CVP-Ständerat Beat Rieder (57) verteidigt Walliser Wildhüter
Wo der Wolf das schwarze Schaf ist

Drei Walliser Wildhüter stehen unter Wilderei-Verdacht. Sie sollen illegal Wölfe und Luchse gejagt haben. CVP-Ständerat und Anwalt Beat Rieder stellt sich vor die kantonale Wildhut – und fordert harte «Beweise».
Publiziert: 20.09.2020 um 23:05 Uhr
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Aktualisiert: 27.09.2020 um 21:34 Uhr
Ladina Triaca (Text) und Andrea Soltermann (Bilder)

Die Nerven im Wallis liegen blank. Mehrere Wildhüter werden beschuldigt, illegal Luchse und Wölfe gejagt zu haben. Im BLICK erheben insgesamt fünf Zeugen schwere Wilderei-Vorwürfe gegen einen aktuellen und zwei ehemalige Walliser Wildhüter.

Besonders unter Beschuss steht Pierre D*. Ihm wird vorgeworfen, eine Wolfsjagd organisiert und einen Jäger mehrmals aufgefordert zu haben, Luchse zu schiessen. BLICK liegt ein Foto vor, auf dem der Wildhüter einen toten Luchs in den Händen hält – und in die Kamera grinst. Die Walliser Behörden gehen nicht davon aus, dass D. der Täter war. Den Wildhüter scheint den Tod des Tiers allerdings nicht zu betrüben.

Wilderei «hart bestrafen»

Wildernde Staatsangestellte – und Chefs, die wegschauen? CVP-Ständerat und Anwalt Beat Rieder (57) widerspricht vehement: «Im Wallis wird Wilderei strafrechtlich konsequent verfolgt und hart bestraft.» Falls einem Wildhüter tatsächlich Wilderei nachgewiesen werden könne, «verliert dieser seinen Job, seine Existenz und landet im Gefängnis», betont Rieder.

Im Süden des Wallis gibt es kaum Luchse.
Foto: zVg
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Der Konservative kennt sich mit Wilderei-Fällen aus. Vor über 20 Jahren war er als junger Anwalt in die Affäre um den «Wolf von Reckingen» involviert: Im Winter 1998 wurde ein junger Wolf tot vor der Kadaverstelle in Reckingen im Oberwallis gefunden. Ein Unbekannter hatte das Tier illegal mit über 40 Schrotkugeln geschossen. Rieder verteidigte damals einen der Tatverdächtigen.

Kopf hinter dem Jagdgesetz

Das Raubtier hat ihn seither nie mehr ganz losgelassen. So war der Ständerat im Parlament einer der führenden Köpfe bei der Ausarbeitung des neuen Jagdgesetzes, das am 27. September zur Abstimmung kommt – und Wolfsabschüsse erleichtern soll.

«Ich sehe einfach das Elend, das dieses Raubtier bei uns anrichtet», sagt Rieder. Er führte BLICK quasi zum Beweis auf die Weide seines befreundeten Bauern Daniel Ritler (52) im Lötschental. Seit Frühling streift ein Wolf durch Rieders Heimat. 46 Schafe hat das männliche Tier mit dem technischen Namen M130 bereits gerissen. Acht davon gehörten Bauer Ritler.

Schafe nicht geschützt

Eigentlich können Wölfe, die wie M130 einen «erheblichen Schaden» an Nutztieren anrichten, bereits heute getötet werden. Das Problem im Lötschental: Die Schafe waren nicht ausreichend geschützt!

«Die Beurteilung der Risssituation ergab, dass die Nutztiere im Lötschental jeweils in nicht geschützten Situationen gerissen wurden», schreibt die Dienststelle für Jagd, Fischerei und Wildtiere des Kantons Wallis auf Nachfrage von BLICK. Aus diesem Grund seien die rechtlichen Vorgaben bisher nicht erfüllt gewesen, um einen Abschuss des Wolfes zu veranlassen.

30 Kilometer Zaun nötig

Haben Bauer Ritler und seine Kollegen auf der Alp Gugginen also einfach den Schafschutz vernachlässigt? «Sicher nicht!», entgegnet dieser. Es sei unmöglich, die insgesamt 600 Schafe am steilen Alphang ausreichend einzuzäunen.

«Wir haben 3,5 Kilometer gezäunt. Wenn wir das ganze Gelände einzäunen möchten, bräuchten wir 30 Kilometer Zaun!», erklärt Ritler. «Diese Vorschriften sind unmöglich einzuhalten», verteidigt ihn Ständerat Rieder. «Da fehlt schlicht jeglicher Realitätsbezug in Bern.»

Hoffen auf das Jagdgesetz

Die beiden Bergler hoffen nun auf das neue Jagdgesetz. Dieses sieht vor, dass einzelne Wölfe künftig bereits geschossen werden können, bevor sie einen Schaden anrichten. Etwa wenn sie in Schafställe eindringen oder ohne Scheu über Schulhöfe streifen. Neu soll zudem nicht mehr der Bund über Abschüsse entscheiden, sondern die Kantone.

Die Gegner des neuen Jagdgesetzes fürchten, dass Raubtiere wie der Wolf bei einem Ja am 27. September im Wallis ganz legal ausgerottet werden könnten. Bekannte Walliser Politiker wie SVP-Nationalrat Franz Ruppen (49) plädieren denn auch offen dafür, den Wolf in der Schweiz auszuradieren.

Rieder: «Das sind Illusionen»

«Ach, das sind Illusionen», sagt Rieder. «Jedes Tier hat eine Berechtigung zu leben.» Der Lötschentaler stellt sich vor die kantonale Wildhut: «Wir haben eine der schönsten und vielfältigsten Floras und Faunas Europas. Das haben wir unter anderem der hervorragenden Arbeit unserer Wildhüter und Jäger zu verdanken.»

Bei den aktuellen Wilderei-Vorwürfen handle es sich um bösartige Unterstellungen. «Wenn jemand Beweise hat, soll er sie gefälligst auf den Tisch legen – alles andere ist Teil einer gezielten Desinformationskampagne eine Woche vor der Abstimmung», findet er.

In einem Fall hat die kantonale Jagd-Dienstelle bereits reagiert. Nachdem einer ihrer Mitarbeiter im Westschweizer Fernsehen RTS anonym zugegeben hatte, einen Luchs getötet zu haben, erstattete die Dienststelle Anzeige gegen Unbekannt.

Erfolg für Rieder

Der «Wolf von Reckingen» beschäftigte die Justiz und Rieder nach dem Abschuss 1998 noch mehrere Jahre. 2002 stellten die Untersuchungsrichter das Verfahren ein. Der Schütze konnte bis heute nicht ermittelt werden. Rieders Mandant wurde freigesprochen.

* Name geändert

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