«Mir ist es wichtig, dass wir über Probleme sprechen»
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Leiter verspricht Besserung:«Mir ist es wichtig, dass wir über Probleme sprechen»

Nach Gewaltvorwürfen gegen Jürg Läderach wehrt sich seine Gemeinde
«Klima der Offenheit» statt «Klima der Angst»

Nach den bekanntgewordenen Misshandlungsvorwürfen in der Evangelischen Gemeinde Hof Oberkirch in Kaltbrunn SG fand am Sonntag ein Gottesdienst statt. Die Evangelikalen wollen sich öffnen und empfangen Blick. Dorfbewohner sind skeptisch.
Publiziert: 24.09.2023 um 19:34 Uhr
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Aktualisiert: 26.09.2023 um 17:44 Uhr
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Sandro ZulianReporter News

Oberhalb von Kaltbrunn SG steht auf einem Hügel eine Ansammlung von Häusern. Dort befindet sich die Evangelische Gemeinde Hof Oberkirch. Am Sonntagmorgen luden die Gläubigen um 10.30 Uhr zum Gottesdienst – Blick war vor Ort.

Die Gemeinde und die dazugehörige «christliche Schule Linth», früher «Domino Servite» genannt, sehen sich seit Donnerstagabend mit schweren Vorwürfen konfrontiert. Es geht um Züchtigung und Missbrauch, sogar von einer vertuschten Vergewaltigung berichten ehemalige Schüler. Einer der mutmasslichen Täter gemäss einer SRF-Doku: Chocolatier Jürg Läderach (72). In der «SonntagsZeitung» äusserte sich sein Sohn Johannes Läderach (37). Der ehemalige Schüler der «Domino Servite» und aktuelle CEO des Schoggi-Imperiums bestätigt, dass ein «Klima der Angst» geherrscht habe.

Beim Besuch in Kaltbrunn SG zeigt sich schnell, wie tief verwurzelt der Glaube bei den ungefähr 70 Anwesenden ist. Mit wenigen Ausnahmen tragen alle Frauen lange Röcke. Der Gottesdienst in der Gemeinde Hof Oberkirch ist höchst bibeltreu – ganze Passagen werden auseinandergenommen und interpretiert. Nebst Bibelstudium singt die Glaubensgemeinschaft viel. Der SRF-Film wird im Gottesdienst mit keinem Wort erwähnt.

Josef Morger, Leiter der Evangelischen Gemeinde Hof Oberkirch in Kaltbrunn SG, ist schockiert über die Vorwürfe im SRF-Dokfilm vom vergangenen Donnerstag.
Foto: Sandro Zulian
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«Klima der Offenheit»

«Das ist für uns die Anbetung von Gott. Dort ehren wir unseren Schöpfer. Wir wollen den Gottesdienst nicht als Gefäss brauchen, solche Sachen zu diskutieren», sagt Josef Morger (39), Leiter der Evangelischen Gemeinde Hof Oberkirch. Besorgte Mitglieder der Glaubensgemeinschaft seien aber vor dem Gottesdienst auf ihn zugekommen. Die Schule ist schon seit längerer Zeit in neuer Hand, sagt Morger, der während der fraglichen Zeit zwischen 1995 und 2002 selbst Schüler in der kritisierten Schule war.

In der neuen Zeit, unter der neuen Leitung, soll ein «Klima der Offenheit» herrschen. Kinder sollen sich nicht scheuen, Missstände anzusprechen. «Es soll keine Fragen geben, die man nicht stellen darf», sagt Morger ernst. Die Geschichte solle sich keinesfalls wiederholen. «Wir als Nachfolgegeneration haben einen Neun-Punkte-Plan ausgearbeitet und es gibt eine Ombudsstelle.» Aus der «älteren Generation», wie Morger sie nennt, sei niemand mehr an der Schule tätig.

«Die Höfler da oben»

In den Dorfbeizen Kaltbrunns steht man der evangelikalen Gemeinschaft skeptisch gegenüber. «Das war und ist eine Sekte», sagt ein älterer Herr und nippt an seinem Bier. Ein anderer gibt zu bedenken, dass die Glaubensgemeinschaft auf dem Hügel stets freundlich war und sich bislang nichts zuschulden kommen lassen hätte. «Die Höfler da oben», nennt man die bibeltreuen Christen auf dem Hof Oberkirch. «Das ist doch wie bei der katholischen Kirche. Da wird viel versprochen, aber am Schluss ändert sich doch wieder nichts», sagt ein weiterer Dorfbewohner und winkt ab.

Während des Ortsbesuchs von Blick passierte ein Patrouillenfahrzeug der St. Galler Kantonspolizei mehrmals das Privatgelände der Evangelischen Gemeinde Hof Oberkirch. Mediensprecher Hanspeter Krüsi bestätigt auf Anfrage: «Wir führen täglich eine Lagebeurteilung durch. In einem solchen Fall zeigen wir dann vermehrt Präsenz.» Konkrete Drohungen habe es aber keine gegeben.

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