«Ich wurde an diesem Tag nicht wie ein Mensch behandelt»
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Adriano Valentino ist hässig:«Ich wurde an diesem Tag nicht wie ein Mensch behandelt»

Aargauer Adriano Valentino erlebt Demütigung nach Schnupper-Tag bei der Post
Kein Bewerbungs-gespräch, 13 Stunden schuften, freche Absage

Adriano Valentino freute sich auf seinen Schnuppertag bei der Post. Aber: «An einem Tag, an dem viel los war, setzten sie mich als gratis Arbeitskraft ein, die den Betrieb und den Arbeitsablauf noch nicht kennt.»
Publiziert: 04.09.2024 um 01:07 Uhr
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Aktualisiert: 06.09.2024 um 14:19 Uhr

Kurz zusammengefasst

  • Adriano Valentino fühlt sich von der Post ausgenutzt
  • An seinem Probetag musste er über 13 Stunden schuften und bekam eine Absage
  • Ein Bewerbungsgespräch mit dem Chef gab es keines
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Nicolas LuratiReporter News

Mehr Zeit für seine Kinder. Das ist der Wunsch von Adriano Valentino (43) aus Niederlenz AG. «Ich arbeitete bis vor kurzem in einem Gastro-Betrieb», sagt der Italiener zu Blick. «Bis spätabends, auch am Wochenende.» Schon bei einem früheren Job, als Pächter einer Kontaktbar, waren die Arbeitszeiten mit dem Familienleben nur schwer vereinbar.

Er wollte deshalb sein Glück bei der Post versuchen – als Päckli-Pöstler. «Ein harter Job», ist sich Valentino bewusst. «Früh aufstehen – aber dafür früher Feierabend. Und somit Zeit für meine Kinder.»

Valentino darf am 6. August an einen Probetag für eine Temporär-Stelle beim gelben Riesen, vermittelt von einem Temporärbüro. Es endet in einem Fiasko. «Die Post nutzte mich aus», klagt Valentino. «Für sie war ich nur ein Nutztier, das gratis arbeitete – 13 Stunden lang.» Sein Fazit: «Schuften statt schnuppern.»

Adriano Valentino (43) aus Niederlenz AG freute sich aufs Schnuppern bei der Post. Aber: «Die Post nutzte mich aus», klagt der Italiener.
Foto: Nicolas Lurati
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«Keiner hatte Zeit, mir Arbeit zu erklären»

Valentino geht motiviert zum Logistikzentrum in Buchs AG. «Pünktlich um 6 Uhr stand ich dort.» Seine Aufgabe: Päckli mit dem Lieferwagen verteilen. «Leider hatte keiner meiner Teamkollegen Zeit, mir die Arbeit zu erklären», sagt der Italiener. Nur der Chauffeur, mit dem Valentino den Tag verbrachte, habe sich des Neulings erbarmt und die Grundzüge der Arbeit erklärt. Besagter Kollege sitzt an jenem Tag am Steuerrad des Postwagens, Valentino ist sein Beifahrer.

«Der Teamkollege und ich trugen die Pakete aus», erzählt Valentino. Und: «Es waren viele Päckli. Er sagte mir, wir hätten an diesem Tag rund 200 Pakete verteilt.» Der Kollege habe über Rückenschmerzen geklagt, sagt Valentino. «Er fragte, ob ich die schweren Päckli tragen könne.»

Nach einer ersten Tour hätten die beiden eine ewig lange zweite Route absolviert, erzählt Valentino. «Wir kamen erst um 19.15 Uhr zurück zur Poststelle in Buchs.»

«Fühlte mich ausgenutzt»

Der Kollege habe ihn auf dem Parkplatz herausgelassen, sagt Valentino. «Ich war zwar nicht kaputt von der Arbeit, fühlte mich aber ausgenutzt.» Der 43-Jährige hatte sich Einblick in den Arbeitsalltag erhofft. «Nicht von 6 Uhr morgens bis 19.15 Uhr umherhetzen. Nur mit kurzen Pausen. Ohne Vorstellungsgespräch beim Chef. Ohne Vorstellungsrunde im Team.»

Zwei Tage später sagt ihm der Personalverantwortliche des Zentrums Buchs am Telefon ab. «Er sagte, ich käme weder mit Druck noch mit Stress klar.»

Blick wollte von der Post wissen, was sie zu den Vorwürfen von Adriano Valentino sagt. «Der 6. August war bei den Zustellteams der Post ein sehr intensiver Tag», so Sprecher Stefan Dauner. «Zudem gab es kurzzeitige Ausfälle von Mitarbeitenden aufgrund Krankheit.» Er betont: «Den Vorwurf, dass die Post Herrn Valentino ausgenutzt hat, weisen wir klar zurück.» Man habe sich an alle geltenden Vorschriften gehalten. «Der Paketbote, der mit Herrn Valentino unterwegs war, hat im System 12,5 Stunden erfasst, inklusive 1 Stunde Pause.»

Grundsätzlich nehme man sich sehr gerne Zeit für Probemitarbeiter an Schnuppertagen – «damit sie sich einen realistischen Eindruck vom Arbeitsalltag machen können», sagt Dauner. «Dass das nicht im gewohnten Ausmass möglich war, bedauern wir.»

«Absoluter Ausnahmetag»

Generell sei der Sommer eine ruhigere Zeit – und die meisten Mitarbeiter könnten Zeit abbauen. Der 6. August sei «ein absoluter Ausnahmetag» gewesen. Andererseits sei es wichtig, dass sich Kandidatinnen und Kandidaten ein Bild der Arbeit machen können. «Deshalb wählen wir bewusst Tage, an denen die Menge der zuzustellenden Sendungen nicht allzu tief ist.»

Zur Absage erklärt Sprecher Dauner: «Der Personalverantwortliche des Logistikzentrums Buchs hat aufgrund der Rückmeldung des Zustellboten einen Entscheid gefällt.»

Valentino wollte, dass Post ihm Tag bezahlt

Valentino ist schockiert: «Der Teamkollege, mit dem ich auf Tour war, gab mir während des Tages keine negative Rückmeldung. Wir hatten keine Probleme miteinander.» Und: «Ich weiss nicht, wie er zu so einem Urteil über mich kommt.» Valentino betont: «Der Chef hat weder während des Probetags noch nach Feierabend mit mir gesprochen. Und jetzt vertrauen sie einfach auf die Einschätzung des Teamkollegen?»

Nach dieser Episode wollte Valentino, dass ihm die Post immerhin den Probetag bezahlt: «Ich war eine Arbeitskraft, die gratis für die Post schuftete.» Aber: «Vergütungen für Schnuppertage sind grundsätzlich nicht üblich, das ist nicht nur bei der Post so», erklärt der gelbe Riese. «Die Post bezahlt Herrn Valentino keine Entschädigung für den Probetag.»

Dahinter kann das Temporärbüro, das den Probetag vermittelte, nicht stehen, denn es zahlte Valentino 12,25 Stunden für den Probetag, obwohl es nicht müsste. Die Post stellt klar: «Die Zahlung geschah weder im Auftrag der Post, noch hat das Temporärbüro der Post diesen Betrag in Rechnung gestellt.»

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