«Das stärkste Signal? Keine Ausländer-Limitierung!»
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Zugs Reform-Turbo Lengwiler
«Das stärkste Signal? Keine Ausländer-Limitierung!»

Ab 2022 sollen 10 Ausländer in der National League spielen dürfen, was Widerstand auslöst. Zug-CEO Patrick Lengwiler (42) verteidigt die Pläne.
Publiziert: 20.12.2020 um 13:15 Uhr
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Aktualisiert: 21.02.2021 um 09:20 Uhr
Nicole Vandenbrouck, Stephan Roth (Interview) und Benjamin Soland (Fotos)

Herr Lengwiler, ist die National League so schlecht, dass es eine grosse Reform braucht?
Patrick Lengwiler: Sie ist toll, wir hatten ein konkurrenzfähiges Produkt – wenn es um die Qualifikation ging. Aber wenn man es näher betrachtet, sieht man, dass die Schere zwischen den Teams über die Jahre auseinander gegangen ist und es noch schlimmer wird. Wir benötigen die Ligareform, damit das Produkt gut bleibt und noch spannender wird.

Wie soll das Produkt aussehen?
Alle Teams in der Liga müssen auf dem Eis zueinander konkurrenzfähig sein. Jeder soll jeden schlagen können. Das war in der letztjährigen Qualifikation sehr gut. Aber einige Teams waren nur deshalb konkurrenzfähig, weil sie viel mehr Geld ausgeben als sie im Verhältnis zu den Einnahmen eigentlich sollten. Wenn sie dies nicht mehr tun, dann haben wir Resultate wie 7:1 oder 8:1. Das ist das ehrliche Bild.

Also gibt es zu viele Klubs, die sich finanziell übernehmen müssen, um mithalten zu können?
Genau so ist es und das ist kein Fundament für eine gute Liga. Die Bandbreite ist zu gross. Der erste Klub gibt mehr als doppelt so viel aus wie der letzte und über ein Drittel mehr als der Durchschnitt. Und wie vorhin erwähnt gibt es hierbei einige Teams, die sich ein zu teures Kader leisten. Meines Erachtens sollten wir zudem mehr ins Produkt selbst investieren, in den Staff, in den Nachwuchs, in die Arenas und damit in das Erlebnis für die Zuschauer. Das beste Produkt National League ist, wenn in den nächsten 20 Jahren sieben Teams Meister werden. In den letzten 20 Jahren waren es nur vier Teams, in den letzten fünf Jahren sogar nur noch zwei.

Patrick Lengwiler, der CEO des EV Zug, ist einer der treibenden Kräfte in der für 2022 geplanten Liga-Reform.
Foto: BENJAMIN SOLAND
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Dann sagen Sie, dass Bern und Zürich zuletzt Titel holten, weil sie am meisten Geld ausgaben?
Wir waren zweimal im Final in den letzten fünf Jahren und haben sicher vieles gut gemacht. Aber vielleicht haben wir die Finals auch verloren, weil wir auf Bern getroffen sind. Damit alleine begründe ich es nicht, Geld alleine bringt noch keinen Erfolg, hat aber eine Relevanz. Vor allem in den Playoffs, wo man Substanz braucht und die Kaderbreite zählt. Die Chance, dass man mit zwei, drei Millionen mehr gewinnt, ist einfach höher. Jeder, der das Gegenteil behauptet, lügt.

Hätten Sie die gleiche Meinung, wenn Sie nicht zweimal im Final verloren oder die Playoffs 2020 gespielt worden wären und der EVZ dank den teuer eingekauften Genoni und Hofmann den Titel geholt hätte?
Hundertprozentig, wenn man die eigene Klubbrille ablegen kann. Wir würden in den nächsten fünf Jahren am liebsten ein paar Mal Meister werden (lacht), aber für das Produkt Hockey als ganzes ist es das Beste, wenn wir an mehr Standorten Erfolgsgeschichten kreieren. Wir sind zwar Konkurrenten auf dem Eis, bilden aber zusammen dieses Produkt. Dieses Bewusstsein muss stärker werden.

Patrick Lengwiler persönlich

Schon länger als sein halbes Leben arbeitet Patrick Lengwiler (42) für den EV Zug. 1997 startete er als Nachwuchstrainer. Und nur sieben Jahre später wurde der Schwyzer Sportchef des Klubs – mit 25 damals der weitaus jüngste der Liga. An der Planung der Bossard-Arena, die 2010 eingeweiht wurde, war er beteiligt. Im Rahmen einer Umstrukturierung wurde Lengwiler nur zwei Jahre später zum CEO des Klubs ernannt.

