Bernhard Heusler ist jetzt Buchautor – und wieder Fan
«Mir tut fast leid, wie beim FCB gefühlt alles schiefläuft, was schieflaufen kann»

Unter ihm holte der FC Basel acht Meistertitel in Folge: Bernhard Heusler (59) über Trainerentlassungen, Führungsspieler, seine Beziehung zu David Degen. Und über das Fan-Gefühl, das langsam zurückkehrt.
Publiziert: 28.10.2023 um 15:33 Uhr
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Aktualisiert: 28.10.2023 um 23:11 Uhr

Blick: Bernhard Heusler, Sie waren schon FCB-Fan, als Sie in den Klub reingerutscht sind. Erst als Anwalt, später als Präsident.
Bernhard Heusler: Ja. Man merkt dann sehr schnell: Die Vorstellungen, die man von den Persönlichkeiten, die auf dem Platz stehen, hat, decken sich nicht unbedingt mit den Eindrücken, die man bekommt, wenn man sie in der Verantwortung als Mitarbeitende im Büro, auf dem Trainingsplatz oder beim Mittagessen trifft.

Kann man in dieser Rolle Fan bleiben?
(Sofort.) Nein. Wenn man jeden Tag für den Klub arbeitet, bekommt man automatisch einen ganz anderen Zugang. Ich spüre jetzt, dass dieses Fan-Gefühl so langsam wieder kommt, nach sechs Jahren.

Bernhard Heusler (59)

Er ist einer der grossen Namen der goldenen Basler Jahre: Bernhard Heusler, seit 2003 als juristischer Berater mit dem Verein verbunden, wird 2006 Vizepräsident, 2009 übernimmt er als Delegierter des Verwaltungsrates die Verantwortung für das operative Geschäft, von 2012 bis 2017 ist er Präsident des FC Basel, bevor er den Klub an Bernhard Burgener übergibt. Acht Meistertitel in Folge holt der FCB unter ihm, sechsmal spielt Basel in der Champions League, man erreicht Halb- und Viertelfinals in der Europa League. Danach gründete Heusler mit seinen früheren FCB-Mitstreitern Georg Heitz und Stephan Werthmüller die Beratungsagentur HWH. Im Oktober erschien sein Buch «Ein Team gewinnt immer», in dem er seine Erfahrungen als Führungsperson wiedergibt.

Er ist einer der grossen Namen der goldenen Basler Jahre: Bernhard Heusler, seit 2003 als juristischer Berater mit dem Verein verbunden, wird 2006 Vizepräsident, 2009 übernimmt er als Delegierter des Verwaltungsrates die Verantwortung für das operative Geschäft, von 2012 bis 2017 ist er Präsident des FC Basel, bevor er den Klub an Bernhard Burgener übergibt. Acht Meistertitel in Folge holt der FCB unter ihm, sechsmal spielt Basel in der Champions League, man erreicht Halb- und Viertelfinals in der Europa League. Danach gründete Heusler mit seinen früheren FCB-Mitstreitern Georg Heitz und Stephan Werthmüller die Beratungsagentur HWH. Im Oktober erschien sein Buch «Ein Team gewinnt immer», in dem er seine Erfahrungen als Führungsperson wiedergibt.

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Von wem hatten Sie denn ein völlig anderes Bild in der Aussensicht?
Hakan Yakin wirkte als mein Lieblingsspieler auf mich im Stadion extrem selbstsicher, dominierend und fast schon frech. Im persönlichen Kontakt habe ich schnell gemerkt, welch unglaublich sensibler, zurückhaltender, fast schüchterner Mensch er abseits des Spielfelds ist, allerdings auch mit einem sehr guten Humor. Sein liebenswürdiges Naturell passte so gar nicht zu dem Hakan, der am Sonntagnachmittag auf dem Platz stand und die hart umkämpften Spiele für sein Team entschied. 

Bernhard Heusler war von 2012 bis 2017 Präsident des FC Basel.
Foto: BENJAMIN SOLAND
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2017 sind Sie an der Spitze des FCB abgetreten, nun haben Sie ein Buch über Führung geschrieben. Was haben Sie von Spielern wie Matias Delgado gelernt, die Sie über Ihre ganze Amtszeit begleitet haben?
Matias ist 2003 mit mir gekommen, war dann zwischenzeitlich weg und hat dann nach meinem Abgang noch zwei, drei Spiele gemacht. Er hat mich beim FCB sogar überlebt! (Lacht.) Seine Bedeutung ist schwer in Worte zu fassen, wir sind bis heute in Kontakt. Er hat mich vor kurzem einmal mitgenommen in eine Beiz in Hofstetten-Flüh im Kanton Solothurn.

