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Elektro-Autos, Bio-Beton und Vegischnitzel
Null CO2-Ausstoss – So würde unser Leben umgekrempelt

Netto null bis 2050: Das ist das Ziel des Bundesrats. Doch wie wohnen, bauen und essen wir dann? Und was kostet das? BLICK schaut in die klimaneutrale Zukunft.
Publiziert: 22.09.2019 um 11:21 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2020 um 12:55 Uhr
Tobias Bruggmann und Lea Hartmann

Für die SVP ist es eine Horrorvorstellung, für Grüne und SP der Traum: eine klimaneutrale Schweiz. 2050 soll die Schweiz netto null Treibhausgase ausstossen. Dieses Ziel hat der Bundesrat dem Land vor Kurzem gesetzt.

Netto null bedeutet nicht, dass gar kein CO2 mehr ausgestossen werden darf. Aber nur noch so viel, wie natürliche oder technische Speicher aufnehmen können. Deren Kompensations-Potenzial ist allerdings beschränkt.

So holen wir das CO2 aus der Luft

Wie kann man CO2 aus der Luft verschwinden lassen? Eine Methode dafür hat das ETH-Spinoff Climeworks entwickelt. Sein CO2-Sauger filtert das Treibhausgas aus der Luft und speichert es entweder in Steinen, gibt es als Dünger an ein Gewächshaus ab oder nutzt es zur Herstellung erneuerbarer Treibstoffe.

«In der Schweiz können wir das CO2 bisher nicht geologisch speichern, sondern müssen es direkt weitergeben», sagt Anna Ahn von Climeworks. In Island sei das anders. «Dort können wir das CO2 in nur zwei Jahren im Rahmen eines Forschungsprojekts zu Stein verwandeln.»

Doch die Kapazitäten sind noch beschränkt. «Unser Ziel ist es, ein Prozent der globalen Emissionen bis 2025 aus der Luft zu filtern», sagt Ahn. Es brauche also noch andere Lösungen.

Eine solche könnten die Bäume sein. Nicht nur, weil sie CO2 speichern. «Das Holz kann mehrfach verwendet werden, um energieintensives Material zu ersetzen», erklärt Klimaexperte Jürgen Blaser von der Fachhochschule Bern. Dafür müsse man in der Schweiz nicht viel mehr Bäume anpflanzen. «Wichtig ist, die bestehenden Wälder zu erhalten und zu pflegen.» Anders sehe es weltweit aus, dort müssten gerodete Wälder aufgeforstet werden. (brb)

CO2-Sauger des ETH-Spinoff Climeworks.
Daniel Kellenberger

Wie kann man CO2 aus der Luft verschwinden lassen? Eine Methode dafür hat das ETH-Spinoff Climeworks entwickelt. Sein CO2-Sauger filtert das Treibhausgas aus der Luft und speichert es entweder in Steinen, gibt es als Dünger an ein Gewächshaus ab oder nutzt es zur Herstellung erneuerbarer Treibstoffe.

«In der Schweiz können wir das CO2 bisher nicht geologisch speichern, sondern müssen es direkt weitergeben», sagt Anna Ahn von Climeworks. In Island sei das anders. «Dort können wir das CO2 in nur zwei Jahren im Rahmen eines Forschungsprojekts zu Stein verwandeln.»

Doch die Kapazitäten sind noch beschränkt. «Unser Ziel ist es, ein Prozent der globalen Emissionen bis 2025 aus der Luft zu filtern», sagt Ahn. Es brauche also noch andere Lösungen.

Eine solche könnten die Bäume sein. Nicht nur, weil sie CO2 speichern. «Das Holz kann mehrfach verwendet werden, um energieintensives Material zu ersetzen», erklärt Klimaexperte Jürgen Blaser von der Fachhochschule Bern. Dafür müsse man in der Schweiz nicht viel mehr Bäume anpflanzen. «Wichtig ist, die bestehenden Wälder zu erhalten und zu pflegen.» Anders sehe es weltweit aus, dort müssten gerodete Wälder aufgeforstet werden. (brb)

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Der Bundesrat plant daher lediglich, fünf Prozent der heutigen CO2-Emissionen aus der Atmosphäre verschwinden zu lassen. Bis zu 95 Prozent will er einsparen. Und das wird ein schwierig. Denn 2017 stiess jeder Schweizer und jede Schweizerin 5,6 Tonnen Treibhausgase aus. Insgesamt sind das 47,2 Millionen Tonnen. In den letzten rund 30 Jahren sind die Emissionen nur um 12 Prozent zurückgegangen. Jetzt bleibt nochmals gleichviel Zeit. Wie will die Schweiz den Wettlauf gegen die Zeit gewinnen?

