Bald wird das Goms zur Grossstadt
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Nach anfänglichem Widerstand:Bald wird das Goms zur Grossstadt

Pfadi-Bula wird aufgebaut, das Goms wird zur Metropole – bald wollen etwa 30'000 Pfadfinderinnen und Pfadfinder ins Wallis zügeln
«Wir können es kaum erwarten»

Das Goms im Herzen der Schweizer Alpen wird in den nächsten Wochen ein rasantes Bevölkerungswachstum verzeichnen: Um die 30'000 Menschen werden fürs Pfadi-Bundeslager anreisen! Die Organisation hat mehrere Jahre gedauert und es gab so manch eine Hürde zu meistern.
Publiziert: 14.07.2022 um 23:45 Uhr
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Aktualisiert: 15.07.2022 um 09:12 Uhr
Luisa Ita

Umgeben von einer traumhaften Berglandschaft wird seit ein paar Tagen im Goms gehämmert, gesägt und geschraubt: Die Vorbereitungen für das Pfadi-Bundeslager (Bula), das nur etwa alle 14 Jahren stattfindet, laufen auf Hochtouren.

Rund 30'000 Menschen werden sich pro Tag auf dem Lagerplatz befinden, etwa 5000 Helfer sind eingespannt und um die 500 Freiwillige organisieren den zweiwöchigen Event. 300 Pfadis reisen gar aus dem Ausland an. Sie kommen beispielsweise aus Finnland, Tschechien und den USA. Das Budget beträgt 25 Millionen Franken. Kurzum: Die Dimensionen des Lagers sind unglaublich. Zum Vergleich: 2008 nahmen 23'000 Pfadis am Lager teil, 2000 Helfer waren im Einsatz.

Bauarbeiter schwitzen gerne vor Bergpanorama

Seit vier Jahren wird bereits geplant, und nun nimmt das Ganze Formen an. Von einem Ende des Geländes bis zum anderen braucht man zu Fuss rund eine Stunde, deswegen haben viele ihr Velo dabei oder fahren mit einem Elektro-Scooter von A nach B. Etwa in der Mitte wird gerade ein riesiges Zelt errichtet.

Die ersten haben ihre Zelte schon aufgeschlagen: Hier schlafen die Helferinnen und Helfer, die das riesige BuLa aufbauen.
Foto: Luisa Ita
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Rafael Meier (40) ist Projektleiter bei der Firma Indiazelt und erklärt: «Wir bauen hier die Verpflegungszentrale auf, das gibt eine Migros-Filiale von 40 auf 85 Metern.» Die Bauarbeiter schwitzen in der prallen Sonne, doch der Auftrag mache grossen Spass: «Es ist schon sehr speziell. Wir haben viele Baustellen in der Grossstadt und selten so eine Kulisse wie hier.»

Die Sorgen der Landwirte

Der Co-Lagerleiter Dominique «Pinky» Schneider (39) aus Rheinfelden AG sagt über die Aufbauarbeiten: «Bis jetzt haben wir noch keine bösen Überraschungen erlebt.» Insgesamt sollte das Lager innert zwei bis drei Wochen fertig aufgestellt sein – «Pinky» kann es kaum erwarten: «Die Vorfreude bei uns allen ist riesig!»

Im Vorfeld hielt sich die Freude über das XXL-Lager aber bei manchen in Grenzen. Mit den Landwirten hatte es intensive Diskussionen gegeben, da sie das 120 Hektaren grosse Gelände grösstenteils zur Verfügung gestellt haben. Gerhard Kiechler (57), Präsident der Gemeinde Goms VS: «Es ist halt mitten im Sommer, genau in der Erntezeit. Die Landwirte hatten Angst, dass es mit dem Mähen zeitlich nicht hinhaut und man wertvolles Futter verliert.» Auch um die Folgen des Camps auf ihren Boden hätten sich die Bergbauern gesorgt. Nach vielen Gesprächen habe man aber für alle Probleme Lösungen gefunden, so Kiechler: «Wir konnten die Landwirte überzeugen, dass für niemandem ein Schaden entstehen wird.»