Schon länger als sein halbes Leben arbeitet Patrick Lengwiler (42) für den EV Zug. 1997 startete er als Nachwuchstrainer. Und nur sieben Jahre später wurde der Schwyzer Sportchef des Klubs – mit 25 damals der weitaus jüngste der Liga. An der Planung der Bossard-Arena, die 2010 eingeweiht wurde, war er beteiligt. Im Rahmen einer Umstrukturierung wurde Lengwiler nur zwei Jahre später zum CEO des Klubs ernannt.

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Mit welchen Reformen wollen Sie Ihr Ziel erreichen?
Financial Fairplay, das Nadelöhr Auf-/Abstieg und die Ausländeranzahl. Losgelöst von diesen drei Faktoren muss das profitable Wirtschaften generell eine höhere Bedeutung bekommen. Wenn wir Klubs mitziehen, die es sich eigentlich nicht leisten können, wird das schwierig.

Welches ist der wichtigste Punkt für Sie?
Das Financial Fairplay. Wir müssen die Lohnbandbreite verkleinern. Unrealistisch ist, wenn man den hinteren Teams sagt: Ihr müsst mehr Geld ausgeben. Also müssen wir die Top-Teams zurückbinden. Man muss ihnen aber die Chance geben, sich in einer Übergangszeit dorthin zu bewegen. Man wird auch zukünftig immer mehr Geld ausgeben können. Aber wenn man die Lohnobergrenze überschreitet, bekommt man aus der zentralen Vermarktung in der folgenden Saison weniger Geld. Davon profitieren dann die anderen Klubs und diese kommen näher.

Da kommt man nicht um Lohntransparenz herum.
Es geht nicht um den Lohn eines einzelnen Mitarbeiters, es geht um die Ermittlung eines Wertes gemäss dem Financial-Fairplay-System. Wir haben dort definiert, welche Zahlen hierfür massgebend sind und wie wir die kantonalen Vor- und Nachteile herausnehmen. Wie wir diese Zahlen dann kommunikativ verwenden, ist noch offen. Es könnte sein, dass man als Liga die Zahlen der Teams nach der Saison präsentiert. Damit stellt man sich als Organisation einem Leistungsprinzip. So wird das, was du erreichst, in Relation gesetzt mit dem, was du ausgibst. Es gibt dann auch weniger Blabla. Wie oft mussten wir uns in den letzten Jahren anhören, wir seien die Lohntreiber! Ja, wir haben einen Gregory Hofmann und einen Leonardo Genoni geholt. Genau solche Spieler wollten wir. Doch in der Breite versuchen wir, eigene Junge zu produzieren. Das ist unser Konzept. Mit Transparenz sieht man dann, dass Zug am fünftmeisten Geld ausgibt. Wenn die Teams im Financial Fairplay nahe bei einander sind, sollte niemand mehr Mühe mit der Transparenz haben. Heute ist das sicher anders.

Welche Bedeutung hat das Thema Auf-/Abstieg?
Die zweitwichtigste nach dem Financial Fairplay. Das heutige Nadelöhr ist nicht mehr zeitgemäss und kostet viel Geld. Wieviele Swiss-League-Teams gibt es realistisch, die in den nächsten zwei, drei Jahren das wirtschaftliche Potenzial haben, um in der National League konkurrenzfähig zu sein? Meines Erachtens nur Kloten. Wir wollen aber die Möglichkeit wahren, dass ein Swiss League Klub aufsteigen kann, wenn er sich entwickelt und konkurrenzfähig mitspielen kann.

Und der Abstieg soll abgeschafft werden?
Nicht ganz. Als Team steigt man ab, wenn man über mehrere Jahre immer Letzter ist oder wirtschaftlich schlecht arbeitet. Man bekommt damit aber die Möglichkeit, auch mal ein schlechtes Jahr zu überstehen. Man fördert so, dass mehr in die Zukunft anstatt in Rettungsaktionen investiert wird.

Die Hockey-Schweiz debattiert allerdings vor allem über einen Punkt: Die Erhöhung der Ausländer-Anzahl auf zehn.
Wenn zukünftig die Ligagrösse zwischen 10 und 14 Teams variieren kann, dann verändert sich auch der Markt und es braucht eine Lösung, welche auf die maximale Anzahl Teams ausgelegt ist.

