Im Jetstream entsteht das Extremwetter
Forscher warnen vor mehr Hitzewellen in Europa

Rekordhitze und Dürren in den USA sowie Starkregen und Überschwemmungen in Südosteuropa, aber auch in Japan. Und anhaltende Trockenheit in der Schweiz. Forscher haben entdeckt, weshalb letzten Sommer verschiedene Wetterextreme gleichzeitig auftraten.
Publiziert: 30.04.2019 um 14:25 Uhr
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Aktualisiert: 30.04.2019 um 16:59 Uhr

Der trockene Sommer 2018 in der Schweiz ist allen noch gut in Erinnerung. Die Bauern mussten Wiesen künstlich bewässern, und Helis flogen Wasser auf die Alpen. Viele Landwirte schlachteten Tiere, weil sie Ende Jahr nicht mehr genug Futter fürs Vieh hatten.

Aber nicht nur bei uns war Mitte 2018 das Wetter durch extreme Ereignisse geprägt, sondern auf der gesamten Nordhalbkugel traten nahezu gleichzeitig im Juni und Juli spezielle Wettereignisse auf: Es gab Rekordhitze und Dürren in Nordamerika und Westeuropa, aber auch Starkregen und Überschwemmungen in Südosteuropa und Japan.

Forscher kennen nun den Grund dafür. Die Wetterereignisse sind einem Phänomen in 10 Kilometer Höhe geschuldet: dem Jetstream, dem starken Wind, der die Erde von West nach Ost umrundet – und eben unser Wetter beeinflusst.

Schweizweit herrschte vergangenen Sommer wie hier im Kanton Aargau grosse Trockenheit.
Foto: Keystone
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Letzten Sommer blieben die Wellen des Jetstream-Windbandes nämlich längere Zeit einfach stehen, statt weiter zu wandern – «dadurch hielten in den betroffenen Regionen die Wetterbedingungen länger an und wurden zu Wetterextremen», schreibt das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) in einer Mitteilung.

Phänomen führte 2003, 2006 und 2015 zu Hitzewellen

Wenn dieses Phänomen auftritt und die «grossen Schlängelungen» über Wochen an einer Stelle verharren, entwickeln sich aus einigen sonnigen Tagen plötzlich Hitzewellen oder gar Dürren, und aus ein paar regnerischen Tagen allenfalls Fluten.

Das gleiche Muster verzeichneten die Forscher auch bei den europäischen Hitzewellen 2003, 2006 und 2015, die zu den extremsten jemals aufgezeichneten gehören.

Kai Kornhuber von der Universität Oxford und dem PIK ist Leitautor der Studie des Klimaforscher-Teams, das diese Entdeckung machte: Man habe herausgefunden, «dass die spezifischen Orte und der Zeitpunkt der Wetterextreme im Sommer 2018 nicht zufällig, sondern direkt mit dem Entstehen eines sich wiederholenden Musters im Jetstream verbunden waren».

Stockende Wellen treten vermehrt auf

Das Windmuster tritt in den letzten 20 Jahren immer häufiger auf und dauert zunehmend länger. «In den zwei Jahrzehnten vor 1999 gab es keine Sommer, in denen wir dieses Muster der stockenden Wellen über eine Dauer von zwei Wochen oder noch länger hatten, aber seitdem haben wir bereits sieben solcher Sommer erlebt», sagt Co-Autor Dim Coumou von der Vrije Universiteit Amsterdam und dem PIK.

Die Wissenschaftler fanden das Windmuster bei anhaltenden Hitzeextremen in Westeuropa, Nordamerika und in der Region um das Kaspische Meer.

Landmassen heizen sich rascher auf

Die Forscher erwarten, dass das Windmuster durch den Klimawandel und die menschgemachte globale Erwärmung in Zukunft noch häufiger auftreten wird. Dafür gebe es zwei Ursachen.

Erstens erwärmen sich die Landmassen schneller als die Meeresgebiete. Das wiederum führt zu einem grösseren Temperaturunterschied zwischen Land und Ozean. Die Wissenschaftler gehen nun davon aus, dass diese höhere Temperaturdifferenz die Entstehung der Wellenmuster begünstigt.

Zweitens könnte ein weiterer wichtiger Grund sein, «dass der Nordatlantik kühler ist, als er sein müsste», so die Klimaforscher. Dies sei wahrscheinlich eine Folge der Verlangsamung des Golfstroms. Das bedürfe jedoch noch weiterer Untersuchungen, sagt Stefan Rahmstorf, Leiter der Abteilung Erdsystemanalyse am PIK.

Risiken für die Nahrungsmittelproduktion wachsen

Klar aber ist: Die Studie zeigt deutlich, dass das gleichzeitige Auftreten von extremen Wetterereignissen in verschiedenen Regionen der Nordhalbkugel die Risiken für die Menschen und die globale Nahrungsmittelproduktion erhöhen, da sich in den betroffenen Gebieten wichtige Kornkammern befinden – und weil die Mehrheit der Menschen auf der nördlichen Erdhalbkugel lebt.

Und besonders brisant ist: Diese anhaltenden Hitzewellen, die durch stagnierende Wellenmuster entstehen, kommen auf zur globalen Klimaerwärmung «noch obendrauf». «Das erhöht das Risiko besonders extremer Hitzewellen, vor allem in Regionen wie Nordamerika und Europa», ergänzt Scott Osprey vom britischen National Centre for Atmospheric Science der Universität Oxford.

Immerhin hoffen die Forscher nun, dank der Entdeckung des Wellenmusters eine verbesserte Vorhersage künftiger extremer Wetterereignisse auf der Nordhalbkugel machen zu können. (pt)

Alles, was Sie über den Klimawandel wissen müssen

Der Klimawandel ist in aller Munde – und das nicht erst seit gestern. Doch was verbirgt sich eigentlich hinter diesem Begriff? Hier erfahren Sie alles, was Sie über den Klimawandel wissen müssen.

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