Davoser Tourismusdirektor Reto Branschi (64) gibt Juden Mitschuld am Schlittel-Eklat
«Ein Teil der jüdisch-orthodoxen Gäste verweigert jede Form von Anpassung»

Für den Davoser Tourismusdirektor ist klar, dass in seiner Region kein Platz für Antisemitismus ist. Dennoch spricht Reto Branschi von Problemen, auf beiden Seiten: Ein Teil der jüdischen Gäste verhalte sich nämlich immer wieder daneben.
Publiziert: 13.02.2024 um 13:07 Uhr
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Aktualisiert: 13.02.2024 um 15:33 Uhr

Ein Antisemitismus-Skandal sorgt in Davos GR für Unruhe und Schlagzeilen bis über die Landesgrenzen hinaus. Eine Mitarbeiterin hängte in der Bergstation Pischa einen Zettel aus, auf dem erklärt wurde, keine Schlitten oder sonstigen Sportgeräte mehr an Mitglieder der jüdischen Glaubensgemeinschaft vermietet werden. «Negative Erfahrungen in der Vergangenheit» seien der Grund.

Der Pächter der Bergstation, Ruedi Pfiffner (61), entschuldigte sich im Blick zwar für die Aktion seiner Mitarbeiterin, doch die Sache ist damit längst nicht ausgestanden. Die Kantonspolizei Graubünden ermittel wegen Diskriminierung.

«Problem mit zwei Seiten»

Die Sache wirft ein schlechtes Licht auf die gesamte Tourismusregion Davos. Schon im vergangenen Herbst kam es zum Eklat: Die Davoser «Gipfel Zytig» veröffentlichte ein Bild von menschlichen Exkrementen, schrieb dazu: «Diese stammen unzweifelhaft von einem menschlichen Wesen mit jüdischer Abstammung.»

Ein Aushang bei der Berstation Pischa in Davos sorgte am Wochenende für einen Skandal. An jüdische Gäste werde kein Wintersportgerät mehr vermietet, hiess es.
Foto: X @JehudaSpielman
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Von einem generellen Antisemitismus-Problem in seiner Region will der Direktor der Destination Davos Klosters, Reto Branschi (64), aber nichts wissen. Zu Blick sagt er: «Antisemitismus hat bei uns keinen Platz.»

Er spricht stattdessen von einem «Problem mit zwei Seiten». Dabei geht es gemäss Branschi vor allem um die Gäste der jüdisch-orthodoxen Glaubensrichtung. «Ein kleiner Teil der jüdisch-orthodoxen Gäste verweigert leider jede Form von Information, Vermittlung oder Anpassung an unsere Begebenheiten», so Branschi. Dies teilweise aus Unbeholfenheit, teilweise aus Respektlosigkeit.

Dies führe dazu, dass wiederum ein kleiner Teil der Einheimischen, der anderen Gäste und der Betriebe sich gegen jüdische Gäste wende, Überreaktionen inklusive, so der Davoser Tourismusdirektor. «Beides ist nicht gut, denn ein Zusammenleben kann nur funktionieren, wenn alle sich gegenseitig respektieren.»

Taskforce soll helfen

Branschi betont aber, dass es sich dabei um Einzelfälle handelt. Aber Aktionen wie die auf der Bergstation Pischa würden immer auch auf die ganze Destination abfärben. «Wir bekommen viele Rückmeldungen, die Davos kritisieren.»

Vor diesem Hintergrund stellt sich aber dennoch die Frage, ob es nicht ein Fehler war, ein vor Jahren lanciertes Dialogprojekt im letzten Herbst einzustellen. Vermittler sollten dabei für eine bessere Verständigung zwischen Einheimischen und jüdischen Gästen sorgen. «Die Vermittler des Dialogprojekts haben gute Arbeit geleistet und sich enorm eingesetzt. Sie wurden von einem kleinen Teil der Gäste aber schlicht nicht respektiert und ignoriert. Deshalb haben wir dieses Vorhaben beendet», erklärt Branschi.

Seit rund einem halben Jahr kümmert sich nun eine Taskforce um die Thematik. «In der ersten Phase stand eine Mediation, in der alle beteiligten Seiten angehört wurden», erklärt der oberste Davoser Touristiker. Durch den Krieg im Nahen Osten sei die Arbeit aber verzögert worden. «Wir stehen jetzt aber vor Gesprächen an einem Tisch, in denen wir konkrete Massnahmen diskutieren und hoffentlich gemeinsam beschliessen können.» Ob das reicht, erneute Skandale zu verhindern, wird sich zeigen. Viel Konkretes scheint man in Davos noch nicht zu haben.

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Davoser Tourismus-Urgestein findet den Fall «peinlich»

Für Ernst «Aschi» Wyrsch (62), früher Gastgeber im Steigenberger Grandhotel Belvédère in Davos und heute Präsident des Branchenverbandes Hotelleriesuisse Graubünden sowie Vorstandsmitglied von Graubünden Tourismus, ist der Vorfall am Bergrestaurant Pischa «peinlich und nicht einfach unter den Tisch zu kehren».

Er bedauert den «Kollateralschaden», den Davos wegen dieser Episode nun nimmt – was umso ärgerlicher sei, als Davos sich erst wenige Wochen zuvor beim WEF als hervorragender Gastgeber für Menschen aus aller Welt gezeigt hatte. Dem Pächter nimmt er die Entschuldigung nicht ab und hält fest, dass die negativen Reaktionen völlig absehbar waren. «Der Auftrag im Tourismus lautet, Menschen glücklich zu machen und nicht, Menschen zu belehren», führt Wyrsch aus.

Die wortwörtlich «plakative» Kollektivverurteilung einer Glaubensgemeinschaft führe dazu, dass Davos in Verruf geraten könnte, trotz der jahrzehntelangen engen Verbindung von Davos zu jüdischen Touristen – im Dorf gibt es sogar einen jüdischen Friedhof. Es reiche nicht, einfach die Situation auszusitzen. Auch Wyrsch fordert einen Runden Tisch – allerdings mit einem ganz anderen Fokus als derjenige des Tourismusdirektors. Nämlich einen, bei dem mit Gastgebern «das Einmaleins des Verhaltens gegenüber Gästen» diskutiert wird. Dies auf Gemeinde- oder allenfalls kantonaler Ebene. «Es ist aber nicht ein Davoser Problem, sondern ein gesellschaftliches, und andere Tourismusorte wären gut beraten, sich mit dieser Thematik auch auseinanderzusetzen», schliesst Wyrsch.

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