Gewalt in den Stadien
Städte sehen Fussball-Liga im Abseits

Der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause kritisiert die Fussball-Liga. Es sei ihr nicht ernsthaft daran gelegen, Straftäter zu sanktionieren. Ihre Beteuerungen seien «fadenscheinig».
Publiziert: 17.03.2024 um 00:06 Uhr
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Aktualisiert: 17.03.2024 um 10:53 Uhr
Die Justiz- und Polizeidirektoren wollen Ausschreitungen einheitlich ahnden.
Foto: Keystone
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Andreas SchmidInlandredaktor

Mit besänftigenden Worten haben die kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren den Eklat verkleidet. Sie strichen die Einigungen auf Nebenschauplätzen heraus, um den Bruch mit der Swiss Football League zu kaschieren. Dabei wurde dieser offensichtlich, als Liga und Klubs am Donnerstag bekannt gaben, dass sie das sogenannte Kaskadenmodell nicht mittragen, weil es «nicht zielführend», «einseitig» und «unverhältnismässig» sei. Kollektiv würden auch friedliche Anhänger bestraft, anstatt die Übeltäter gezielt zu verfolgen. Der FC Zürich etwa wehrt sich bereits mit einem Rekurs gegen eine kürzlich von der Stadt einmalig durchgesetzte Sperrung der Südkurve.

Der Bruch war unausweichlich, die zuständigen kantonalen und städtischen Behörden sahen sich vor die Tatsache gestellt, ihr Konzept einseitig durchsetzen zu müssen. Einer, der seinen Ärger nicht in Watte packt, ist der Berner Sicherheitsdirektor und Mitte-Nationalrat Reto Nause. Er kritisiert gegenüber Blick die widerspenstigen Klubs und das Ausscheren der Fussball-Liga: Er zweifle inzwischen daran, dass die Vereine gewillt seien, Straftäter gezielt herauszufiltern und zu bestrafen, sagt Nause. Ihre Beteuerungen erwiesen sich nun als «fadenscheinig». Dabei hätten sie versprochen, dies statt mit personalisierten Tickets mit anderen Massnahmen zu forcieren. «Was die Liga jetzt macht, ist Obstruktion.» Nun sähen sich jene gestärkt, die Hooliganismus verharmlosten. Die Behörden als Bewilligungsinstanz hätten es in der Hand, auf Gewaltvorfälle zu reagieren. Mit der Liga mag sich Nause nicht mehr herumschlagen: «Unter diesen Voraussetzungen bin ich nicht mehr besonders an einem Dialog interessiert.» Er werde hingegen mit dem Berner Stadtklub YB im Gespräch bleiben. «Das funktioniert.»

Keine gültige Einigung mit Liga und Klubs

Das Kaskadenmodell der Justiz- und Polizeidirektorenkonferenz sieht vor, je nach Tat in- und ausserhalb der Stadien standardisierte Bestrafungen vorzunehmen. Das geht hin bis zur Schliessung von Fankurven und zum Abbruch von Ticketverkäufen, falls Personen verletzt werden. Vom einst als ultimative Massnahme vorgesehenen Entzug einer Spielbewilligung, faktisch einer Forfaitniederlage, ist die Konferenz abgerückt. Nicht aber davon, das Modell auf die neue Saison hin einzuführen, auch ohne Einwilligung der Liga. Mit einem intensivierten Dialog sei es nicht getan. Weder Öffentlichkeit noch friedliche Fans würden dafür Verständnis aufbringen.

Die Auflagen liessen sich auch ohne Zustimmung der Klubs verfügen, hält Florian Düblin fest, Generalsekretär der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren. «Wir gehen davon aus, dass die Massnahmen rechtskonform sind.» Abschliessend entscheiden könnten das aber nur die Gerichte.

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Dass nun keine gütliche Einigung mit der Liga und den Klubs zustande gekommen sei, sieht Düblin «in der fehlenden Kompromissbereitschaft auf der Fussballseite» begründet. «Gegenüber den Fans und der Öffentlichkeit wäre ein geeintes Auftreten ein wichtiges Signal gewesen.»

Alle Seiten hätten ein Ziel

Die Swiss Football League betont, in der internen Vernehmlassung habe kein einziger Liga-Klub Zustimmung zum Stufenmodell geäussert. Rechtliche Schritte gegen die Einführung werde man trotzdem nicht ergreifen, sagt Sprecher David Barras.

Das überlässt die Liga den Klubs wie dem FCZ, dessen Präsident Ancillo Canepa sich vehement gegen Kollektivstrafen wehrt. Würde ein Gericht in einem Präzedenzfall die Rechtmässigkeit einzelner Auflagen bestreiten, würde seiner Auffassung nach das gesamte Kaskadenmodell in Frage gestellt. 

Die Zürcher Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart (Grüne) bedauert, dass Liga und Vereine das Konzept nicht mittragen. «Es braucht einheitliche Regeln, damit klar ist, welches gewalttätige Verhalten welche Massnahme nach sich zieht.» Das sorge für Transparenz, auch gegenüber den Klubs.

In Basel heisst es, man verstehe, dass die Liga unter dem Druck der Vereine und diese wiederum unter dem Druck der organisierten Fangruppen stünden. Doch gerade deshalb stelle sich die Frage, weshalb die Fanorganisationen ein Modell ablehnten, auf dessen Anwendung sie direkten Einfluss hätten. Toprak Yerguz, Sprecher des Basler Justiz- und Sicherheitsdepartements, sagt, alle Seiten hätten ja das identische Ziel: «Von der Liga über die Vereine und Fans bis zu den Bewilligungsbehörden wollen alle, dass das Kaskadenmodell nie angewendet werden muss.»

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