Warum der FC Vaduz mehr Kredit verdient hat
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Schluss mit den Vorurteilen!Warum der FC Vaduz mehr Kredit verdient hat

BLICK-Reporter räumt mit Vorurteilen auf
Warum der FC Vaduz mehr Kredit verdient hat

Weg mit all den Vorurteilen! BLICK-Fussball-Reporter Marco Pescio erklärt, wieso der FC Vaduz eine Bereicherung für die Super League wäre.
Publiziert: 10.08.2020 um 13:34 Uhr
Marco Pescio*

Er ist toleriert und respektiert, aber wenns drauf ankommt, eben auch schnell wieder nur der mässig willkommene Gast aus dem Fürstentum: Viele Fans hat der FC Vaduz in der Schweiz nicht – mal abgesehen vom nahen Rheintal und vielleicht ein paar sportartverirrten, fussballverrückten Bündnern. Der kleine FCV in der Super League? Lieber nicht. Zu wenig aufregend sei der Verein, zu brav, zu bieder. Ausserdem seien die Vaduzer ohnehin nur so gut, weil sie vom Fürsten höchstpersönlich alimentiert würden.

Höchste Zeit, hier mal gewisse Vorurteile auszuräumen.
Wenn ich eines in den sechs Jahren als Sportredaktor beim «Liechtensteiner Volksblatt», bevor ich den Weg nach Zürich zu Ringier angetreten bin, gelernt habe, dann ist das Folgendes: Geld hat der FC Vaduz nun mal wirklich keines. Zumindest nicht so viel, wie gerne mal behauptet wird.

Der Fürst steht nicht auf Fussball

Der Fürst? Der ist wirtschaftlich vif, politisch und kulturell interessiert, läuft am Staatsfeiertag, an dem sich gefühlt alle 38 000 Einwohner des Ländles im Vaduzer Dorfzentrum treffen – und sich auch noch kennen (hallo bestätigtes Klischee!), gerne mal durch die Massen. Aber Fussball? Nicht sein Ding. Klar: Hätte er wenigstens ein Fünkchen Leidenschaft für das runde Leder, könnte die Situation für den FC Vaduz ganz anders aussehen – immerhin liegen Schätzungen zufolge ein paar Milliarden Franken auf dem Konto von Seiner Durchlaucht, Fürst Hans-Adam II.

BLICK-Fussball-Reporter Marco Pescio.
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So aber muss der FCV ohne Finanzspritze aus dem Schloss auskommen. Er ist zwar solid aufgestellt, grosse Sprünge liegen aber nicht drin. Aktuell sucht er händeringend nach einem zweiten Hauptsponsor. Sollte er in der Barrage gegen Thun den Coup schaffen, würde er mit rund sechs Millionen Franken das mit Abstand kleinste Budget aller Super-League-Klubs aufweisen. Auch in der Challenge League hinkt er in dieser Saison Lausanne-Sport, GC oder auch Aarau in finanzieller Hinsicht klar hinterher. Der aktuelle Erfolg: Er beruht ganz langweilig auf ehrlicher Arbeit, auf der Ruhe im Umfeld und in Mario Frick auf einem Trainer, der Land und Leute und deren Macken bestens kennt.

Beachtliche Zuschauerzahl

Klar: Ein Zuschauermagnet wäre der FC Vaduz im Falle eines Aufstiegs nicht – weder wirkt er als Gegner so attraktiv, dass ein unentschlossener Fan an einem schönen Sonntagnachmittag lieber ins Stadion statt in die Badi geht, noch bringt er bei Auswärtsspielen Scharen von eigenen Anhängern mit.

Nimmt man aber das letzte Super-League-Abenteuer der Vaduzer (2014 bis 2017) als Massstab, sind die Zuschauerzahlen mit einem Schnitt von über 4000 pro Heimspiel durchaus beachtlich. Für eine Gemeinde, die rund 5500 Einwohner zählt! Fehlende Stimmung? Na ja. Ist sie denn in wirklich allen anderen Schweizer Arenen so viel besser?

Ausserdem: In gewissen Schweizer Teilen mag der FC Vaduz klar als ausländisches Team angesehen werden, als der Gast, der gefälligst seine Antrittsgebühr zu bezahlen hat, wenn er schon mittun will. In der Region um das Ländle aber verschwimmt diese Grenze im Rhein sprichwörtlich. Das Fürstentum ist Arbeitsplatz für Tausende Schweizer, die wiederum gerne auch Fussball auf höchstem Niveau in ihrer Umgebung sehen. Ein Drittel der FCV-Jahreskarten geht auf eidgenössische Abnehmer zurück. Schon immer spielen in der ersten Mannschaft zudem zahlreiche Schweizer Cracks, die den Klub als Sprungbrett benutzen. Bestes Beispiel: Nati-Goalie Yann Sommer, der zwischen 2007 und 2009 im Rheinpark zwischen den Pfosten stand.

Vaduz hat wenigstens ein Stadion

Der Rheinpark? Vaduz hat, gerade im Gegensatz zu einem gewissen, im Barrage-Rennen soeben abgehängten Rekordmeister, wenigstens ein richtiges Fussballstadion. Und ein schmuckes noch dazu. Bergpanorama rundherum, der Rhein fliesst direkt daneben, unweit davon thront erhöht das Schloss. Kein Wunder, haben beispielsweise die St. Galler Fans die Auswärtsfahrt ins Ländle auch schon zum gemeinsamen Grillieren am Wasser genutzt. Die Fussballreise ins Fürstentum kann durchaus Spass machen. Wobei: Aus St. Galler Sicht hat sie das – in den letzten drei Vaduzer Super-League-Saisons – resultatmässig dann meistens doch nicht. Stichwort: Angstgegner …

Auch unter Journalisten war das Reisli nach Liechtenstein in jenen Jahren sehr beliebt. Mag sein, dass dies an der – wirklich feinen – Schokolade lag, die auf der Tribüne den Medienschaffenden verteilt wurde. Oder es lag einfach an der netten Art, mit der man im Rheinpark-Stadion empfangen wird.

Vaduz, das ist pure Fussballprovinz, hier bekommt man als Journi noch ein einfaches Sandwich statt einem Menü, wie es an den Buffets vom Joggeli oder Wankdorf bereitgestellt wird. Es ist ein Ort für Fussballromantiker. Hier ists idyllisch, sympathisch. Und man bekommt auch noch anständigen Fussball zu sehen. Satte 78 Tore hat Vaduz in der regulären Meisterschaft erzielt, nur sechs weniger als Turkes, Zeqiri und Co. für Lausanne.

Und auf der Tribüne sitzt unverändert Ruth Ospelt, die letzten September abgetretene Präsidentin, die nach wie vor ihr unverkennliches, lautes «Hopp Vadoz!» gen Rasen schreit.

*Fussball-Reporter Marco Pescio (29) ist in Maienfeld GR und Bad Ragaz SG aufgewachsen, er hat sowohl den Schweizer als auch den Liechtensteiner Pass. Bevor er 2018 zur Blick-Gruppe wechselte, hat er während sechs Jahren fürs Liechtensteiner Volksblatt als Sportredakteur gearbeitet und dabei den FC Vaduz begleitet.

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Mannschaft
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FC Thun
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FC Etoile Carouge
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Neuchatel Xamax FCS
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FC Schaffhausen
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AC Bellinzona
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FC Vaduz
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