Gewerkschaftschef und Politiker kritisieren SBB
«Viele Mitarbeitende fühlen sich nicht genügend geschützt»

Die Gewerkschaften sind überrascht über das Ausmass von sexueller Belästigung und Mobbing in den SBB. Auch die Politik fordert Aufklärung.
Publiziert: 08.09.2024 um 11:56 Uhr
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Aktualisiert: 08.09.2024 um 14:21 Uhr

Kurz zusammengefasst

  • SBB-Mitarbeitende fühlen sich nicht ausreichend geschützt
  • Gewerkschaft fordert entschlossenen Handeln
  • Bundesrat erwartet Nulltoleranzpolitik
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Patrick Kummer (35), Vizepräsident der Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV, wurde im Mai über die Umfrage informiert. Die Resultate seien für die Gewerkschaft, aber auch für die SBB «überraschend» – insbesondere das Ausmass. Zu denken gebe, dass viele Mitarbeitende in der Umfrage angegeben haben, sich nicht genügend geschützt zu fühlen. Gemäss einer Quelle gab jede fünfte Person an, sich bei Mobbing nicht genügend geschützt zu fühlen.

Offenbar, sagt Kummer, sei nicht ausreichend klar, wie man als betroffene Person reagieren müsse und welche Wege man habe, sich zu wehren – dies, obwohl beispielsweise bei Mobbingfällen ein klarer Prozess vorhanden sei. Womöglich biete aber auch der vorhandene Prozess aus Sicht der Betroffenen nicht genügend Schutz. «Hier müssen die SBB sicherlich besser kommunizieren», sagt Kummer.

Kommunikation muss besser werden

Die SBB seien ein sehr diverses Unternehmen, einige Berufsbilder seien stark im Wandel. Es sei umso wichtiger, die Resultate zu differenzieren und spezifisch pro Berufsgruppe hinzuschauen. Ein Beispiel: Bei der Lokführerausbildung sind Auszubildende und Ausbildner nur zu zweit im engen Führerstand, oft für mehrere Stunden. «Wir hören immer wieder, dass dies insbesondere für Kolleginnen unangenehm sein kann.» Das sei eine Herausforderung spezifisch für die Berufsgruppe der Lokführerinnen und Lokführer. Auch die Kultur innerhalb der SBB sei sehr unterschiedlich: Die Zusammenarbeit im Büro sei ganz anders als in der Reinigung und dort wiederum anders als im Baubereich.

«Man kann viel von Nulltoleranz reden, aber man muss es auch umsetzen und leben», sagt Patrick Kummer von der Gewerkschaft SEV.
Foto: Manu Friederich
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Dass die SBB die Werte als vergleichbar mit nationalen Studien bewerten, lässt Kummer nicht gelten: «Das ist zweitrangig. Wenn alle schlecht sind, sind die Zahlen zwar vergleichbar, aber sie bleiben schlecht.» Die Werte der Umfrage seien Grund genug, genauer hinzuschauen.

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Positiv sei, dass die SBB die Umfrage von sich aus angestossen haben. Die Grundlage sei nun gelegt, um die Situation zu verbessern. Man wolle die detaillierten Ergebnisse abwarten, bevor man Forderungen stelle. Nur so viel: «Man kann viel von Nulltoleranz reden, aber man muss es auch umsetzen und leben.» Dort müssten die SBB ansetzen – und sicher auch beim Schutz und in der Kommunikation. «Das ist zentral», sagt Kummer.

Bundesrat erwartet Nulltoleranzpolitik

Das Bundesamt für Verkehr ist nicht im Besitz der Umfrageergebnisse, wie es auf Anfrage schreibt. Die Sprecherin von SVP-Bundesrat Albert Rösti (57), Franziska Ingold, sagt gegenüber Blick: «Der Bundesrat erwartet, dass die SBB ihre Nulltoleranzpolitik gegenüber sexueller Belästigung konsequent umsetzen.» Man sei überzeugt, dass die SBB die Ergebnisse der Umfrage ernst nehmen, sich ihrer Verantwortung bewusst seien und bei konkreten Verdachtsfällen entsprechend handelten.

Klar ist so weit wohl nur: Es bleibt noch einiges zu tun.

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