Die Ideen, wie Netto-Null umgesetzt wird, sind vielfältig. SP-Nationalrat Roger Nordmann will den wegfallenden Strom mit Solarenergie kompensieren.
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Elektro statt Benzin und Diesel

Zuerst muss der Verkehr klimafreundlicher werden. Er ist für fast ein Drittel des Schweizer CO2-Ausstoss verantwortlich. Fliegen noch nicht einberechnet.

Fast alle befragten Politiker wollen Benzin und Diesel durch Elektro- oder Wasserstoffantriebe ersetzen. Das heisst: Fast alle müssen ihr Auto wechseln. «Extra ein neues Fahrzeug kaufen muss man nicht. Das nächste Auto muss einfach elektrisch betrieben sein», sagt SP-Nationalrat Roger Nordmann (46).

Wer trotzdem noch mit einem Diesel oder Benziner durch die Schweiz kurven möchte, wird das wohl auch weiterhin können. Verbote wollen die wenigsten Parteien. Doch der Fahrspass könnte teuer werden. Schon am Montag diskutiert der Ständerat unter anderem über eine Verteuerung von Benzin und Diesel.

Das CO2-Gesetz nimmt zweiten Anlauf

Ein erster Schritt auf dem Weg zur klimaneutralen Schweiz – und damit zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens – ist das neue CO2-Gesetz. Es nimmt am Montag im Parlament einen neuen Anlauf. Die Bürgerlichen hatten den Entwurf im Nationalrat beim letzten Mal so verwässert, dass das Gesetz Schiffbruch erlitt.

Inzwischen hat der Wind bei der FDP auf grün gedreht – und im Ständerat liegt nun ein deutlich schärfere Vorschlag auf dem Tisch. Flugticket-Abgabe, Verteuerung von Benzin und Diesel, CO2-Grenzwert für Gebäude: Das sind nur einige der vorgesehenen Massnahmen, um die Schweiz aufs Klimaziel zu trimmen.

BLICK berichtet am Montag live aus der Debatte.

Der Ständeratssaal.
Der Ständeratssaal.
Keystone/Gaetan Bally

Ein erster Schritt auf dem Weg zur klimaneutralen Schweiz – und damit zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens – ist das neue CO2-Gesetz. Es nimmt am Montag im Parlament einen neuen Anlauf. Die Bürgerlichen hatten den Entwurf im Nationalrat beim letzten Mal so verwässert, dass das Gesetz Schiffbruch erlitt.

Inzwischen hat der Wind bei der FDP auf grün gedreht – und im Ständerat liegt nun ein deutlich schärfere Vorschlag auf dem Tisch. Flugticket-Abgabe, Verteuerung von Benzin und Diesel, CO2-Grenzwert für Gebäude: Das sind nur einige der vorgesehenen Massnahmen, um die Schweiz aufs Klimaziel zu trimmen.

BLICK berichtet am Montag live aus der Debatte.

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Ein weiteres Problem: Woher kommt der Strom, mit dem all die e-Autos fahren sollen? «Es ist wahnsinnig! Der Bundesrat hat Netto-Null beschlossen ohne zu wissen, wie er über 80 Prozent der gesamten Energieproduktion ersetzen will und was das kostet», regt sich SVP-Präsident Albert Rösti (52) auf.

Nordmann gibt sich optimistischer. Sein Plan: Solarenergie soll massiv ausgebaut werden. «Selbst nach einer konservativen Schätzung gibt es in der Schweiz auf Dächern und anderen Infrastrukturen genug Platz, um den fehlenden AKW-Strom nur mit Solarpanels zu kompensieren», sagt Nordmann, der die Branchenorganisation Swissolar präsidiert.

Nur scheint die Sonne nicht immer. Um ihre Energie in grossem Ausmass zu speichern, fehlt bis jetzt die Technologien. Dazu kommt: Im Winter liefert die Sonne zu wenig Strom. Also braucht es andere Energiequellen, zum Beispiel mehr Wasserkraft.