Was ist da passiert?
Dort hat er mich in einen Nebenraum geführt, voll mit FCB-Devotionalien, signierten Trikots an den Wänden, das ganze Programm. Und dann hat er mir erklärt, dass sich die Mannschaft hier immer wieder getroffen, zusammen gegessen und auch gefeiert hat – und wir von der Klubleitung wussten von nichts! Delgado und die anderen Führungsspieler hatten ein Refugium für das Team kreiert, wo man unter sich war, auch mal Dinge klären konnte. Das kann man als Chef nicht von oben diktieren. Da muss man das Glück haben, Führungsspieler wie Delgado, Marco Streller, Beni Huggel, Alex Frei oder Walter Samuel zu haben. Die Aufzählung ist nicht abschliessend! Man könnte als Präsident ja auch einfach diktieren, dass beim Essen immer ein Basler, ein Schweizer, ein Lateinamerikaner und sonst noch einer zusammensitzen müssen. Das bringt nichts, davon bin ich überzeugt. Aber wenn du in die Kabine kommst und siehst, wie Marco Streller dem jungen Mo Salah auf dem Laptop Videos von der Meisterfeier zeigt, dann weisst du, dass es dich für die Integration und Identifikation nur noch in zweiter Linie braucht.

Beim FCB waren Sie dafür bekannt, dass Sie im Zweifel lieber ein Jahr zu früh die Reissleine zogen und sich von verdienten Spielern oder Trainern trennten.
Wirklich? Aber das Thema ist tatsächlich eine Herausforderung für Verantwortliche: Man kann in der Garderobe eine Persönlichkeit haben, die viel geleistet hat. Wenn sie auf dem Platz dann nichts Entscheidendes mehr beitragen kann, wird sie von den eigenen Teamkollegen als Führungsfigur nicht mehr akzeptiert. Das ist die Natur, da funktionieren wir Menschen in einem Hochleistungsteam wie ein Rudel. Diesen Ablösungsprozess rechtzeitig zu antizipieren, ist die undankbare Aufgabe der Führungspersonen. So mussten wir uns gegen die eigenen Emotionen mit Frei und Huggel irgendwann auf ein Ende einigen. Das war extrem schmerzhaft, extrem schwierig, weil wir diesen Spielern so viel zu verdanken hatten. Sie hatten so unglaublich viel für das Ganze geleistet, wovon wir in der Führung profitierten. In einer Führungsposition musst du immer wieder Entscheide fällen, die Leute verletzen. Denn du hast die Verantwortung für das grosse Ganze, für den ganzen Klub.

Welches war Ihre härteste Trennung?
Schwierig war die Freistellung von Heiko Vogel, auch wegen der heftigen Reaktionen von aussen. Da wurden wir und erstmals ich persönlich extrem angefeindet.

Weil Vogel so beliebt war?
Ja, und er war ja objektiv betrachtet auch erfolgreich. Wir hatten intern hart diskutiert und uns auf diesen Entscheid geeinigt – im Wissen, dass er nicht auf Applaus treffen würde. Der Entscheid kam halt früh und traf viele unvorbereitet. Aber man darf auch nicht zu lange warten. Wenn du wartest, bis dir von den Medien ein Wechsel diktiert wird, kannst du sicher sein, dass du vier, fünf Spiele zu lange gewartet hast. 

Wie merkt man, dass es der richtige Moment ist?
Das weiss ehrlicherweise keiner. Das Unangenehme ist: Man entscheidet in der totalen Unsicherheit. Man weiss nicht, wie es in der Zukunft funktionieren wird. Es hilft, wenn man eine Gruppe von Menschen um sich hat, die offen und ehrlich einen Entscheid fällt und ihn nach aussen gemeinsam vertritt. Das hatten wir damals. Unser Glück war, dass Murat Yakin, der als Trainer auf Vogel folgte, nach zwei Niederlagen zu Beginn seiner Amtszeit zu siegen begann. Dann dünnen die empörten und vorwurfsvollen Reaktionen aus. Der sportliche Erfolg wirkt bei unpopulären Entscheiden wie ein Schutzschild für die Führung.

Womit wir in der Gegenwart wären. Heiko Vogel ist wieder Trainer beim FCB, der Klub ist Letzter. Leiden Sie mit?
Natürlich. Aber Sie werden verstehen, dass ich mich zu aktuellen Themen beim FCB nicht äussern werde, weil ich es gar nicht kann. Dafür bin ich schlicht nicht nahe genug dran. Ich bin Beobachter und zunehmend wieder Fan.

FCB-Präsident David Degen hat unter Ihnen noch gespielt. Holt er sich bei Ihnen Ratschläge?
Wenn er mich anruft oder mir schreibt, dann höre ich ihm gerne zu und gebe meine unabhängige Meinung ab. David ist mir wie sein Zwillingsbruder Philipp immer am Herzen gelegen. Da bin ich familiär befangen: Mein Sohn ging als kleiner Knirps mit Davids Trikot mit der Nummer 22 ins Stadion. Das verbindet. 

