Ein Bisheriger fliegt
In Basel tobt der Wahlkampf schon jetzt

Der Kanton Basel-Stadt verliert einen Sitz im Nationalrat. Nun geht das Hauen und Stechen um die vier verbliebenen los.
Publiziert: 27.07.2023 um 20:19 Uhr
|
Aktualisiert: 22.08.2023 um 14:48 Uhr
RMS_Portrait_AUTOR_401.JPG
Tobias BruggmannRedaktor Politik

Die «Reise nach Jerusalem» führt in diesem Jahr nach Bern. Im Kanton Basel-Stadt stoppt die Musik am 22. Oktober 2023 – Wahltag. Die fünf bisherige Kandidaten Mustafa Atici (53), Sarah Wyss (34), Sibel Arslan (43), Katja Christ (50) und Patricia von Falkenstein (62) kämpfen um vier Sitze: Weil der Kanton Basel weniger stark gewachsen ist, verliert der Kanton einen Nationalratssitz. Ein Bisheriger findet keinen Stuhl.

«Es ist eine ausserordentliche Situation und bisher der spannendste Wahlkampf», sagt Politologe Claude Longchamp (66). «Es wird eine Richtungsentscheidung: Kann rot-grün die Mehrheit halten oder gibt es ein Patt mit je zwei Sitzen für rot-grün und die Bürgerlichen.» Der Wahlkampf sei aussergewöhnlich früh gestartet. «Normalerweise beginnt der jeweils im August. In Basel waren alle schon vor den Sommerferien im Wahlkampf-Modus.»

Die GLP in der Kritik

Besonders die Basler GLP stand früh in der Kritik. Sie tritt mit einer breiten Listenverbindung von FDP, LDP, Mitte und EVP an. Die GLP wollte jedoch mit acht Unterlisten antreten, die gemäss Nationalrätin Katja Christ die verschiedenen Flügel der Partei repräsentieren sollten. Dazu soll die Mobilisierung gestärkt werden. Doch klar ist auch: Es geht um zusätzliche Wählerstimmen.

In Basel kandidieren fünf bisherige Nationalräte für vier Plätze.
Foto: Keystone
1/10
In diesem Jahr müssen die Kandidaten ihr Budget offenlegen

Doch Christ musste für ihr Vorgehen scharfe Kritik von ihren Partnern anhören, die nicht eingeweiht waren. «Nicht sehr fair», hiess es zum Beispiel vonseiten der FDP. Schlussendlich reduzierte die GLP die Anzahl Unterlisten auf sechs.

«Man spürt schon, dass die Verteilkämpfe besonders hart sind», sagt Christ zu Blick. «Vielleicht fallen da manchmal auch Aussagen, die natürlich ebenfalls emotional geprägt sind. Aber in der Politik muss man auch einstecken können.» Wichtig sei, dass man selbst authentisch bleibe und am Ende des Tages in den Spiegel schauen könne. «Bis jetzt kann ich das.»

Prominenter FDP-Kandidat

Für die GLP ist es eine besondere Situation. Vor vier Jahren holte sie ihren Sitz nur sehr knapp, dank einer grossen Listenverbindung. Jetzt muss sie einerseits zusammen mit Listenpartner FDP genügend Leute überzeugen, andererseits aber auch besser abschneiden als die Liberalen.

Diese portieren mit dem ehemaligen Regierungsrat Baschi Dürr (46) einen prominenten Namen. Er dürfte im bürgerlichen Block einige Stimmen einsammeln und wird so zur Konkurrenz im eigenen Lager.

Möglich, dass am Ende sogar zwei Bisherige keinen Stuhl finden – dann, wenn ein Patt gelingt und Dürrs FDP die GLP überholt.

Bundesrats-Kandidatur als Wahlkampf-Hilfe?

Doch auch die anderen Kandidaten treibt der Wahlkampf um. SP-Nationalrat Atici muss um die Wiederwahl kämpfen – und will gleichzeitig in den Bundesrat. Schnell kam der Vorwurf auf, er wolle damit hauptsächlich seinen Wahlkampf befeuern.

Atici bestreitet das. «Ich habe noch nie etwas gemacht, nur um in die Medien zu kommen. Mein Ziel ist es tatsächlich, dass alle Bevölkerungsgruppen im Bundesrat vertreten sind, auch die Migrantinnen und Migranten.» Doch er gibt zu, dass die Aufmerksamkeit seit der Ankündigung zugenommen hat. «Ich bekomme viele Reaktionen, das schadet im Wahlkampf sicher nicht.»

Alle angefragten Politikerinnen und Politiker betonten die grosse Herausforderung. «Natürlich mache ich mir Gedanken, ob ich wiedergewählt werde», gibt SP-Nationalrätin Sarah Wyss zu. «Der Wahlkampf ist härter als in den vergangenen Jahren: Bis auf eine sind alle Nationalrätinnen und Nationalräte nachgerückt oder neu gewählt worden. Nun hat der Kanton einen Sitz weniger. Es geht deshalb um viel, das spürt man.»

«Dahinter kann es jede und jeden treffen»

Eine Prognose sei schwierig, die Situation sehr unübersichtlich, sagt Politologe Longchamp. «Am wenigsten gefährdet ist der Sitz von Sibel Arslan. Sie ist national bekannt und konnte dadurch ihre Position verbessern. Dahinter kann es jede und jeden treffen.»

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?