Wärmepumpe statt Ölheizung

Gebäude sind heute für einen Viertel der CO2-Emissionen in der Schweiz verantwortlich. Damit Netto-Null Realität wird, müssen auch unsere Wohnungen und Häuser umgebaut werden. Öl- und Gasheizungen darf es im klimaneutralen Haus nicht mehr geben. Für wohlig warme Temperaturen im Winter und heisses Wasser in der Dusche sollen Wärmepumpen, Holzpellets, Sonnenenergie oder Biogas sorgen.

Der Austausch der Heizung aber reicht nicht. Auch die Energieeffizienz der Gebäude muss stimmen – Minergie oder vergleichbare Standards werden wohl Pflicht. «Die meisten Gebäude werden zudem mit Solarzellen ausgerüstet sein», sagt GLP-Nationalrat Martin Bäumle (55). Nicht nur auf dem Dach, sondern auch auf Fassaden. Selbst Fenster sollen Solarstrom produzieren.

«Will man bis 2050 so weit sein, müsste man das Tempo der Sanierungen verdreifachen. Das ist unrealistisch», sagt SVP-Präsident Rösti. SPler Nordmann will das Tempo vervierfachen. Dementsprechend höher liegen die Abschreibungen. Was das für die Mieten heisst, kann noch niemand abschätzen.

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Holz statt Beton

Heute wird viel Beton und Stahl verbaut. Gift für das Klima: Auch wenn die Branche ihre Emissionen seit 1990 um 18 Prozent gesenkt hat – gerade die Zementindustrie ist noch immer eine der grössten CO2-Schleudern überhaupt. Aber auch die Herstellung von Stahl, Aluminium und Papier ist CO2- und energieintensiv. «In diesem Bereich wird es nie möglich sein, ganz CO2-neutral zu werden», sagt FDP-Nationalrätin Christa Markwalder (44).

Eine deutliche Reduktion ist aber möglich. Dafür muss man zum Beispiel Recycling-Verfahren entwickeln, auf Biogas und Wasserstoff setzen oder alternative Baustoffe verwenden, zum Beispiel Holz oder Bambus. Zudem entwickelt die Branche umweltfreundlicheren Zement.

Radiesli statt Rind

Zum Zmittag gibts einen Gemüseteller. Fleisch kommt nur noch zu besonderen Anlässen auf den Tisch, wenn wir klimaneutral werden wollen – gerade die Rindviehhaltung verursacht viel CO2. «Wir müssen unseren Fleischkonsum deutlich reduzieren», bestätigt Jürgen Blaser (63) von der Berner Fachhochschule. Gemüse hingegen liesse sich klimaneutral anbauen. Auch hier meldet SVP-Präsident Rösti Bedenken an: «Auf zwei Drittel der Schweizer Landwirtschaftsfläche können nur tierische Produkte angebaut werden. Alternativ bleiben Importe. Wegen des Transports ist das unökologisch.»

Doch die Landwirtschaft bietet auch Klima-Chancen, wie Experte Blaser sagt. «Sie hat das Potenzial, über den Aufbau organischer Substanz in den Böden langfristig viel zusätzliches CO2 zu speichern.»

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Stofftasche statt Plastiksack

Für eine CO2-neutrale Schweiz muss der Abfall deutlich reduziert werden. Kehrichtverbrennungsanlagen sind etwa für fünf Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Damit es besser wird, muss vor allen die Recyclingquote erhöht werden. Aber es entstehen auch schon Läden, wo die Produkte unverpackt sind und man seine eigene Einkaufstüte mitbringt.

Und was bedeuten die Netto-Null-Pläne für das eigene Portemonnaie? Die SP rechnet mit drei Milliarden Franken, die der Weg zur klimaneutralen Schweiz kosten wird. Weswegen Rösti meint: «Wenn Netto Null 2050 kommt, wird der Schweizer Mittelstand ausgeblutet sein.» Für Nordmann sieht die Rechnung anders aus. Den Grossteil des Geldes soll der Bund über Fördermodelle beisteuern. «Mit diesem Geld wird aber das doppelte an privaten Investitionen ausgelöst», sagt er. Hier knüpfen Bäumle und Markwalder an. Netto-Null, sagen sie, sei eine Chance für die Wirtschaft.

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