«Wir spüren eine grosse innere Freiheit»
Diese Glarner Familie lebt nur von Geschenken und Spenden

Sie verschenkten ihr Hab und Gut und leben von Spenden und Geschenken. Eine Schweizer Familie hat den Schritt gewagt und bereut die radikale Veränderung nicht. Sie seien noch nie so glücklich gewesen.
Publiziert: 18.11.2023 um 18:31 Uhr
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Aktualisiert: 19.11.2023 um 11:31 Uhr

Den Job: gekündigt. Die Wohnung: aufgegeben. Den Besitz: verschenkt. Die Glarnerin Rayén Oberholzer (34) und ihr Mann Manuel Brändli (36) leben seit fünf Monaten ihren Traum. Ein festes Einkommen haben sie nicht, sondern sie sind auf Spenden angewiesen. «Seit wir ohne Geld leben, spüren wir eine grosse innere Freiheit», sagt Rayén Oberholzer zur «Südostschweiz».

«Der ständige Wachstumszwang basiert auf Ausbeutung und das geht nicht auf», erklärt ihr Mann. «Da machen wir nicht mit und arbeiten nur für Sachen, die wir für die Welt als wichtig empfinden, ohne Erwartungen auf direkte Gegenleistung.»

Rayén Oberholzer und ihr Mann Manuel Brändli. Sie und die gemeinsame Tochter leben zurzeit im Zukunftslabor in Egnach TG.
Foto: Screenshot youtube
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Die gelernte Juristin und ihr Mann, der sein Kommunikationsstudium abgebrochen hat, wohnen zurzeit im Zukunftslabor in Egnach TG. Eine spezielle Unterkunft für Menschen, die sich für eine bessere Zukunft einsetzen. Dort lebt das Paar mit der kleinen Tochter, gerade mal zehn Monate alt.

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«Wenn ich Geld verdiene, habe ich ja auch Sorgen.»
Rayén Oberholzer, lebt von Spenden und Geschenken
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Um über die Runden zu kommen, braucht die Familie laut eigener Aussage um die 3000 Franken. Aktuell seien 700 Franken auf dem Konto. Etwas Sorgen macht der Blick auf das Konto schon, wenn nicht genug Geld drauf ist. «Wenn ich Geld verdiene, habe ich ja auch Sorgen. Letztlich war ich unglücklicher, als ich noch eine feste Anstellung hatte», so Rayén Oberholzer.

Normalerweise komme aber immer Geld rein. Darum bitten mussten sie laut eigener Aussage auf jeden Fall nicht. «Eine fremde Person überweist uns jeden Monat 100 Franken. Warum, wissen wir nicht genau.» Circa 30 Personen hätten bereits Geld gespendet.

Dann wird eben beim Mandelmus gespart

Und wenn es doch mal etwas knapp sei, würden sie halt sparen. Dann gebe es eben mal kein Mandelmus oder keine Aroniabeeren, erklärt Brändli. Als Gegenleistung für die Spenden bietet das Paar ein kostenloses Atemcoaching an. Und auch sonst sind die beiden umtriebig. Sie organisieren unter anderem Atemkurse mit Livemusik. Nicht nur im kleinen Rahmen, sondern auch zum Beispiel in der Zürcher Lichthalle Maag – und das nicht kostenlos. Ein Ticket kostet 79 Franken. Die Familie erklärt gegenüber der «Südostschweiz», dass damit lediglich die Kosten für die Veranstaltung gedeckt würden.

Daneben haben sie ein «Manifest der Gefühlsrevolution» geschrieben, eine «Academy of Feelings» gegründet und sie bieten «Lifestyle Consulting für Führungskräfte» an. Das SRF berichtete schon über den ungewöhnlichen Lebensstil der jungen Familie. Ihr Bekanntheit sorgt zwar für Spenden, aber auch für Kritik. «Das ist nicht geldfrei leben. Das ist Leben auf Kosten von anderen», lautet ein Kommentar unter dem SRF-Film auf Youtube.

Und auch sonst empfinden einige Zuschauer die Familie als privilegiert und egoistisch. Die Reaktion von Rayén Oberholzer auf solche Kritik: «Die Leute sollen mal bei sich selber hinschauen. Ich meine, was machen sie Ehrenamtliches? Wenn viele Menschen grosszügiger werden, entsteht ein besserer Fluss von Ressourcen, ohne dass etwas verlangt wird. Das macht einen freier.» (jmh)

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