Frauen, Männer, Macht
Ja, Gleichberechtigung kann weh tun

Wenn Frauen Anspruch auf Führungspositionen erheben, zahlen die Männer den Preis dafür.
Publiziert: 13.11.2022 um 09:50 Uhr
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Camilla AlaborRedaktorin

Noch vor 20 Jahren fand der heutige SP-Ständerat Daniel Jositsch Frauenförderung eine gute Sache. In einem Leserbrief im Jahr 2000 schrieb Jositsch, die Geschlechterquote habe für Männer «durchaus praktische Vorteile»: «Nach Einführung der Quote kandidieren wir mit gutem Gewissen und ohne die Gefahr, zum ‹Ladykiller› zu werden, für diejenigen Ämter, die uns zur Verfügung stehen, und das sind immerhin 50 Prozent.»

Nun, da sich das Prinzip der Gleichberechtigung gegen ihn richtet, wittert Jositsch Diskriminierung. Er findet es unfair, dass die SP für die Nachfolge von Bundesrätin Simonetta Sommaruga nur Frauen aufstellen will. Seine Wahl hätte zur Folge, dass wohl nur noch zwei Frauen im Bundesrat vertreten wären – doch das ficht ihn nicht an.
Jositschs Frust ist verständlich. Nicht zuletzt, weil die SVP bei der Debatte um die Anzahl Frauen im Bundesrat zu Unrecht völlig ungeschoren davonkommt: Die Schweizerische Volkspartei hat – mit Ausnahme von Eveline Widmer-Schlumpf, die gegen den Willen der Partei gewählt wurde – noch nie eine Bundesrätin gestellt.
Dennoch stellt sich die Frage, ob Jositschs Leserbrief mehr als nur ein Lippenbekenntnis war. Denn ihm muss klar gewesen sein: Gleichberechtigung heisst, dass Männer ihren Exklusivanspruch auf Führungspositionen verlieren. Das ist ja genau der Punkt.
Vielleicht tröstet ihn – und andere Männer, die sich durch den Führungsanspruch von Frauen bedroht fühlen – folgende Erkenntnis: Sollte die Gleichberechtigung dereinst erreicht sein, werden auf Führungsposten genauso viele mittelmässige Frauen wie Männer hocken. Wir werden also alle guten Grund zum Klagen haben, egal ob über den Chef oder die Chefin.


Wer darf hier Platz nehmen? Das Bundesratszimmer im Bundeshaus.
Foto: Keystone
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