nun ignorieren wolle.

Auch der parteilose Zürcher Regierungsrat Mario Fehr (66) sowie die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (Skos) kritisieren den Sparplan. «Der Bund stiehlt sich schrittweise aus der Verantwortung in der Asylpolitik», sagt etwa Fehr. Die Skos bezeichnet die Vorschläge der Expertengruppe Gaillard als «realitätsfern». Die Integrationsagenda zeige Wirkung und dürfe nicht kurzfristigen Sparprogrammen zum Opfer fallen.

Weitere Massnahmen stehen an

Die Asylstrategie wird in nächster Zeit nicht der letzte Kampf zwischen Bund und den Kantonen sein. So will sich der Bund im Sparplan ebenfalls aus der Finanzierung von Kitas zurückziehen.

Ausserdem beschloss der Nationalrat kürzlich, Mehrausgaben für die Armee teilweise auf Kosten der Kantone zu finanzieren. Die Konferenz der kantonalen Finanzdirektorinnen und -direktoren kritisierte dies umgehend. Und im Ständerat – der Kammer der Kantone – dürften die Massnahmen auf Widerstand stossen.

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