Debatte um Waffenlieferungen
Nun spricht Blocher ein Machtwort

Der Druck auf die Schweiz ist so gross, dass sogar SVP-Politiker mittlerweile nach Möglichkeiten suchen, damit die Schweiz Waffenlieferungen anderer Staaten in die Ukraine nicht mehr blockiert. SVP-Doyen Christoph Blocher aber pfeift sie nun zurück.
Publiziert: 02.02.2023 um 19:32 Uhr
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Aktualisiert: 02.02.2023 um 21:38 Uhr
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Daniel BallmerRedaktor Politik

Für SVP-Doyen Christoph Blocher (82) sind das alles nur Taschenspielertricks. Die Parteien überbieten sich derzeit mit Vorschlägen, wie die Schweiz die Ukraine in ihrem Verteidigungskrieg gegen Russland doch noch unterstützen kann. Denn unsere Neutralität verbietet das – was im Ausland aber je länger, desto weniger verstanden wird.

Dass nicht einmal andere Staaten Waffen, die sie früher von der Schweiz gekauft haben, weitergeben dürfen, sorgt für noch mehr Kopfschütteln. Doch die Nichtwiederausfuhrerklärung, die Käufer von Schweizer Waffen unterschreiben müssen, verlangt genau das.

Deutschland und weitere Nato-Staaten drohen bereits, kein Schweizer Rüstungsmaterial mehr zu kaufen, wenn dieses in Kriegszeiten nicht verwendet werden kann – mit verheerenden Folgen für die Schweizer Rüstungsindustrie.

Dänemark durfte keine Piranha-Radschützenpanzer aus Schweizer Produktion an die Ukraine weitergeben.
Foto: Imago
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Das bringt nun sogar SVP-Politiker zum Umdenken. Ständerat Werner Salzmann (60) schlägt Ausnahmen vor. Als Präsident der zuständigen Ständeratskommission ist er einer der wichtigsten Sicherheitspolitiker in der SVP, und er findet: Die Schweiz als neutrales Land könne die Ukraine nicht direkt unterstützen, sie solle aber nicht blockieren, wenn andere Länder helfen wollen.

«Parlament hat diesen Blödsinn beschlossen»

Nun aber spricht Blocher ein Machtwort. «Das Kriegsmaterialgesetz ist erst kürzlich verschärft worden. Auch wenn die SVP dagegen war: Jetzt gilt es», stellt er seine persönliche Haltung klar. Die Partei hat ihre Position noch nicht festgelegt. Doch strikte Neutralität, die gleichzeitig die heimische Rüstungsindustrie gefährdet, bleibt ein Dilemma, nicht nur, aber auch für die SVP.

Man könne aber im Kriegsfall nicht kurzfristig alles übers Knie brechen und irgendwelche Schlupflöcher suchen, wie es gerade passe, ist Blocher überzeugt. «Das Parlament hat diesen Blödsinn beschlossen, jetzt muss es dazu stehen.»

«Bundesbern muss lernen, sich an das Gesetz zu halten»

Salzmann lehnt sich an einen Vorschlag von FDP-Präsident Thierry Burkart (47) an. Dieser will die Nichtwiederausfuhrerklärung für Staaten abschaffen, die ähnliche Werte vertreten wie die Schweiz und ein vergleichbares Exportkontrollregime haben – auch rückwirkend. Berlin könnte so längst beschaffte Schweizer Munition doch noch weitergeben. Salzmann will dies lediglich mit einer Frist ergänzen: Das Material dürfte frühestens fünf Jahre nach dem Kauf weitergegeben werden.

Doch gerade rückwirkende Regeländerungen ärgern Blocher. «Ein Rechtsstaat kann nicht rückwirkend die Spielregeln ändern, seine Glaubwürdigkeit wäre dahin», sagt er zu Blick. «Bundesbern muss lernen, sich an das Gesetz zu halten.» Daher habe Wirtschaftsminister Guy Parmelin (63) bisher gar keine andere Wahl gehabt, als Anfragen anderer Staaten für den Export von Rüstungsmaterial abzulehnen.

Panzer-Lieferungen wären gegen Neutralität

Auch der Idee aus FDP-Kreisen, stillgelegte Leopard-Panzer an Partnerstaaten wie Deutschland oder Polen weiterzugeben, damit diese nach der Abgabe eigener Panzer ihre Arsenale wieder auffüllen können, kann Blocher nichts abgewinnen: «Eine solch eindeutige Bevorzugung einer Kriegspartei verträgt sich nicht mit unserer Neutralität.»

Dass dies die hiesige Rüstungsindustrie gefährde, sei vor der Gesetzesverschärfung absehbar gewesen. Die Rüstungsindustrie sei auf Exporte angewiesen. Und ein neutraler unabhängiger Staat wie die Schweiz sei auf eine eigene Rüstungsindustrie angewiesen. «Nun stecken wir im Dilemma. Aber das hat sich das Parlament selbst eingebrockt.»

Einziger Ausweg: Gesetz wieder lockern

Für Blocher gibt es deshalb nur einen Ausweg: Das Kriegsmaterialgesetz muss so rasch wie möglich wieder gelockert werden. Das Verbot der Wiederausfuhr – also das Verbot, dass andere Staaten, die Schweizer Waffen gekauft haben, diese nicht weiterverkaufen dürfen – sei zu streichen: «Dann könnten andere Staaten mit Schweizer Waffen machen, was sie wollen.»

Würden diese Waffen an die Ukraine weitergegeben, hätte die Schweiz nichts mehr damit zu tun. «Es gäbe keine Verletzung unserer Neutralität», steht für Blocher fest. «Viele haben mittlerweile erkannt, dass wir uns ein Problem eingebrockt haben. Nun müssen wir halt entsprechend handeln.»

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