Juckt es Sie nicht manchmal, wieder einzugreifen?
Nein. Dafür war ich vielleicht zu lange in der Verantwortung. Es ist eher so, dass es mir fast leid tut, wie im Moment beim FCB gefühlt alles schiefläuft, was schieflaufen kann. Wir sassen zu meiner Zeit manchmal auf der Tribüne, haben uns die Augen gerieben und konnten unser Glück kaum fassen. Da versenkt Alex Frei in seinem letzten Spiel gegen den FCZ einen Freistoss, zieht sich bei diesem Schuss eine Zerrung zu und geht unter einer Standing Ovation des Publikums vom Platz – als ob ein Märchenbuch-Autor Regie geführt hätte. Jetzt habe ich ab und zu den Gedanken: «Muss jetzt das auch noch passieren?» Im Moment hat die Regie beim FCB kein Flair für Happy Ends, wie etwa beim Conference-League-Halbfinal gegen die Fiorentina.

Was war Ihr grösstes Glück als Klubpräsident?
Der Lattenunterkantenschuss von Steinhöfer aufs eigene Tor gegen Manchester United (lacht). Wenn man ganz ehrlich sein will: Als wir 2010 in der ersten Saison unter Thorsten Fink 13 Punkte Rückstand auf YB aufholten und noch Meister wurden. Das hat diese ganze positive Spirale in Gang gesetzt. Sportlich, aber auch finanziell. Sonst hätten wir 2010 noch einmal Verlust gemacht. Wir waren erstmals nach aussen primär in der Verantwortung. Wir wollten uns nicht einfach darauf verlassen, dass die damalige Präsidentin Gigi Oeri ein von uns und mir verursachtes Defizit decken würde. Ich wäre wohl ein gutes Jahr später nicht Präsident geworden, wäre die Saison 2009/2010 und die anschliessende Champions-League-Qualifikation nicht erfolgreich gewesen.

Nach dem Steinhöfer-Lattenschuss hat Heiko Vogel den Spruch gemacht, der in Fussball-Basel unvergessen ist: «An guten Tagen macht er den.» Sie haben später bei Vogels Abschied auch einen Satz geprägt, der bis heute jedem neuen Trainer um die Ohren gehauen wird.
(Seufzt). Der mit dem Einkaufen in der Freien Strasse?

Ja. Bereuen Sie diesen?
Null! Ich wollte zum Ausdruck bringen, dass es wünschenswert ist, dass die Führungspersonen im Klub Präsenz in der Stadt haben. Ich glaube, dass die Identifikation und Toleranz der Anhängerschaft grösser sind, wenn man sich gegenseitig auch mal ausserhalb des Stadions begegnet. Gerade im modernen Fussball ist das wichtig. Das Gefühl zu haben, nur mit dem Erfolg komme die Identifikation, ist falsch. Auch wenn Erfolg wichtig ist. Die Aussage war übrigens keine Spitze gegen Vogel.

Sondern?
Ich wollte zeigen, warum wir glaubten, dass in der damaligen Situation Murat Yakin der Richtige ist. Er ist und bleibt ein Kind dieser Region. Er kennt die Stadt und die Basler Kultur in- und auswendig. Bei einem Trainerwechsel sollte man in der Kommunikation sowieso immer nur aufs Neue fokussieren und die Fragen zu den Trennungsgründen möglichst ignorieren. Auch wenn man dafür Haue kriegt.

Die frühere FCB-Mäzenin Gigi Oeri hat Sie vor ein paar Monaten öffentlich heftig attackiert. Hat Sie das verletzt?
Voilà! Die Frage ist falsch formuliert. Frau Oeri war in der Zeit, bevor ich 2003 zum FCB stiess, bis hin zur Übergabe der operativen Leitung im 2009, viel mehr als «nur» Mäzenin. Sie verantwortete in oberster Instanz die sportliche und wirtschaftliche Führung des Klubs. Ich habe ihren damit verbundenen Aufwand hautnah miterlebt, weshalb ich verstehen kann, wenn sie sich an der Reduzierung ihrer Rolle zur Geldgeberin stört. Vielleicht war ich als Nachfolger manchmal zu wenig sensibel, wenn solche Verkürzungen im Raum standen. Gigi Oeri und ich haben beide je einzeln und auch gemeinsam als gut funktionierendes Team für diesen Klub das Beste gegeben. Ich bin ihr für das mir geschenkte Vertrauen sehr dankbar. Das ist es, woran ich mich erinnern möchte.

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