Lizenz-Schweizer sollen auch als Ausländer zählen, obwohl nur ein kleiner Teil im Hochpreissegment anzusiedeln ist.
Hier geht es nicht um die Kosten, sondern um die Frage: Welche Spieler können für die Schweizer Nationalmannschaft spielen? Sind wir doch ehrlicher und sagen: Wir haben jetzt vier Ausländer und im Schnitt drei Ausländer mit Schweizer Lizenz pro Team. Mit dem aktuellen System fördern wir Spieler wie Merzlikins, Andersson, Alatalo, Zwerger oder wie sie alle heissen. Wem dient denn dieser Status? Sicher nicht der Nationalmannschaft.

Warum fördert dann nicht jeder Klub stattdessen drei junge Schweizer?
Warum denken Sie, dass alle zehn Ausländer haben werden, wenn sie zehn haben dürfen? Das verstehe ich nicht.

Wenn man einige Male verliert oder Verletzte hat, reagiert man und holt dank einem offenen Markt einen zusätzlichen Ausländer.
Das ist jetzt eine Mutmassung.

Man ist in einem sportlichen Wettbewerb und will doch das bestmögliche Team haben.
Dass soll man ja auch dürfen. Darum ist das Gesamtbild wichtig und die Punkte sind ineinander verknüpft. Wir würden nie einer Ausländer-Erhöhung zustimmen ohne Financial Fairplay oder wenn es immer fix 12 Teams sein werden. Jeder Ausländer wird neu zudem eine Lizengebühr kosten, anders als heute. Also finanziell so attraktiv ist dies nicht, aber der Markt muss grösser werden. 10 Ausländer haben zu können, heisst nicht, dass man 10 Ausländer haben muss. Uns fehlt ganz offenbar der Glaube an die Schweizer Spieler in dieser ganzen Diskussion. Bei unserer Mannschaft ist doch nicht jeder Ausländer um Quanten besser als der Schweizer. Zu Zeiten von Bykow und Chomutow waren die Ausländer noch in ganz anderen Sphären. Warum haben wir so grosse Angst?

Wozu soll man noch viel in die Entwicklung von Talenten investieren, wenn man fertige Ausländer haben kann?
So denkt nur einer, der kurzfristig denkt. Alleine schon für die Identität einer Mannschaft sind die eigenen Spieler wichtig.

Mit mehr Ausländern sinken die Perspektiven für junge Schweizer.
Das ist wieder das fehlende Vertrauen in unser eigenes Schaffen!

Warum setzt man nicht den Hebel bei der Förderung von Schweizern an?
Das sind wir bei einer Grundsatzfrage: Wieviel will man reglementieren und wieviel Freiheit lässt man? Wir investieren aus Überzeugung viel in die Nachwuchsförderung und werden es auch weiter tun.

Weshalb reichen Financial Fairplay und die Abschaffung des Abstiegs nicht? Wozu muss man auch noch die Anzahl der Ausländer erhöhen, was viele Klubs gar nicht wollen?
Es ist ein Gesamtprojekt, über welches wir noch final entscheiden müssen. Ich finde, das stärkste Signal wäre, wenn man gar keine Ausländer-Limitierung hätte. Wir werden jedes Jahr Platz in der Nati-A-Mannschaft für die Jungen schaffen. Doch das stärkste Signal ist es, dass sie diesen Platz verdienen und nicht ein Reglement andere nicht zulässt. In Schweden hat man gar keine Restriktionen. Dort setzt man aus Überzeugung auf eigene Spieler und Trainer. Jetzt stellt man Deutschland als Negativ-Beispiel dar. Doch die Deutschen sind in der Weltrangliste immer noch vor uns.

National League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
HC Fribourg-Gottéron
HC Fribourg-Gottéron
1
3
3
2
SC Bern
SC Bern
1
2
3
2
ZSC Lions
ZSC Lions
1
2
3
4
EV Zug
EV Zug
1
1
3
4
Lausanne HC
Lausanne HC
1
1
3
6
HC Lugano
HC Lugano
2
1
3
7
EHC Kloten
EHC Kloten
1
1
2
7
SC Rapperswil-Jona Lakers
SC Rapperswil-Jona Lakers
1
1
2
9
HC Ambri-Piotta
HC Ambri-Piotta
1
-1
1
10
HC Davos
HC Davos
2
-3
1
11
Genève-Servette HC
Genève-Servette HC
1
-1
0
12
EHC Biel
EHC Biel
1
-2
0
12
SCL Tigers
SCL Tigers
1
-2
0
14
HC Ajoie
HC Ajoie
1
-3
0
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