«Sharenting» und «Momfluencer»
Nationalrat will Kinder vor ihren Influencer-Eltern schützen

Der Nationalrat will das sogenannte «Sharenting» und das Influencer-Marketing mit Kindern verhindern. Eltern sollen dafür etwa unmittelbar kein Geld mehr erhalten. Grünen-Nationalrat Raphaël Mahaim hat allerdings schon striktere Massnahmen ins Auge gefasst.
Publiziert: 25.09.2024 um 20:04 Uhr
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Aktualisiert: 26.09.2024 um 16:43 Uhr

Kurz zusammengefasst

  • Nationalrat will besseren Schutz für Kinder im Internet
  • Sie sollen dafür etwa kein Geld mehr erhalten
  • Grünen-Nationalrat Raphaël Mahaim schlägt striktere Massnahmen vor
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Sarah Leutenegger hat sich entschieden, die Gesichter ihrer Kinder nicht mehr auf den sozialen Medien teilen.
Foto: Instagram/saraleutenegger
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Céline ZahnoPraktikantin Politik

Auf Instagram sind die Gesichter von Sarah Leuteneggers (30) Kindern ab sofort nicht mehr zu sehen. Die Zürcher Influencerin hat ihren Followerinnen und Followern diese Woche mitgeteilt, dass sie künftig nicht mehr alles mit ihnen teilt. Eine Kehrtwende: Zuvor hatte sie ihre Kinder ungeniert gezeigt.

Für sie sei es eine Entscheidung nach Bauchgefühl gewesen, sagte sie zu Blick. Jeder solle selbst entscheiden, wie er mit dem Thema umgehe, schrieb sie zum Post. «Leben und leben lassen.»

Nationalrat will besseren Kinderschutz

Viele Politiker und Politikerinnen teilen dieses Motto aber nicht. Eine Mehrheit des Nationalrats hat am Mittwoch eine Motion gutgeheissen, die Kinder im Internet besser schützen will. Die Motion nimmt primär das Influencer-Marketing ins Visier, also wenn mittels Kindervideos Werbung gemacht wird.

Sogenannte Momfluencerinnen – wie Sarah Leutenegger auch eine ist – gibt es immer mehr. Sie machen beispielsweise Werbung für Spielzeug oder Kinderkleider, zeigen ihre Kinder aber auch in Werbung für ganz andere Produkte rund ums Thema Familie.

Geld auf Kinder-Konto

Regula Bernhard Hug (49) vom Kinderschutz Schweiz begrüsst den ersten Schritt des Nationalrats – auch wenn die Forderung noch ziemlich schwammig ist. Den Vorstoss hatte einst die ehemalige Waadtländer Grünen-Nationalrätin Valentine Python (49) eingereicht. Er orientiere sich an französischem Recht: Für Werbung mit Kindern sollen nicht mehr die Eltern das Geld erhalten – stattdessen soll auf ein Konto fliessen, auf welches das Kind zugreifen kann, sobald es volljährig ist.

Es geht also nicht um ein komplettes Verbot des Postens von Kinderbildern, sondern darum, die Anreize für Eltern anders zu setzen. «Wir erwarten, dass Eltern weniger Fotos und Videos von ihren Kindern posten, wenn sie nicht mehr sofort Geld damit verdienen», so Bernhard Hug.

Tatsächlich dürfte der Anreiz für Influencer und Influencerinnen, ihre Kinder online zu zeigen, heute gross sein. Sie können mit gut produzierten Posts bis zu 2500 Franken pro Beitrag verdienen, sagte Tanja Hermann (37), Geschäftsführerin der Social-Media-Agentur Webstages, vergangenen Sommer zu Blick.

Wenn die Eltern das Problem sind

Im Parlament setzt sich Grünen-Nationalrat Raphaël Mahaim (40) zuvorderst für eine strengere Regulierung ein. «Tagtäglich werden Hunderte Kinderbilder im Internet gepostet, das ist eine riesige Gefahr für die Privatsphäre von Kindern», sagt er. Dieses Risiko habe der Nationalrat nun anerkannt – wie die konkreten Lösungen in der Gesetzgebung aussehen können, darüber müsse nun weiter diskutiert werden.

«Man könnte zum Beispiel festlegen, dass mit Kindern unter 14 oder 16 Jahren kein Geld gemacht werden darf. Oder dass Kinder zwischen 14 und 18 Jahren für einen Post ihr explizites Einverständnis geben müssen», sagt Mahaim. Er könnte sich auch eine breitere Regulierung vorstellen, die über das Influencermarketing hinausgeht.

So ist auch das sogenannte «Sharenting» umstritten. Also wenn Eltern Aufnahmen von Kindern ins Netz stellen, ohne damit Geld zu verdienen. Das kann ebenfalls heikel sein, weil die Bilder beispielsweise von Pädophilen missbraucht werden können.

Mahaim könnte sich vorstellen, das Datenschutzgesetz anzupassen, damit die Rechte von Kindern besser geschützt werden können. Heute schritten Kinderschutzbehörden praktisch nie ein wegen fehlenden rechtlichen Mitteln und Ressourcen. Und es reiche nicht, einfach auf die Eltern zu vertrauen: «Wenn die Eltern das Problem sind, muss es Wege geben, damit auf andere Art eingegriffen werden kann.»

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