Nach Crash der Grossbank
Fünf Mitglieder der CS-Konzernleitung im Visier der Finma

Die Finma hat gegen fünf Konzernleitungsmitglieder der Credit Suisse ein Enforcementverfahren eröffnet. Was dazu bekannt ist – und was nicht.
Publiziert: 10.01.2024 um 20:34 Uhr
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Aktualisiert: 10.01.2024 um 22:05 Uhr
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Holger Alich
Handelszeitung

Wer trägt die Verantwortung für den Crash der Credit Suisse? Welche Bankoberen sind im Visier der Finma? Auch knapp ein Jahr nach der Notfusion vom März 2023 sind diese Fragen aktuell. Vor Weihnachten legte die Finma-Spitze angeführt von Präsidentin Marlene Amstad einen Bericht dazu vor, was aus Sicht der Aufsicht bei der CS alles schiefgelaufen ist. Der Report verzichtet aber darauf, die Schuldigen mit Namen zu nennen. 

Dennoch enthält der Bericht spannende Hinweise darauf. So führt die Finma auf Seite 48 aus, dass die Aufsicht «insgesamt acht Enforcementverfahren gegen CS-Führungspersonen eröffnete». Und: Gleich fünf dieser Verfahren richteten sich gegen Mitglieder der Geschäftsleitung der Credit Suisse.

60 Berufsverbote verhängt

Das Enforcementverfahren ist die schärfste Waffe im Arsenal der Aufsicht. Bei Einzelpersonen kann am Ende eines solchen Verfahrens im Extremfall ein Berufsverbot stehen. Laut Finma hat die Aufsicht seit 2009 gegen rund 60 Personen ein Berufsverbot verhängt – davon zwei Drittel für Managerinnen und Manager der obersten Chef-Etagen. 

Die Finma-Spitze unter der Führung von Präsidentin Marlene Amstad hat einen Bericht über den CS-Crash vorgelegt.
Foto: Keystone
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Artikel aus der «Handelszeitung»

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Von den insgesamt acht Verfahren gegen CS-Verantwortliche sind laut Finma-Bericht noch fünf hängig. Drei wurden abgeschlossen, sie stehen im Kontext der sogenannten «Spygate-Affäre». Laut Finma wurden zwei dieser Untersuchungen eingestellt, weil sich die betreffenden Personen verpflichtet haben, nie mehr bei einem von der Finma beaufsichtigten Institut zu arbeiten. 

Die noch laufenden fünf Enforcements betreffen zum einen den Skandal um die Lieferkettenfonds von Greensill; hier sind vier Verfahren hängig. Ein weiteres Verfahren führt die Finma gegen einen CS-Manager im Konnex mit dem Fünf-Milliarden-Verlust aus Geschäften mit dem Family Office Archegos. Diese Zuweisung der Fälle ergibt sich aus der bisherigen Kommunikation der Finma. 

Spannender als die Fallzuweisung ist aber die Frage: Wer hatte oder hat ein Enforcementverfahren am Hals? Dazu schweigt die Finma eisern. Gespräche mit aktiven und ehemaligen CS-Managern lassen einige Schlüsse zu, vollständige Klarheit gibt es in der Frage aber nicht.

Laut Informationen der «Handelszeitung» hat die Finma ein Verfahren gegen Ex-CS-Thomas Gottstein eröffnet, was als Erstes der SonntagsBlick berichtet hat. Ein Sprecher des ehemaligen CS-Chefs will die Information nicht kommentieren. Den Quellen zufolge bezieht sich das Verfahren vor allem auf Gottsteins Verantwortung für die Fehler der Credit Suisse im Fall Greensill.

Thomas Gottstein

Der Greensill-Skandal explodierte im März 2021. Damals musste die CS die Lieferketten-Fonds schliessen. Bei diesen Produkten wählte nicht die Bank, sondern die Boutique Greensill Capital jene mit Lieferketten-Krediten besicherten Wertpapiere aus, in welche der Fonds investierte und die Probleme bereiteten. Bis heute warten Kundinnen und Kunden noch auf Geld. Laut Finma hatte die CS im Fall Greensill beim Risikomanagement und punkto Betriebsorganisation «in schwerer Weise» gegen die aufsichtsrechtlichen Pflichten verstossen. 

Laut Personen mit Kenntnissen der Vorgänge fuchst es Gottstein sehr, dass die Finma in dem Fall kein Verfahren gegen Iqbal Kahn lanciert hat. Denn das Geschäft mit den Skandalfonds war im Assetmanagement angesiedelt, das zur fraglichen Zeit zu Khans Zuständigkeit zählte. Laut Insidern liess die CS sogar jeden Mitschnitt von Khans früheren Townhall-Meetings bei der CS abhören, um nach Hinweisen zu suchen, ob Khan die Greensill-Fonds nicht doch intern gepusht habe. 