Droht eine Wasserknappheit?

Blick trifft Bäuerin Christa Schnellmann (55) aus Geschinen VS. Tatsächlich ist sie noch heute nicht erfreut über das Bula: «Ich gönne den Kindern dieses Lager und finde die Pfadi eine gute Sache. Aber das ist der beste Boden, den wir Bergbauern haben.» Ausserdem macht sie sich Sorgen, dass ihre Tiere bald nicht mehr genug zu trinken kriegen: «Das Wasser bei mir auf der Alp ist jetzt schon knapp, und manche SAC-Hütten denken schon über die Schliessung nach. Unsere Wasserversorgung ist nicht ausgelegt für so viele Leute.»

Versorgung ist sichergestellt

Der Gemeindepräsident von Obergoms VS, Patric Zimmermann (43), beschwichtigt: «Wir haben einen sehr guten Brunnenmeister, und der begleitet das Projekt eng. Wir haben verschiedene Szenarien ausgearbeitet, und ich habe keine Bedenken, das kommt definitiv gut.» Auch von Seiten der Lagerleitung heisst es, man sei für derartige Situationen gewappnet: «Wir haben ein Umwelt-Team, das sich besonders um das Thema Bodenschutz kümmert, und die Wasserversorgung ist sichergestellt. Falls es sehr lange sehr trocken sein wird, ist ein Szenario zum Beispiel, dass die sowieso schon sehr begrenzte Duschzeit noch mehr reguliert wird.»

Versorgungsengpässe im Lebensmittelbereich werde es bestimmt keine geben, so Schneider: «Wir bringen alles selbst mit, wir sind hier schliesslich zu Gast, und es gibt keine Auswirkungen für die lokale Bevölkerung.» Auch wenn auf dem Gelände eine riesige Migros-Filiale errichtet wird, wappnen sich auch die anderen Detailhändler in der Region. Coop schreibt auf Anfrage von Blick, man wappne sich für eine «erhöhte Kundenfrequenz» in der Region Goms: «Die Warenverfügbarkeit in diesem Zeitraum ist sichergestellt.»

Überall wappnet man sich für den Mega-Ansturm

Im Volg in Ulrichen VS werden unter anderem wegen des heissen Wetters die Getränke aufgestockt. Volg-Mitarbeiterin Sabine Imwinkelried (40) zu Blick: «Unser kleines Lager platzt aus allen Nähten, und wir können bei Bedarf zusätzliche Bestellungen aufgeben, damit wir für den grossen Ansturm gerüstet sind.» Auch personell werde man aufrüsten, damit man Einheimische und die Gäste optimal versorgen könne.

Auch im Bereich Sicherheit und Gesundheit sei man vorbereitet, sagt «Pinky» aus. Überlastete Spitäler müsse niemand fürchten: «Wir haben eine eigene Sanität, einen Polizeiposten sowie eine Feuerwehr auf dem Platz.»

Pfarrer segnet das Bula mit Freiwilligenarbeit

Das Spitalzentrum Oberwallis schreibt in einer Stellungnahme ausserdem, man rechne erfahrungsgemäss mit bis zu zehn zusätzlichen Patientenkontakten täglich: «Diese Anzahl an zusätzlichen Patientenkontakten kann die Notfallstation des Spitalzentrums Oberwallis im Rahmen seiner normalen Betriebstätigkeit bewältigen.» Sollte es dennoch etwa wegen eines Norovirus, einer Lebensmittelvergiftung oder eines grösseren Unfalls mehr zu tun geben, so könne ein Krisenstab aktiviert werden.

Dass nichts Schlimmes passiert, dafür betet jedoch der reformierte Pfarrer Stefan Leistner Baumgardt (56). Er ist als freiwilliger Helfer aus Neunkirch SH angereist, die alten Wanderschuhe hat er notdürftig mit Klebeband geflickt und hilft nun beim Zeltaufbau: «Meine Töchter sind in der Pfadi engagiert und haben mich gefragt, ob ich helfen möchte. Jetzt bin ich für ein paar Tage hier, denn ich finde das Bundeslager eine geniale Sache!»

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