Das grössere Problem für Gottstein ist indes die lange Verfahrensdauer der Finma-Untersuchung. Denn solange er ein Aufsichtsverfahren an der Backe hat, unterliegt er de facto einem Berufsverbot im Finanzbereich. Dabei will der Ex-CS-Chef durchaus wieder Verantwortung übernehmen – und nicht nur Golf spielen. 

Lara Warner

Ein weiteres ehemaliges Mitglied der CS-Geschäftsführung im Visier der Finma dürfte die ehemalige Risiko- und Compliance-Chefin Lara Warner sein. In die Amtszeit der amerikanischen und australischen Doppelbürgerin fielen die Skandale Greensill und Archegos – in beiden Fällen hatte die Risikoüberwachung eklatant versagt – für die Warner am Ende zuständig war, bis sie im Herbst 2021 die Bank verlassen musste. Seitdem ist es ruhig um die heute 57-Jährige geworden, es ist nicht bekannt, dass sie wieder eine Stelle in einem namhaften Finanzinstitut irgendwo auf der Welt übernommen hat. Eine Linkedin-Kontakt-Anfrage liess sie unbeantwortet. 

Eric Varvel

Wenn es um die persönliche Verantwortung für den Fall Greensill geht, fällt in CS-Kreisen auch der Name von Eric Varvel. Quellen halten es daher für sehr plausibel, dass die Finma auch gegen den US-Amerikaner ein Enforcementverfahren laufen hat. Varvel war bis April 2021 Chef des Assetmanagements, das zwar formal der Vermögensverwaltung unterstellt war. Doch Varvel führte die Sparte sehr eigenständig und liess sich nicht hineinreden, heisst es. 

Beim Vertrieb der Lieferkettenfonds spielte Varvel eine wichtige Rolle, er pries sie gegenüber Kunden als Wunderinvestment an – mit attraktiven Renditen bei tiefen Risiken. Im Vordergrund dürfte die Frage stehen, ob Varvel die Kunden ausreichend über die Risiken der Investments aufgeklärt hat. Aktuell arbeitet der langjährige CS-Topmann als «Senior Advisor» bei der US-Firma Global Infrastructure Partner. Das Unternehmen wollte eine Frage zu einem möglichen Enforcementverfahren gegen Varvel nicht kommentieren. 

Pierre Olivier-Bouée

Laut Quellen aus dem Umfeld der früheren CS-Spitze dürfte auch die frühere Nummer zwei der CS, Pierre Olivier-Bouée, Ziel eine Enforcementverfahrens gewesen sein. Es war der Vertraute von Ex-CS Tidjane Thiam, der über inoffizielle Kanäle wie Whatsapp-Chats Beschattungen organisiert hatte. Als die Verfolgung von Ex-CS-Topmann Khan 2019 unter grossem Mediengetöse publik wurde, verliess der Franzose die Konzernleitung. Nachdem die Beschattung des damaligen Personalschefs Peter Goerke aufflog, entliess ihn die Bank fristlos. Laut Finma hatte die CS zwischen 2016 und 2019 insgesamt sieben Observationen geplant und grösstenteils durchgeführt. 

Die drei «Spygate» Verfahren gegen CS-Manager sind mittlerweile alle abgeschlossen, bei zwei hatten die Betroffenen der Finma versprochen, nie mehr für ein Schweizer Finanzunternehmen zu arbeiten – Verzichtserklärung heisst dies im Finma-Sprech. Bouée arbeitet heute bei der Unternehmensberatung Capgemini in Paris. Das Unternehmen liess eine Anfrage zu dem Thema unbeantwortet.

Im Blick auf den «Spygate»-Skandal ist zudem bekannt, dass sich ein weiteres Enforcementverfahren gegen den ehemaligen Sicherheitschef der Bank gerichtet hat. Sein Fall zählt zu jenen, die mittels einer sogenannten Verzichtserklärung aus der Welt geschafft werden konnte, bestätigt sein Anwalt. 

Was ist mit Thiam?

Damit steht die Frage im Raum, wer Ziel der dritten «Spygate»-Verfahren war: Frühere CS-Manager bis hin zu Ex-Mitgliedern der Geschäftsleitung zeigen alle auf Ex-CS-Chef Tidjane Thiam – doch einen harten Beleg dafür, dass Thiam tatsächlich Ziel eines Enforcementverfahrens war, gibt es nicht. Thiams Umfeld bestreitet daher auch mit Nachdruck, dass der Ex-CS-Chef je im Visier der Finma war. Wer etwas anderes behaupte, müsse mit Klagen rechnen, heisst es. 

Schlechte Presse aus seiner Zeit als CS-Chef, die von 2015 bis 2020 währte, kann der 61-Jährige nicht gebrauchen, denn Thiam strebt nach höheren Weihen: Kurz vor Weihnachten wurde er zum Vorsitzenden der Demokratischen Partei der Elfenbeinküste gewählt, der grössten Oppositionspartei des afrikanischen Landes. 2025 will Thiam dann Präsident des Landes werden. 

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